Butan Club – open to close. Ein Interview mit dem Betreiber Tobias Wicht

Es ist die Hiobsbotschaft schlechthin für die deutschlandweite Techno-Kultur: Der legendäre Butan Club schließt nach 21 Jahren seine Pforten. Uns vom FAZE Magazin hat diese Message besonders hart getroffen. Unzählige Male haben wir mit unserem Freund Tobias – dem Gründer und Betreiber des Butan – gefeiert. Wir haben mit Sven Väth gelacht, mit Frank Sonic getrunken, mit Kerstin Eden gealbert und mit Felix Kröcher getanzt. Und am 26. Dezember werden wir sagen können: Wir haben mit Tobi geweint.

Butan – eine Legende tritt ab. Eine Legende, die sich diese Bezeichnung wie kaum eine andere Club-Institution verdient hat. Viele Locations sind bereits nach wenigen Monaten Geschichte und betiteln sich als Legende. Der Butan Club hat 21 Jahre die technoiden Ohren steif gehalten und sich zu einer national wie international anerkannten Marke etabliert. Und wäre man sich mit dem Eigentümer einig geworden, was den Pachtvertrag angeht, so würde das Butan gewiss auch noch viele Jahre weiter als hell(st)er Stern der deutschen Clubszene erstrahlen. Doch es kam alles ganz anders …

Um jetzt aber nicht vor Elend und Traurigkeit zu verfließen, wollen wir Tobi doch einmal Danke sagen. Danke, Tobi. Danke für die vielen – ja: unzähligen! – Nächte, die wir im Butan verbracht haben. Verbringen durften. Danke für eine großartige Zeit. Und danke, dass du es am Ende noch einmal so richtig krachen lässt!

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Am 25.12. ist Schluss. Diese Meldung hat sehr viele Menschen in der nationalen und internationalen Clubszene überrascht und traurig gemacht. Wie kommt es dazu?

Das hat mehrere Gründe. Final ist es sicher der Hauptgrund, dass wir mit unserem Verpächter nach so langer Zeit leider keinen Konsens bzgl. eines neuen Pachtvertrags finden konnten. Auch nach sechs Monaten Verhandlungszeit und mehreren Zusagen von seiner Seite leider nicht. Das ist schon bitter.

Du hast die Marke Butan über 20 Jahre aufgebaut. Wie geht es mit dem Namen Butan weiter?

Wir werden weiterhin in NRW Veranstaltungen durchführen – nicht so häufig wie aktuell, aber wir machen sicher noch Events.

Du bist dafür bekannt, an nahezu jedem Veranstaltungsabend im Club gewesen zu sein. Eine unfassbare Leistung und Belastung. Was hättest du im Rückblick in den 21 Jahren Butan anders gemacht?

Ich denke, nur so funktioniert es auf Dauer. Das ist meine Philosophie eines Clubs. Jedoch hätte ich einen weiteren Mitstreiter gebrauchen können, der mich auch mal ein Wochenende zu 100 Prozent ersetzt. Mit dieser Suche habe ich zu spät begonnen. Außerdem hätte ich langfristige Verträge mit Künstlern abschließen sollen, da der Trend, die Gagen in kürzester Zeit auf utopisch hohe Summen eskalieren zu lassen, nicht mehr gesund ist. Ach ja, da ich den Club auch (um)gebaut habe, hätte ich wahrscheinlich besser auch das Grundstück erworben, auf dem dieser Club steht – wie man nun sieht (grinst). Aber das Geld fehlte damals. Ich bin ja nicht mit einem goldenen Löffel auf die Welt gekommen.

Jeder, der sich in der Clubszene bewegt, weiß, dass Loyalität nicht unbedingt groß geschrieben wird. Welche Partner haben dich über die mehr als 20 Jahre treu begleitet und was hat dich im Nachhinein enttäuscht?

Neelix, Chris Liebing, Felix Kröcher, DJ Hell, Boris Brejcha, die gesamte Abstract- und I-Motion-Crew, Frank Sonic, Sven Schaller, D-Nox, Steve Mason (damals), Stefan Waldschmidt und auch Michael Weicker haben mich über die Jahre begleitet. Enttäuscht hat mich die fehlende Loyalität von Acts, die man unterstützt und aufgebaut hat. Und sei es nur in diesem Bundesland. Joseph Capriati z. B. war eigentlich fast sowas wie ein Resident auf der „Sound of Butan“. Selbst bei angepassten Gagenangeboten war es nicht möglich, ihn erneut zu buchen. Oder Deadmau5: Den habe ich vor seinem ersten dicken Release für 2.500 Euro verpflichtet. Das hat die Agentur leider vergessen und mir erklärt, dass ich sie ja mal mit meiner schriftlichen Zusage auch in den Staaten verklagen könne. Eine andere Bookingagentur hat mir sogar mal einen schlechten Doppelgänger geschickt. Ich frage mich bis heute, wie er den Flug antreten konnte … es gibt schon komische Gestalten in diesem Nachtleben. Aber es gibt auch tolle Leute und Situationen, die man nur dort treffen bzw. erleben wird.

Du hast unzählige rauschende Partys gefeiert. Welche Nächte sind dir besonders in Erinnerung geblieben?

Deichkind (live) war cool, Silvester mit Digitaluhr und Sven Väth war sicher besonders, Adam Beyer und Chris Liebing back 2 back waren auch sehr besonders. Armin van Buurens „A State of Trance“ hatte donnerstags live aus dem Club ein paar Millionen Zuhörer – und nun füllt er Fußballstadien. Oder die erste Veranstaltung ohne Genehmigung – mit Razzia und vorheriger Sperrzeitenpause im angrenzenden Keller mit 600 bis 700 Leuten war sicher das Raueste, was ich so gemacht habe. Dafür gab es auch eine saftige Strafe mit Berufsverbot (das ich kippen konnte). Oder die vielen – früher echt krassen – Goapartys. Das kann man schwer beschreiben. Das erste HYTE-Festival in Wuppertal (nicht das in New York, das erste war in Wuppertal!) war auch echt lustig. Hawtin, Pan-Pot und 20 andere an Silvester – das wird Wuppertal wahrscheinlich nie mehr zu hören bekommen.

Wie siehst du die Entwicklung der nationalen Clubszene?

Schwierig – momentan zerstören die Agenturen und Künstler die gesamte Clubszene. Elektronische Musik ist halt eine Industrie geworden, die jedoch historisch und kaufmännisch oftmals einfach überfordert ist bzw. es nicht gelernt hat. Bookingagenturen sind oft wirklich das Allerletzte. Respektvolles Miteinander ist da eher ein Fremdwort. Es wird halt der Fokus auf die Metropolen gesetzt. Dann ist das Hotel und das Offer (Geld) wichtiger als der Gig oder wer anfragt, bzw. welche Verbundenheit/Aufbauarbeit mit dem Künstler hinter dem Veranstalter liegt. Und ein Fokus wird momentan zu sehr darauf gelegt, wer sonst noch in dem Club spielt – wenn Künstler XZ oder Z dort auflegt, ist es gut genug – wenn nicht, halt nicht. Das hat ein wenig etwas von Lemmingen im Kleingartenverein. Ausnahmen bestätigen auch dort die Regel. Jedoch wird durch die Heerschar an coolen Acts, die alle gerne aufeinanderschauen, die Vielfalt, für die ich Techno auch sehr gemocht habe, geringer. Clubs jenseits der Metropolen schließen oder öffnen zumindest seltener, weil sie ihr eigenes Level oft nicht halten können (weil Acts fehlen) oder weil sie Angst haben, wenn sie Künstler XZ buchen, kommt Künstler Z nicht mehr. Jenseits der für Acts vier bis fünf interessanten Städte Deutschlands wird es bald wahrscheinlich nichts mehr geben. Aber vielleicht soll das einfach auch so sein. Vielleicht ist es nicht mehr an der Zeit, 60 bis 70 elektronische Events im Jahr in einem Club zu machen. Das wäre schade. Es gibt ja auch viele Open-Air-Veranstaltungen und Off-Events. Ich frage mich da immer, was die Leute am Anstehen so toll finden. Ich war letztens auf einem One-Day-Festival und es war echt unterirdisch – für mich. Anstehen am Eingang, anstehen an der Bar, anstehen bei an WCs. Für mich war das eher nichts, aber es scheint ja zu funktionieren. Ist nur etwas anderes als das, weshalb ich angefangen habe. Wenn die Gäste aber in solch einem Rahmen ihren Spaß haben, finde ich das total in Ordnung. Ich kann und muss es auch nicht nachvollziehen. Aber eigentlich ist es immer schon vorbei, wenn es hip ist. Daher sind Festivals nach dieser Regel gerade angezählt. Mal sehen, wohin es geht …

Ich sag mal so: Hoffentlich subventionieren nicht – was in einigen Städten anscheinend schon Normalität ist – irgendwelche Yuppies Clubs als Hobby. Das würde die Wettbewerbsfähigkeit von normalen Clubs weiter reduzieren.

Wie sieht dein Wunsch-Lin-up aus den Künstlern aus, die schon mal bei dir gespielt haben

Frank Sonic, L-EX, Mobisch, Frvnzis, Milo Sonoro, Thomas Toka

Alles Residents. Guter Sound und that’s it. By the Way: Danke an euch, FAZE Magazin!

Welche drei Stücke hörst du immer wieder gerne?

Fischerspooner – Emerge
Gregor Trester – Goliath
Per & Passarella Death Squad – Temperature’s Rising

Und natürlich „Night of the Jaguar“. Ein wenig runtergeregelt ist das schon ein tolles Ding!

Foto: Boris Brejcha, April 2018 © Florian Schmitt I Flocreates
Foto: Boris Brejcha, April 2018 © Florian Schmitt I Flocreates

Gerne schauen wir nach vorne und blicken auf das, was uns noch knapp drei Monate im Butan Club erwartet. Hier eine Übersicht der bevorstehenden, letzten (!) Events – bevor ihr im Anschluss daran ein Interview mit Tobi lesen könnt, in dem er auf seine wildeste, verrückteste, prägendste und sicherlich beste Zeit des Lebens zurückblickt – und verrät, wie es mit dem Namen Butan weitergeht.

02.10.2018: „The Sound of the Sun“ mit Neelix
05.10.2018: „Der letzte Minirave: Frank Sonic all Night long“
12.10.2018: „Terror Clown vs. Hatred“: Hardcore at its Best
19.10.2018: „Tekk dich weg!“
31.10.2018: „The last Halloween´s Hell“ mit Klaudia Gawlas, Björn Torwellen u. a.
16.11.2018: „BigCityBeats World Club Dome Winter Edition 2018 – The official Afterparty“
23.11.2018: „The Sound of the Sun“
14.12.2018: Das letzte Mal „The Sound of the Sun“
24.12.2018: „Die letzte Highlige Nacht im Butan“
25.12.2018: „Butan Closing – der allerletzte Rave am Gaskessel“

26.12.2018: R. I. P.

 

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