
Ein Künstler, der Emotion und Energie miteinander verbindet: Contec alias Jonas Wochner gehört zu den spannendsten Newcomern der elektronischen Musik. Mit seiner Single „Als du gingst“ hat er nicht nur die deutschen Charts erobert, sondern auch Millionen von Menschen berührt. In unserem Interview spricht er über den Beginn seiner Karriere, seinen Major-Deal mit Virgin Records, die Balance zwischen Club-Energie und emotionaler Tiefe – und darüber, wie persönliche Erfahrungen seinen Sound prägen. Darüber hinaus zeichnet Contec für den offiziellen FAZEmag-Download-Mix in diesem Monat verantwortlich.
Jonas, du bist noch sehr jung in die Szene eingestiegen – wann war für dich klar, dass aus deiner Leidenschaft für Musik ein ernsthafter künstlerischer Weg werden soll?
Ich war 2022 das erste Mal auf dem Sea You Festival in Freiburg. Nach der Corona-Pandemie ging das Leben weiter und ich sah zum ersten Mal meine Lieblingsartists auf den großen Bühnen. Ich war zu dieser Zeit sehr verunsichert, wohin ich im Leben will. Die Vorstellung, von der Musik zu leben, war für mich ein Traum, den ich mir selbst nicht eingestehen konnte. Doch als die Headliner nun vor mir standen, war da nur ein Gedanke: „Das sind auch nur Menschen. So wie ich.“ Zwei Tage später habe ich meine erste DAW bestellt und in jeder freien Minute produziert. Ich habe meine Verabredungen vergessen, teilweise nicht gegessen und bin meiner Nachbarschaft vermutlich sehr auf die Nerven gegangen. Ich habe vorher noch nie so viel Zeit mit etwas verbracht, das mir so einen Spaß gemacht hat und worin ich so gut war. Ich war felsenfest davon überzeugt, dass das in irgendeiner Hinsicht meine Zukunft wird.
Dein Track „Als du gingst“ hat dich weit über die Szene hinaus bekannt gemacht. War es dir wichtig, ein so emotionales Thema in die Clubwelt zu tragen, die oft eher für Härte als für Gefühle steht?
In erster Linie war es mir wichtig, diesen Track für meinen verstorbenen Freund in die Welt zu tragen. Ich habe mir keine Gedanken darüber gemacht, ob er in die Clubwelt passt. Ich spiele Tracks, die mich bewegen, und das überträgt sich in der Regel auch auf das Publikum. Ich habe diesbezüglich sehr kontroverses Feedback bekommen. Manche sagen, sie können bei dem Song nicht mehr tanzen oder verlassen sogar den Floor. Manche sagen aber auch, dass der Song ihnen in schwierigen Zeiten hilft und sie dadurch das erste Mal wieder weinen konnten. Ich verstehe beide Seiten und freue mich auch über konstruktive Kritik. Kunst wird dann spannend, wenn sie diskutiert wird.
Die Geschichte hinter dem Song ist sehr persönlich – wie war es, Trauer in Musik zu übersetzen und dann zu erleben, dass Millionen Menschen damit in Berührung kommen?
Trauer in Musik zu übersetzen, war für mich immer der einzige Weg, meine Emotionen zuzulassen. Ich habe vor anderen immer versucht, das Weinen zu unterdrücken, um mich nicht „nackt“ zu fühlen. Wenn da nur die Musik ist, lasse ich mich fallen und bemühe mich um keine Fassade. Bei der Entstehung von „Als du gingst“ war das genau so ein Moment. Ich bin allein in meinem Zimmer und denke viel an ihn. Ich denke auch an Mama, Oma und an das erste Mädchen, in das ich in der Schule verliebt war. Sie alle sind leider viel zu früh gegangen. Es ist schon 00:00 Uhr, aber ich kann nicht schlafen. Also mache ich den Laptop auf und fange an. Während ich den Kopf zu dem Beat bewege, muss ich aufpassen, dass meine Tränen nicht zu oft in die Tastatur tropfen. Einige Monate später geht genau dieses Lied durch das Reel von Chrissyjeey viral, und die Melodie ist auf jeder For-You-Page. Was mich sehr berührt hat, waren die Kommentare. Menschen aus ganz Deutschland schreiben im Minutentakt von ihrem Leid und wie sehr der Song ihnen hilft. „Als du gingst“ war kein Song mehr. Es wurde eine Bewegung. Manchmal war ich überfordert. Ein Song, der mir und allen Hinterbliebenen so viel bedeutet, wird ein großes Projekt, das viel Organisation und Aufgaben mit sich bringt. Ein Major-Deal war für mich kein Alltagsprojekt, sondern ein völlig neues Gebiet, in dem ich mich noch nicht auskannte. Zurückblickend bin ich unendlich dankbar. Ein guter Freund sagte zu mir: „Dieser Song ist ein Schlüssel. Welche Tür du damit öffnest, ist deine Entscheidung.“
Mit dem zur Universal Music Group gehörenden Virgin Records hast du deinen ersten Major-Deal unterschrieben. Welche neuen Chancen, aber auch welche Herausforderungen bringt das für dich mit sich?
Die Zusammenarbeit mit einem Major-Label war eine außergewöhnliche Erfahrung. Mein Manager sagte: „Du spielst jetzt nicht mehr regional. Das ist die Champions League.“ Bei meinen bisherigen Releases lag die gesamte Arbeit und Planung bei mir – mit Universal hatte ich auf einmal Unterstützung für Marketing, Design, Rechtliches und vieles mehr. Ich weiß noch, als ich das erste Mal das Firmengebäude von Universal Music Group besuchte. Auf dem Weg durch die Büros und Abteilungen konnte ich mir das Grinsen einfach nicht verkneifen. Mein einziger Gedanke war: „Ich habe vor drei Jahren mit meinen Gaming-Kopfhörern Beats gebaut und jetzt laufe ich durch die Gänge des größten Labels der Welt.“ Es war auch emotional herausfordernd. Ich wollte nichts falsch machen und nicht unüberlegt Entscheidungen treffen – und diese kamen ständig auf einen zu.
Hat die Resonanz auf deine Musik auch deine Beziehungen verändert – etwa zu Freunden, Familie oder deinem engeren Umfeld?
Zu meinem engen Umfeld haben sich meine Beziehungen nicht verändert. Es gab nie jemanden, der mir meine Träume ausreden wollte. Vielleicht habe ich in den Blicken gespürt, dass nicht jeder an mich glaubt, aber das war okay. Ich wusste, was ich wollte, und wem ich von meinen Erfolgen erzählen kann und wem nicht. Ich schloss durch die Musik sogar sehr tiefe Freundschaften.
Dein Sound balanciert zwischen treibender Energie für den Club und emotionaler Tiefe. Wird Emotion auch in Zukunft ein zentraler Teil deiner Musik bleiben oder möchtest du dich bewusst in andere Richtungen entwickeln?
Ich will nicht der nächste Ed Sheeran der Technoszene werden, aber emotionale Tracks wird es weiterhin geben. Ich liebe traurige Musik und scheinbar gibt es einen Weg, sie mit meiner Karriere zu verbinden. Ich werde aber auch weiterhin euphorische und „technoide“ Songs produzieren.
Du bist Resident im Hans Bunte Club in Freiburg, spielst aber auch bereits große Shows. Wie erlebst du den Kontrast zwischen lokaler Verwurzelung und wachsendem nationalen Erfolg?
Hans Bunte ist Homebase. Hier sind immer 30 von „meinen Leuten“ da und man fühlt sich zu Hause. Das Team wird mit einem herzlichen Handshake begrüßt. Auch der Bekanntheitsgrad ist hier am größten, wodurch man öfter mal nach Bildern gefragt wird. Shows außerhalb sind in der Hinsicht etwas Besonderes, da man seine Zeit plötzlich sehr rastlos verbringt und viele neue Menschen kennenlernt.
Wie findest du die Balance zwischen Contec, dem Künstler mit öffentlichem Profil, und Jonas, der privat einfach er selbst sein möchte?
Manchmal ist die Trennung von „Jonas“ und „Contec“ nicht so einfach. Ich bin eine gelassene Person, habe gerne meine Ruhe und lege viel Wert auf Kraftsport. Nach einem Club-Gig sind diese Dinge nicht immer umsetzbar und mir fehlt oft die Schlafroutine. Das sind „Nachteile“, die ich, ohne zu zögern, in Kauf nehme. Ich mache Musik und sie wird gehört – etwas Schöneres gibt es für mich nicht. Ich liebe Essen und durch die zunehmenden Bookings sehe ich mehr Städte und somit auch mehr Restaurants.
Du hast schon mit acht Jahren Klavier gespielt. Spiegelt sich diese klassische Basis heute noch in deinen Produktionen wider?
Bevor ich mit dem Produzieren angefangen habe, war das Klavierspielen ein großer Bestandteil meines Lebens. Ich war die meiste Zeit meiner Kindheit mehr musik- als sportbegeistert und habe meine Zeit oft hinter den Tasten verbracht. Ich hatte zudem eine sehr gute Klavierlehrerin, die für die Musik gelebt hat. Sie hat mir nicht nur Noten beigebracht, sondern auch gezeigt, wofür Musik da ist und wie man mit ihr umgeht. Sie sagte immer: „Jedes Lied hat eine Geschichte und jeder erzählt sie auf seine Weise.“ Mit der Einstellung, dass ein Lied mehr als nur Noten auf dem Papier ist, bin ich in die elektronische Musikwelt eingestiegen.
Welche Künstler*innen oder Erfahrungen haben dich auf deinem bisherigen Weg am stärksten geprägt?
Es waren meine ersten Klavierkonzerte. Ich habe dort gelernt, unter Druck und vor Menschen zu spielen, und das hat mir auch viel Spaß gemacht. DJs wie Klangkünstler haben mich ebenfalls sehr geprägt. Ich war und bin heute noch von den melancholischen Tracks mitgerissen und habe gelernt, wie einnehmend dieses Genre sein kann.
Viele junge Produzent*innen erleben einen schnellen Hype, aber auch Druck. Wie gehst du mit Erwartungen um – sowohl von außen als auch deinen eigenen?
Wenn ich ehrlich bin, muss ich genau daran noch arbeiten. Ich habe die Erwartung an mich selbst, auf höchstem Niveau zu performen, was manchmal zur Überarbeitung oder auch zur Prokrastination führt. Mein wichtigster Ausgleich hierfür ist Kraftsport und der Kontakt zu meinem engsten Kreis. Ich versuche, das Ganze nicht als Druck, sondern als Chance zu betrachten und immer den Best Case zu fokussieren.
Wenn du nach vorne blickst: Welche Träume oder Projekte möchtest du dir in den nächsten Jahren unbedingt erfüllen?
Die nächsten zehn Jahre möchte ich auf Tour sein, meine Zeit mit Musiksessions im Studio verbringen und meine Konzeptideen von Contec umsetzen. Ich nehme mir auch vor, mehr von mir zu zeigen und den Fans einen Einblick in mein Leben zu geben. Ich möchte zeigen, welcher Mensch hinter Contec steckt, und andere inspirieren, ihre Träume zu verfolgen.
Aus dem FAZEmag 164/10.2025
Text: Triple P
Foto: Jianhua Chen
www.instagram.com/contec.official