
Claus Pieper als Urgestein der deutschen Rave-Szene zu bezeichnen, ist sicherlich nicht verkehrt, sagt aber nichts über seine aktuelle musikalische Ausrichtung aus. Denn wer lediglich Genlog und die europaweiten Rave-Hits „Mockmoon“ und „Eiskalt“ mit Claus Pieper assoziiert, vergisst, dass der mittlerweile in Fulda lebende Musiker schon immer sehr offen für alle Stile gewesen ist. Sein neues Projekt trägt den Namen Loft 15 A und erscheint auf dem renommierten Label Plastic City, das u.a. durch die Releases von Terry Lee Brown Jr. und The Timewriter sowie deren erfolgreiche Veröffentlichungen weltweite Bekanntheit erlangte. Wie es zu dem Projektnamen gekommen ist, wieso seine Tochter beim Hören eines Albumtracks geweint hat und wieso es zu jedem Song auf dem Album ein Video gibt, hat uns Claus Pieper im Interview verraten.
Von Genlog und „Mockmoon” hin zu Loft 15 A und „Sign My Way“. Im Laufe deiner Karriere hattest du schon viele Projekte, u.a. auch mit Gary D. auf Tunnel Records oder The Bleachers mit deinem Genlog-Partner. Wie würdest du deine eigene Stil-technische Weiterentwicklung über die Jahre beschreiben?
In den letzten zehn Jahren habe ich mich mit voller Hingabe darauf konzentriert, meine Fitness-Lounge URBANIC fitness erfolgreich im Markt zu etablieren. Diese intensive Zeit hat zwar meine Leidenschaft für die Musikproduktion etwas in den Hintergrund gedrängt, doch meine Faszination für elektronische Musik blieb ungebrochen. In den drei Jahrzehnten meiner musikalischen Reise habe ich unzählige Trends und Stile kommen und gehen sehen. Dabei habe ich eine besondere Liebe für Deep-House, Tech-House und Dub-Techno entwickelt und diese Klänge leidenschaftlich aufgelegt.
Im Dezember 2022 kam dann ein unerwarteter Wendepunkt: Mein alter Weggefährte Jens Ebert (Meteor 7) tauchte plötzlich in meiner Lounge auf und sagte: „Hey Claus, lass uns doch mal wieder gemeinsam produzieren!“ Diese Begegnung war für mich die Initialzündung, um wieder aktiv in die Musikproduktion einzusteigen. Das Schöne daran ist, dass ich nun die Freiheit habe, das zu kreieren, was ich wirklich möchte, ohne in eine Schublade gesteckt zu werden. Natürlich werde ich immer noch auf meine Zeit mit Genlog angesprochen – das war ein wunderbarer Abschnitt meines Lebens. Doch mein Fokus liegt jetzt klar auf der Produktion meiner eigenen Songs. Ich arbeite sowohl unter meinem eigenen Namen als auch unter den Pseudonymen Loft 15 A und Eigenart.
„Mockmoon”, einer der größten Klassiker Claus Piepers, hier im Remake aus dem Jahr 2022 gemeinsam mit Kai Tracid, inklusive Musikvideo:
Dein neues Album unter dem Namen Loft 15 A mit dem Titel „Me, Myself & I“ erscheint Anfang November. In welchem Gebäude und in welcher Stadt befindet sich das Loft 15 A?
Ich lebe nunmehr seit 18 Jahren in Fulda. Meine Fitness-Lounge URBANIC Fitness, hat die Hausnummer 15 A, ist nicht nur ein Ort für Fitness, sondern auch meine Quelle der Inspiration. So entstand der Name Loft 15 A.
Du hast in den Tracks sehr viele perkussive Elemente eingearbeitet, gleichzeitig aber auch viele Spoken Words. Das Grundgerüst würde ich als „housy“ bezeichnen. Wie lange hat die Produktion des Albums gedauert und ist das der Sound, der dir aktuell am Herzen liegt?
Zu Beginn des Jahres erhielt ich einen Anruf von Plastic City. Sie schlugen vor, ein Album für Loft 15 A zu produzieren, nachdem unsere letzte Single „Psychodelic Boys and Girls“ das Interesse der Hörer geweckt hatte. Im Frühjahr begann ich dann mit der Arbeit an meinem neuen Album und fand schnell in einen produktiven Flow, der es mir ermöglichte, das Album innerhalb von sechs Monaten abzuschließen.
„Me, Myself & I“ verkörpert den Sound, den ich persönlich bevorzuge: deep, dubby, perkussiv und mit ansprechenden Vocal-Lines. Ich bin der Überzeugung, dass der Einsatz von Vocals einem Song zusätzliche Tiefe verleiht, während instrumentale Tracks ebenfalls ihren eigenen Reiz besitzen. Ich glaube, die Mischung macht es einfach. Insgesamt spiegelt „Me, Myself & I“ meinen aktuellen musikalischen Horizont sehr gut wider.
Du hast zu deinem neuen Album auch zu jedem Track ein Musikvideo produziert. Was hat dich dazu gebracht?
Die Idee, Videos für meine Musik zu kreieren, schwebte mir schon lange im Kopf herum. Anfangs war ich jedoch unsicher, ob die Menschen heutzutage überhaupt noch die Geduld haben, sich lange Videos anzusehen. In einer Welt, in der alles so schnelllebig ist und viele nur noch mit einem Wisch von rechts nach links auf ihren Handys unterwegs sind, fand ich das wirklich bedauerlich. Doch ich hoffe, dass die Musikliebhaber nach wie vor eine Vorliebe für das „klassische Musikvideo“ haben.
Deshalb habe ich mir die Zeit genommen, für jeden einzelnen Track ein Video zu produzieren. Das war für mich ein völlig neuer kreativer Prozess. Ich wollte mit den Bildern nicht nur meine Musik visuell unterstützen, sondern auch eine fesselnde Geschichte erzählen. Den ersten Testlauf wagte ich mit „Psychodelic Boys And Girls“. Zu meiner Überraschung erreichte das Video in kürzester Zeit über 50.000 Plays – eine beeindruckende Zahl für einen Underground-Track. Dieses positive Feedback hat mich ermutigt, für jeden Song ein eigenes Video zu erstellen. Die Videos sind jetzt auf dem YouTube-Kanal von Plastic City verfügbar und können dort angesehen werden. Ich freue mich darauf, dass die Zuschauer in die visuelle Welt meiner Musik eintauchen.
Das Musikvideo zu „Psychodelic Boys And Girls“:
In dem großartigen Track „Desert Rose“ treffen die Hörerinnen und Hörer neben perkussiven Drums auf eine Art World-Music-Gesang. Wer oder was hat dich bei diesem Song und generell bei „Me, Myself & I“ inspiriert?
Die Inspiration für meine Musik ziehe ich auch aus meiner zweiten Leidenschaft, dem Auflegen. In den letzten Jahren habe ich viele großartige Tracks gehört, die mich klar beeinflusst haben. Ich nehme diese Eindrücke auf und versuche, sie in eine neue Klangform zu bringen. Besonders die perkussiven Drums und Dub-Chords haben es mir angetan, und das spiegelt sich auch in meinen Produktionen wider. Bei „Desert Rose“ habe ich bewusst afrikanische Gesangselemente integriert, die perfekt in den Song passen und dem Track eine tolle Klangfarbe verleihen.
Was möchtest du mit dem Titel des Albums aussagen? Bist du nun auch musikalisch angekommen? Privat bist du ja schon sehr lange glücklich verheiratet und beruflich sehr erfolgreich in der Fitness-Branche tätig.
Ich bin überzeugt, dass ein familiäres Umfeld, das einen erdet, von großer Bedeutung ist. Meine Frau Sabine, meine Tochter Sheila und mein Dackel August sind die zentralen Säulen meines Lebens – ohne sie wäre ich nicht der Mensch, der ich heute bin. Der Titel meines Albums „Me, Myself & I“ steht für mich symbolisch für die persönliche Weiterentwicklung im musikalischen Kontext.
Welcher Track des Albums gefällt dir am besten? Welcher hat am meisten Zeit in der Produktion beansprucht?
Es fällt mir schwer, einen einzelnen Track auszuwählen, der mir besonders am Herzen liegt, da ich zu jedem Stück eine persönliche Verbindung habe. Die ersten beiden Singles aus dem Album, „Sign My Way“ und „Like A Satellite“, sind großartige Songs, doch emotional wie auch zeitlich betrachtet ist „Sheila“ für mich der bedeutendste. Dieser Track ist meiner Tochter gewidmet. Im dazugehörigen Video habe ich versucht, unsere gemeinsamen Jahre chronologisch festzuhalten, indem ich mein privates Videoarchiv durchforstet habe.
Während des Produktionsprozesses war ich mit dem Gesang nicht ganz zufrieden und entschied mich, das Backing einer befreundeten Sängerin aus New York zuzusenden. Es dauerte einige Tage, bis ich die neuen Vocal-Spuren in den Track integrieren konnte. Als der Song schließlich fertig war, lud ich meine Tochter unter einem Vorwand in die Lounge ein, um ihr den Track vorzuspielen. Ich war unglaublich aufgeregt und gespannt auf ihre Reaktion. Auch wenn es sentimental und uncool klingt, konnten wir beide unsere Emotionen nicht zurückhalten und es flossen ein paar Tränen. Dieser Moment war für uns beide wirklich besonders.
Die aktuelle Single-Auskopplung „Like A Satellite“ ist am 25. Oktober 2024 via Plastic City erschienen:
Was dürfen wir in nächster Zeit noch so von dir erwarten?
Derzeit erlebe ich eine äußerst produktive Phase. Kürzlich habe ich für M-Sol Deep Records eine DJ-Mix-Compilation veröffentlicht, die aktuelle Tracks meines Side-Projects Eigenart umfasst. Ende November wird mein langjähriger Weggefährte Werner Balzuweit nach Fulda kommen, um die nächste Single für Eigenart zu produzieren. Zudem arbeite ich an einer neuen Single für Triance, die ich gemeinsam mit Jens Ebert produziere und die auf Noom Records erscheinen wird. Tja, und dann geht es auch schon wieder daran, die nächste Loft 15 A anzugehen. Selbstverständlich bin ich auch weiterhin als DJ aktiv. Für das kommende Jahr sind bereits spannende DJ-Gigs geplant, und ich freue mich darauf, die Tanzflächen mit meiner Musik zu beleben.
Hier könnt ihr das Album „Me, Myself & I“ von Loft 15A digital erwerben:
Das Album „Me, Myself & I“ erscheint am 8. November 2024 via Plastic City.
Aus dem FAZEmag 153/11.2024
Text: Sven Schäfer, David Fuchs
Credit: T. Winkelmann
Web: www.instagram.com/loft_15a, www.instagram.com/plasticcity_official