Christian Nielsen – „It’s all about the balance“

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In Kopenhagen lebend, erschien Nielsen in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder und öfter auf dem Radar der elektronischen Szene und war Teil ihrer aktuellen Geschehnisse. Vor allem durch seinen Output auf Labels wie Kompakt, Noir, Play It Down, Kling Klong und anderen prägte sich der Name Nielsen ein. In Kürze erscheint mit „In Search Of The Perfect Sun” weiteres Material auf Exploited.

Musikalisch erzogen worden ist der Däne dabei von Namen wie Kerri Chandler, Jimpster, Mr. V, Master At Work, Larry Heard, Moodymann und dem späten Frankie Knuckles. „Musik war schon immer ein wichtiger Teil meines Lebens, und zwar aus allen möglichen Genres. Von alten Grunge-Platten meines Bruders bis hin zur Disco-Sammlung meines Vaters. Lyrics waren mir dabei völlig egal, es ging mir vielmehr um die Komposition und das Gefühl, das diese in mir erzeugte. Es war, als würde ich die Songs schichtweise zerlegen. Trotz meines großen Interesses sah in meiner Familie aber niemand diese Musikalität in mir. Vielmehr sahen sie die bei meinem Bruder, ich jedoch war der nächste Sport-Star aus der Familie – bis ich von zu Hause auszog und mich voll und ganz der Musik widmete. Mit Anfang 20 habe ich angefangen, in Clubs zu gehen und mich mit Leuten zu umgeben, die mich weiterbrachten und kreativ inspirierten. In einer Bar namens ,The Dive‘ habe ich dann mit dem Auflegen begonnen.“ Im Studio versucht er jedoch, Einflüsse von außen zu vermeiden. Vielmehr lässt er sich dort einzig und allein von einer Frage leiten: Würde ich hierzu tanzen? „Ich komme vom Dancefloor, dort wurde die Basis gelegt für das, was ich heute bin. Daher ist das für mich der wichtigste Gedanke.“

Dass Nielsen dabei nicht zu den typischen Produzenten gehört, belegt die Tatsache, dass er tagsüber in einem Büro arbeitet. Um den Spagat zwischen Schreibtisch und Musikerdasein zu schaffen, bedarf es daher besonderer Maßnahmen. Seine Musik produziert er in der Mittagspause, im Bus oder während der Nacht. „Das mag für viele komisch wirken, aber ich könnte Musik nie als eine Art Job ansehen. Daher habe ich immer versucht, es ohne Zwänge oder Druck, dabei aber mit einem simplen Setup bei der Sache zu belassen, die es ist – meine Passion. Und komischerweise habe ich tatsächlich zwischen 11:30 und 12.30 Uhr die besten Ideen, passend zur Mittagspause. Während einige einen Powernap hinlegen oder meditieren, sitze ich also mit meinem MacBook da und mache Musik.“ Dieser Fakt hat verschiedene Vor-, aber auch Nachteile. Wobei Ersteres eindeutig überwiegt, wie er erzählt. „Ich kenne unendlich viele Künstler, die gefangen sind in ihrem Handeln. Aus Angst, bei einer Änderung Gigs bzw. Fans zu verlieren. Dies kann mir nicht passieren, denn der Job erdet mich und verschafft mir nicht nur finanziell die Möglichkeit, frei zu sein. Es passiert nicht ohne Grund, dass Burn-out bei Acts immer mehr zum Thema wird. Die Industrie wird immer größer, das Rad muss am Laufen bleiben. Auch wenn diese Professionalität der Szene gut tut, ist der Druck heutzutage enorm. Mit dem normalen Job ziehe ich mich ein Stück weit aus diesem Karussell heraus. Und das tut mir gut. Natürlich bedarf das einer Menge Planung und Koordination, aber im Leben geht es doch immer um Balance, oder?“

Seine musikalische Balance hat er im House gefunden, wo er seinen Sound selbst einordnet. Eine abermalige Genre-Diskussion kommt für ihn nicht infrage. „Ich kann den Ansatz nachvollziehen, zumal für mich die meisten Sachen heute einfach gleich klingen und eine Art Kategorisierung notwendig ist. Jedoch sind meist die, die gegen bestimmte Genres hetzen, Leute, die selbst nichts machen. Es wird mir zu viel geredet, verglichen und für gut befunden beziehungsweise schlechtgemacht. Ich würde mir wünschen, dass diese Energien in Musik investiert würden. Und bitte nicht mit den immer gleichen VST-Plugins (lacht).“

Neben der EP auf Exploited steht eine Kollaboration mit dem UK-Artist Weiss auf Toolroom an.

Aus dem FAZEmag 067/09.2017