Sven Väth und die spanische Mittelmeerinsel – in diesem Jahr feiert diese Liebe bereits ihre 15. Saison. Cocoon und das Amnesia, eine feste Instanz an einem Ort, der von Trends und Hypes angeführt wird. Seinen Status mussten sich die Frankfurter allerdings in den ersten Jahren nach der Ankunft um die Jahrtausend- wende erst erarbeiten. Dominiert wurde die Insel damals noch von ausschließlich britischen Veranstaltern. Doch wie so oft in seiner Karriere sollte Sven Väth mit seinen Visionen Recht behalten und zeichnete sich im Laufe der Jahre durch Authentizität und seiner altbekannten Unermüdlichkeit aus. Der Montag wurde zum Ritual – inklusive unzähliger Afterhours am Cala Jondal oder S’estanyole und weiteren Highlights. Und Cocoon Ibiza wurde zur Kultmarke und sorgte für eben diese Magie, für die Ibiza bis heute bekannt ist. Nicht zuletzt durch diese Errungenschaft gehört Sven Väth auch nach seinem 50. Geburtstag weiter zu den weltweit erfolgreichsten und einflussreichsten Akteuren im elektronischen Kosmos.
Nach den unterschiedlichsten Auszeichnungen erhielt er vor wenigen Wochen eine weitere – und diesmal eine ganz spezielle aus seiner Heimatstadt Frankfurt. Man überreichte ihm die Goetheplakette vom hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst, die seit 1949 in unregelmäßigen Abständen verliehen wird. Begründet wurde die Verleihung folgendermaßen: „Sven Väth ist weit mehr als nur ein Techno-DJ. Er hat den Sound of Frankfurt mitgeprägt, der in den 80er/90er Jahren die Clubs dieser Welt eroberte. Damit hatte und hat Sven Väth einen großen Einfluss auf das Bild Frankfurts und Deutschlands in der Welt. Grund genug für das Goethe-Institut, ihn zum Botschafter für deutsche elektronische Musikkultur zu machen und auf Panels weltweit sprechen zu las- sen.“ Eine Wertschätzung, die sich sicherlich auch durch seine Aktivitäten auf Ibiza entwickelte. Die fleischgewordene Afterhour, die Definition des DJs schlechthin, nannte ihn Kollege Sven Schäfer einst beim persönlichen Gespräch im Rahmen seiner alljährlichen Ayurveda-Kur an der Mosel.
Auch nach 34 Jahren des Plattenauflegens ist er seiner Musik und der Methode, diese unter die Menge zu bringen, treu geblieben. Sven Väth weiß, was er will – und er weiß noch besser, was er nicht will: Stillstand. Das man sich im Laufe der Jahre von unliebsamem Ballast trennt, ist genauso ein Teil seines Lebens wie das Ziel, Visionen umzusetzen, sie zu leben. Er erinnerte sich bei dem Gespräch noch sehr genau daran, wie er mit 16 eine DM-Münze entscheiden ließ, ob es auf die Insel geht oder er mit einem Freund doch auf dem Festland bleibt. Er erinnerte sich, als sei es gestern gewesen, als er als Teenager inmitten schillernder Promis wie Grace Jones, Duran Duran oder Jean-Paul Gaultier feierte, zu dieser Zeit aber am Strand auf einer Sonnenliege hauste.
Inzwischen ist viel passiert, und neben den zahlreichen Standbeinen, die zum Cocoon-Imperium gehören, zählen auch die jährlich erscheinen- den Mix-Compilations zu einem festen Glied der Erfolgskette. Die inzwischen 15 „Sound Of The Season“-DJ-Mixes sind akustische Zeitzeugen-Dokumente und spiegeln den Soundtrack dieser wilden Sommernächte und Tage wider. Doch neben den traditionellen Retrospektiven überlässt der Babba vor der Saison auch anderen die Bühne, um den für sie typischen Ibiza-Sound in einen Mix zu packen. In diesem Jahr sind das die zwei Damen tINI und Dana Ruh, die ebenfalls schon lange auf der Insel verwurzelt sind. Die Track-Auswahl der beiden präsentiert dabei typische House-Vibes von Acts wie Persuader, Nina Soul, Third Wave Trax und Aruba im tINI-Mix und Osunlade, DJ Pierre, Agnés und Move D bei Dana Ruh. Sound für Sonnenauf- bzw. -untergänge, für die heißen Abende am Strand und die folgenden Nächte in den Clubs der Insel. Zwei musikalische Postkarten, die den Sound der Insel in den Sommermonaten perfekt auf den Punkt bringen.
tINI, deren Faszination für Rhythmen und Beats im Alter von sieben Jahren begann, fing in ihrer Heimatstadt München an, Schlagzeug zu spielen, ehe sie sich kurze Zeit später ersten Produktionsversuchen auf dem Atari ihres Bruders widmete. 1997 stolperte sie über Moodymans „Amerika“, ein Stück, das sie sofort faszinierte. Im Sommer 2003 begann sie, in Clubs und auf Events in München zu spielen. 2004 dann tourte sie durch Europa, was zu ihren eigenen Nächten und Residencys – tINI all night long – in dem Gar- den Club in München führte. Als tINI und Loco Dice zufällig mehrere Male in den gleichen Locations spielten, erkannte er ihre musikalischen Fähigkeiten – und so wurde sie 2008 in die Artist Alife und Desolat Familie aufgenommen. Seit 2010 führt sie mit „tINI and the gang“ ihre eigene Reihe auf der Insel, zu der sie immer wieder befreundete Künstler einlädt. Technoidere Wurzeln hingegen finden sich in Dana Ruhs Biografie, die gebürtig aus Gera stammt. Führt sie seit 2007 mit Brouqade ihr eigenes Imprint, kennt man sie aber auch als Resident aus dem Club der Visionäre oder durch Releases mit André Galuzzi auf Ostgut Ton. Auf Jus Eds Label Underground Quality erschien 2014 ihr Debütalbum „Naturally“. Nun kreuzen sich tI- NIs und Danas Wege auf der Cocoon Ibiza Com- pilation 2015, die am 27. Juli auf Cocoon Recordings veröffentlicht wurde. Wir baten die beiden Damen zum persönlichen Gespräch.
Der Sommer ist in vollem Gange, wie war das Jahr 2015 generell bislang für euch?
tINI: Ich bin gerade tatsächlich auf Ibiza, mir geht es ausgezeichnet. Mein bisheriges Jahr war aufregend, es begann mit einer langen Südamerika- Tour. Später im April habe ich zum ersten Mal auf dem Coachella Festival gespielt, und danach war ich zum ersten Mal in Japan. Inzwischen wohne ich wieder auf Ibiza während der Sommermonate, somit kann ich bislang nur über ein sehr gutes Jahr berichten.
Dana: Bis dato war dieses Jahr auch bei mir wirklich super! Ich habe tolle Gigs gespielt, ein paar neue Stücke produziert und dann natürlich die CD für Cocoon gemixt. Mit meinem Kollegen und Freund Jamie Fry habe ich einen kleinen Plattenvertrieb ins Leben gerufen, mein Label Brouqade läuft ebenfalls sehr gut, so kann es weitergehen!
Ihr habt in diesem Jahr – nach Mathias Kaden und Popof in 2014 – die offizielle Cocoon-Compilation zu verantworten. Wie blickt ihr persönlich auf diese Reihe?
Dana: Natürlich ist gerade diese Compilation für mich – und ich denke auch für viele andere – etwas ganz Besonderes. Zum einen begleitet sie mich ja schon über Jahre, und ich habe fast alle CDs der Reihe. Und zum anderen ist sie auch der Soundtrack zur diesjährigen Cocoon Ibiza-Saison. Es steckt also wahnsinnig viel dahinter. Und dass ich jetzt einen der Mixe dieser Compilation machen konnte, ist eine Herausforderung und auch eine Ehre für mich.
tINI: So ist es auch bei mir. Ich verfolge die Cocoon Mix-CDs seit langer Zeit und habe mich sehr über Cocoons Anruf gefreut. Umso mehr, als ich hörte, dass Dana für die zweite Hälfte der CD zuständig ist. Das Gesamtpaket stimmt.
Wie seid ihr bei der Trackauswahl vorgegangen?
tINI: Leider hatte ich für diese Compilation nicht sehr viel Zeit, nur etwas mehr als zehn Tage. So- mit habe ich mich kurzfristig dazu entschlossen, hauptsächlich Tracks von Freunden und talentierten Nachwuchskünstlern zu verwenden. Der Mix sollte kein typischer Clubmix werden, eher etwas zum Anhören im Auto oder Zuhause. Ich habe Stücke gewählt, die für mich ein ganz bestimmtes Ibiza-Gefühl vermitteln. Und ich denke alle, die bereits auf Ibiza waren oder immer wieder herkommen, wissen, wovon ich spreche.
Dana: In der Tat ist das immer wieder etwas ganz Besonderes. Der Mix spiegelt somit auch bei mir natürlich einen Ibiza-Besuch wider. Angefangen von der Ankunft, wenn man aus dem Flugzeugfenster schon das Meer und die Insel sehen kann. Oder eine relaxte Bar oder Strandbesuche bis hin zur Party an sich und am Ende der Sonnenaufgang, oder das Erklingen des letzten Track im Club nach einer unvergesslichen Nacht. Dieser Gänsehautmoment, weil man sich einfach an einem der schönsten Orte der Welt befindet. Alle Stücke auf der CD sind auch in meinen Sets zu finden – und ich liebe jedes einzelne davon. Es ist ein sehr authentischer Mix, weshalb ich bei der Auswahl der Stücke nicht lange nachdenken musste.
Ihr habt gerade schon viel über eure Verbindung zur Insel erzählt, auf der ihr seit einigen Jahren verweilt. Was macht für euch dieses Eiland aus? Könnt ihr euch noch an euren ersten Besuch erinnern?
tINI: Na klar! Meinen ersten Besuch werde ich niemals vergessen. Ich stehe ja gar nicht auf diese ‚Früher war alles besser‘-Aussagen, aber es war schon etwas Besonderes. Das DC10 hatte damals weder einen Garten noch ein Dach. Meine Liebe für Ibiza ist dennoch die gleiche, und es ist so etwas wie mein zweites Zuhause.
Dana: Ich finde Ibiza wunderschön. Den ganzen Vibe, die Landschaft, das Meer! Wenn ich auf der Insel bin, versuche ich, möglichst viel zu sehen, neue Strände zu entdecken und dort zu entspannen. Ganz so lange her wie bei tINI war es allerdings nicht. Mein erstes Booking war 2010. Zoo Project Ibiza hatte mich gebucht und auch Kehakuma im Space. Da war ich natürlich super happy, weil ich die Insel schon immer mochte, aber noch nie in das Nachtleben eingetaucht war, über das ich so viel gehört hatte. Als ich dann ankam, war ich natürlich erstmal geflasht. Die ganzen Clubs, Partys jeden Tag. Aus der Sicht hatte ich das noch nicht gesehen, aber es hat mich direkt eingenommen.
Welche sind denn eure persönlichen Lieblingsspots?
tINI: Wenn es nach dem Ausschlafen zu spät für Frühstück ist, dann direkt zum Fish Shack, meinem Lieblingsrestaurant am Meer. Da kann man nach dem Essen direkt von den Klippen ins Meer springen. Abends grillen wir meistens!
Dana: Restaurants auf jeden Fall, und Strände natürlich auch. In der Früh ein schönes Frühstück, dann mit dem Auto zu einem Strand wie Salinas oder auch nach Ibiza Stadt. Dann mittags mit ein paar Freunden wieder an den Strand und abends auf eine gute Party! Ich mag sehr gern Sa Punta, Cala Comte oder Cala d’Hort, und ich gehe mindestens einmal, wenn ich da bin, in die Trattoria del Mar in Eivissa.
Welcher war der prägendste Moment, den du mit Cocoon oder vielleicht sogar speziell mit Sven Väth hattest?
tINI: Mein erstes Cocoon Opening auf Ibiza im Jahre 2003 und die darauffolgende private Afterhour, in der Sven ein stundenlanges Wahnsinns-Set gespielt hat. Mit T-Shirt auf dem Kopf, natürlich.
Dana: Mit Sven speziell, als er das erste Mal beim SonneMondSterne-Festival gespielt hat. Wir sind extra wegen ihm hingefahren, sind dann nicht reingekommen, weil es zu voll war, und haben uns dann irgendwie durch den Zaun gequetscht. Es hat heftig geregnet, deshalb war wohl keine Security da. Sven war immer sehr präsent. Wir haben alle Mixe auf Tapes mitgeschnitten, im Prinzip, alles was wir kriegen konnten. Ein anderer Moment war, als er im alten Tresor seine Zehn-Stunden-Sets spielte – vor vielen Jahren, als es die Loveparade noch gab. Das waren unbeschreibliche Momente. Und wo Sven ist, ist auch Cocoon. Ich bin glücklich ein Teil davon zu sein.
tINI, mit deiner Reihe tINI & the Gang bist du auch in diesem Jahr wieder auf der Insel vertreten. Wie sieht das Line-up aus, und was darf man in dieser Saison erwarten?
tINI: Wie jedes Jahr versuche ich, so viele neue Talente zu buchen, wie möglich. Aber wir haben neben einigen Residents auch ein paar Surprise-Acts, die ich leider erst im September nennen kann. Man darf auf jeden Fall jede Menge qualitative Musik erwarten und wie immer eine ausgelassene Stim-mung bei freiem Eintritt – um dem ursprünglichen Spirit der Insel noch ein Stück näher zu kommen.
Wie sieht es mit eigenen Produktionen für die kommenden Wochen und Monate bei dir aus?
tINI: Ich habe ein tolles Studio auf Ibiza gefunden, und sofern es mein Kalender zulässt, werde ich dort hoffentlich endlich meine unzähligen angefangenen Stücke fertig produzieren. Man darf also gespannt sein.
Ich habe gelesen, dein eigenes Label steht in den Startlöchern?
tINI: In den Startlöchern ist es noch nicht ganz, aber in Planung! (lacht)
Dana, du bist tief im Berliner Nachtleben verwurzelt. Wo sind für dich die Parallelen zu Ibiza, wo die Gegensätze?
Dana: Naja, auf Ibiza ist das Wetter schöner, und ich habe das Meer vor der Haustür. Partys gibt es sowohl auf Ibiza als auch in Berlin, und ich treffe auch viele Kollegen dort, ganz klar. Aber auf Ibiza ist das irgendwie alles geballter, die Woche ist ja voll mit Veranstaltungen. Allerdings finde ich so manches Event auf der Insel wirklich zu aufge- blasen. Das ist ja alles unglaublich groß angelegt dort. In Berlin geht es da anders zu, die Clubs sind kleiner, da gibt es mehr Underground-Themen und auch Platz für DJs, die vielleicht noch nicht so bekannt sind. Ibiza-Partys sind voll mit ‚Famous‘- Acts. So zumindest ist mein Eindruck. Deshalb finde ich es toll, das tINI bei ihren Partys immer wieder Newcomer einbaut und ihnen eine Platt- form bietet.
Wie sieht es bei dir mit eigenen Produktionen aus?
Dana: Ich bin immer im Studio, wenn ich nicht gerade reise, auflege oder ähnliches mache. Ich habe sehr viel Material fertig und sammle das erstmal. Meine Festplatte ist voll, ich kann mich leider nur oft nicht entscheiden. was ich als nächstes release. Als Nächstes kommt aber ein Track von mir auf der Cocoon „O“ Compilation, dann noch eine EP auf Fred Ps Label Underground Quality. Und es sind noch einige andere Sachen im Gespräch. Allerdings möchte ich es auch nicht übertreiben mit den Veröffentlichungen. Ich denke jetzt schon eher an nächstes Jahr!
Was wird auf deinem Label Brouqade passieren?
Dana: Dazu kann ich momentan noch gar nichts weiter sagen. Verschiedene Entscheidungen über Releases stehen noch aus. Wir werden allerdings weiter mit den Künstlern arbeiten, die bereits an Bord sind. / Rafael Da Cruz
Das könnte dich auch interessieren:
Sven Väth bedankt sich für die Verleihung der Goetheplakette
Mathias Kaden und Popof mixen „Cocoon Ibiza 2014“
Ibiza-Kalender 2015
www.cocoon.net
www.facebook.com/tini
www.facebook.com/danaruh
Interview aus dem FAZEmag 042/08.2015