BRONSON – ODESZA + Golden Features

Das US-amerikanische Duo ODESZA, bestehend aus Harrison Mills und Clayton Knight und dem Australier Thomas George Stell aka Golden Features, haben ihre ohnehin gerade bei Fans und Kritikern bewunderten Kräfte gebündelt: BRONSON lässt die Sound-Welten der Grammy-Nominierten sowie des Deep-House-Shooting-Stars perfekt miteinander verschmelzen. Die globale Reichweite von ODESZA und Golden Features geht zusammen in Sachen Streams in die Milliardenhöhe, mehrere Gold- sowie Platin-Singles und -Alben stehen bereits zu Buche, Größen wie Sia, Leon Bridges, Regina Spektor, Katy Perry und Charli XCX waren schon als Remix- und Kollaborationspartner am Werk. Kennengelernt haben sich die drei 2014 im Rahmen eines Festivals in Perth, Australien. Sechs Jahre später folgt nun das erste selbstbetitelte Werk „BRONSON“. Mit „Heart Attack feat. lau.ra“, zu dem unter der Regie des preisgekrönten ungarischen Filmemachers Balázs Simon ein Video gedreht wurde, und „Vaults” sind vorab bereits zwei Singles ausgekoppelt worden, die einen Vorgeschmack auf die elektronische Klangvielfalt des Trios bieten. Das Album, aus zehn Titel bestehend, beinhaltet Kollaborationen mit lau.ra, Totally Enormous Extinct Dinosaurs und Gallant und erscheint am 17. Juli via Foreign Family Collective/Ninja Tune digital, auf CD sowie Vinyl.

Jungs, wie fühlt ihr euch und wo befindet ihr euch im Moment?

Harrison: Alles in allem geht es uns gut. Wir sind froh, dass das Album fertig ist, und freuen uns, dass die Leute es endlich hören.

Clayton: Wir befinden uns derzeit in Seattle, Washington, und Tom ist in Sydney, Australien.

Gratulation zum Debütalbum!

Tom: Danke dir! Es ist zugegeben ein ungewöhnlicher Zeitpunkt für die Veröffentlichung eines Albums. Aber die Hoffnung ist, dass der Hörer sich auf einer persönlichen Ebene mit dem Album verbinden kann und darin auch so etwas wie eine Atempause findet. Wir haben unsere Grenzen auf der Platte kreativ ziemlich erweitert. Letztendlich wollen wir, dass die Leute dem Album ein Gefühl von Hoffnung und Stärke entnehmen.

Lasst uns bei null anfangen. Ihr habt euch 2014 bei einem Festival in Australien kennengelernt. Wie waren eure ersten gemeinsamen Schritte?

Clayton: Ja, wir haben uns in Perth kennengelernt. Wir haben uns schon vor dem Treffen als Künstler extrem respektiert und fanden die Sachen des bzw. der anderen schon immer gut. Nachdem wir uns kennengelernt hatten, entstand recht schnell eine Freundschaft.

Harrison: Es entwickelte sich ein sehr guter Vibe und wir merkten, dass wir ehrlich zueinander sein konnten, ohne uns dabei allzu ernst zu nehmen. Und das ist unserer Meinung nach eine extrem gute Basis, um kreativ werden zu können. Also fingen wir irgendwann an, gemeinsam Musik zu machen.

Harrison, du hast bereits an einigen Stücken für Tom und sein Album „SECT“ gearbeitet. Wie wichtig und hilfreich war diese Kollaboration für dieses Werk?

Harrison: Ich denke, das war extrem hilfreich. Dass wir schon so lange befreundet sind und bereits zuvor in kleinem Rahmen zusammengearbeitet hatten, gab uns ein Gefühl des Vertrauens und der Leichtigkeit, als es darum ging, an einem Album in voller Länge zu arbeiten. Es ist wirklich wichtig, sich wohl zu fühlen, wenn man während einer Kollaboration experimentieren und Ideen vorantreiben will. Und ich denke, es hat dazu beigetragen, dass wir uns schon früh in die richtige Stimmung bringen konnten.

Im Jahr 2018 habt ihr euch in Berry in Australien „eingeschlossen“, um am Album zu arbeiten. Welche Faktoren waren entscheidend, als es darum ging, die Albumidee zu realisieren?

Tom: Wir haben über Dropbox und FaceTime zwischen den USA und Australien Ideen hin und her geschickt und beschlossen, dass wir es uns selbst schuldig sind, herauszufinden, was passieren würde, wenn wir uns alle persönlich dem gemeinsamen Schreiben widmen.

Clayton: Ich denke, die Neugierde war einfach sehr groß. Wir erschufen uns diesen musikalischen Raum, der sich ganz anders anfühlte als unsere jeweiligen Projekte ODESZA & Golden Features. Und das war irgendwie sehr aufregend. Es fühlte sich so an, als würde das Projekt auf kreative Weise beginnen, ein Eigenleben zu führen und sich total natürlich zu entwickeln. Also arbeiteten wir weiter und plötzlich formte sich alles zu einem vollkommenen Album.

Harrison: Es war ein wirklich befreiender Prozess und wir sind alle happy, dass wir diesen Schritt gewagt haben.

Euer erstes gemeinsames Stück war „Vaults“. Könnte man sagen, dass dieses Stück eine Art Basis für den Rest gelegt und auch als eine Art Wegweiser gedient hat? Der neue Sound unterscheidet sich sehr von euren jeweils eigenen Projekten.

Clayton: Ja, das war in der Tat eines der ersten Instrumentalstücke, die wir fertiggestellt haben. Und definitiv war es wie ein Eckpfeiler für das gesamte Sounddesign und die Ästhetik des Albums. Es war eine so deutliche Abkehr von jedem unserer jeweiligen Stile, dass es sich definitiv wie ein Energie- und Richtungswechsel für das BRONSON-Projekt anfühlte. In diese Richtung haben wir dann all unsere Energie gesteckt.

Wie lange und herausfordernd gestaltete sich dieser Prozess?

Tom: Nun, BRONSON entstand, wie beschrieben, auf eine wirklich natürliche, fast unbeabsichtigte Art und Weise. Wir sind nicht von Anfang an aktiv losgezogen und sagten „okay, lasst uns ODESZA und Golden Features kombinieren und ein Album machen“.

Harrison: Stattdessen ist es irgendwie einfach passiert. Wir alle bewundern uns gegenseitig als Künstler und begannen, Ideen hin und her zu schicken, ohne ein wirkliches Ziel vor Augen zu haben. Es stellte sich heraus, dass wir durch die Zusammenarbeit verschiedene kreative Facetten erschließen konnten, die uns über ODESZA oder Golden Features nicht zugänglich waren, und der Sound entwickelte sich quasi von allein und sehr frei. Es war keineswegs ein müheloser Prozess, aber die Zusammenarbeit öffnete für uns einen grenzenlosen Raum, in dem wir ohne Druck und Erwartungen an unsere Grenzen gehen und neue Klänge entwickeln konnten.

Harrison und Clayton, ihr beide arbeitet seit jeher gemeinsam und habt schon sehr häufig mit anderen Künstlern kollaboriert. Tom, du hingegen arbeitest in der Regel solo, bis auf das Feature mit The Presets auf der „Raka“-EP und mit Rromarin zum Beispiel. Was genau macht für euch den Unterschied in dieser Konstellation zu dritt? 

Tom: Der Unterschied zwischen Solo- und Gruppenarbeit ist enorm, finde ich. Es ist ein sehr befreiendes Gefühl, mit anderen Leuten zusammenzuarbeiten, die man künstlerisch respektiert und denen man wirklich vertraut, vor allem aufgrund der Tatsache, dass sie einen Keim einer von ihnen geschaffenen Idee aufnehmen und ihr förmlich neues Leben einhauchen können. Jedoch fühlte sich diese Konstellation zu keinem Zeitpunkt so an, als würden zwei bestehende Projekte gemeinsame Sache machen.

Harrison: Genau, es war eher so, als würden sich drei unabhängige Musiker treffen, um Ideen und Sounds auszutauschen. Vor allem darf man nicht außer Acht lassen, dass wir uns zum Zeitpunkt, als wir anfingen, gemeinsam Musik zu machen, bereits vier Jahre kannten und befreundet waren.

Clayton: Daher fühlte sich die ganze Nummer nicht wie ein strategischer Business-Move an, sondern eher wie eine gute Zeit unter Brüdern.

Glaubt ihr denn, dass sich diese intensive Zusammenarbeit mit neuem Sound auf irgendeine Art und Weise auf eure beiden eigenen Projekte auswirken wird?

Clayton: Ich glaube nicht, denn dafür haben wir mit dem neuen Bandnamen eine klare Grenze gezogen. Dieser Schritt ermöglichte es uns, uns neben unseren eigenen Sachen als Musiker ohne Grenzen zu entwickeln und auch auszuprobieren.

Tom: … und fast schon zu erforschen, ja. In unseren Köpfen sehen wir BRONSON wirklich als etwas völlig anderes als ODESZA und Golden Features, als etwas, was auch in seiner eigenen Welt lebt. Es gab uns den Raum, Musik zu kreieren, die nicht notwendigerweise mit den nächsten ODESZA- und/oder Golden-Features-Releases verbunden ist oder umgekehrt einen direkten Einfluss auf sie hat.

Der Name BRONSON ist inspiriert von dem ersten Film, den ihr gemeinsam in eurem Studio in Berry gesehen habt, korrekt? Was hat euch an Charles und seiner Geschichte imponiert?

Harrison: Das stimmt. Während des Schreibens beschlossen wir irgendwann, eine Pause einzulegen, und schauten diesen Film. Wir fanden ihn super. Zunächst war der Name nur eine Art Arbeitstitel, aber nachdem immer mehr Zeit verstrichen war, wurde uns klar, dass dieser Moment den Beginn des Projekts symbolisierte. Es fühlte sich richtig an, dem Tribut zu zollen. (lacht)

Lasst uns über die Gastmusiker auf dem Album sprechen. Wie seid ihr bei der Auswahl vorgegangen?

Clayton: Jede der Kollaborationen auf dem Album fügt dem Projekt etwas Besonderes hinzu. Es ist schwierig, das in Worte zu fassen, aber lau.ra, Totally Enormous Extinct Dinosaurs und Gallant sind alle auf ihre ganz eigene Weise unglaubliche Künstler.

Harrison: Oh ja, ihre Stimmen sind so einzigartig und verleihen dem Album Dramatik, Tiefe und Emotion zugleich. Die Gesangsspuren dienen als kathartische, melodische Momente in den Stücken und schaffen einen Ausgleich zu den schwereren, intensiveren Instrumentalstücken.

Tom hat es schon angesprochen – es könnte in der Tat bessere Zeiten geben, um ein Album zu veröffentlichen. Zum Beispiel, um dann im Rahmen des Releases auf große Tour zu gehen und Shows zu spielen.

Clayton: Ja, es ist definitiv eine, sagen wir mal, interessante Zeit für die Veröffentlichung eines Albums. Wir hatten bereits Monate vor der Pandemie geplant, auf Tour zu gehen. Es standen schon einige Termine fest und wir hoffen, dass wir sehr bald in der Lage sind, das Projekt live zu präsentieren – eben dann, wenn die Sicherheit für alle garantiert ist.

Harrison: Wir schauen uns die Situation tagtäglich genau an. In der Zwischenzeit hoffen wir, dass das Album und die Musik bei den Menschen Anklang findet und dazu beiträgt, inmitten einer so schwierigen Zeit etwas Erleichterung und ja, auch Eskapismus zu schaffen.

Wie habt ihr die letzten Wochen und Monate mit der Pandemie erlebt?

Tom: Na ja, wir versuchen, wie wohl alle, die Last dieser ungewohnten Zeit zu verarbeiten. Der Schleier wurde bei so vielen globalen Themen bzw. Problemen gelüftet, die während der Pandemie zum Vorschein gekommen sind, vor allem in Bezug auf Rassismus und die groben Ungerechtigkeiten in unserer Gesellschaft. Wir befinden uns in einem beispiellosen Krisenzustand und wollen die Schwere und das Ausmaß der Krise voll und ganz begreifen. Und das dauert mit Sicherheit seine Zeit.

In der Tat schwierige Zeiten und wichtige Themen, die es aufzuarbeiten gilt.

Harrison: Wir versuchen zuzuhören, nachzudenken, zu lernen und uns unserer eigenen Verwicklung und Komplizenschaft in diesem zerbrochenen System bewusst zu sein und darüber hinaus Raum für ungehörte Stimmen zu schaffen. Es ist auch eine Zeit, in der das Veröffentlichen von Musik Konfliktpotenzial birgt, und wir versuchen wirklich, hier sehr bewusst ans Werk zu gehen.

Was steht musikalisch neben BRONSON auf eurer Agenda?

Tom: Ganz ehrlich? Das versuchen wir gerade selbst herauszufinden. (lacht) Wir haben so viel in BRONSON investiert, praktisch unsere gesamte Zeit und Mühe in das Projekt gesteckt. Es hat sich absolut gelohnt und im Moment konzentrieren wir uns auf die Veröffentlichung des Albums, danach werden wir sehen, wohin uns das führt.

 

Aus dem FAZEmag 101/07.2020
Text: Triple P
Foto: Gian Galang
www.facebook.com/wearebronsonofficial