D-Nox – 30 Jahre DJ – DDR / Düsseldorf / Brasilien

D-Nox – 30 Jahre DJ – DDR / Düsseldorf / Brasilien

Christian Wedekind aka D-Nox ist eine NRW-DJ-Legende. In jedem angesagten Techno-Club in der Region hatte er eine Residency. Mittlerweile lebt er in Brasilien und ist nicht mehr allzu oft in unseren Gefilden. Deswegen haben wir eine dieser seltenen Gelegenheiten ergriffen und ein Interview mit ihm geführt.

Du bist in der DDR aufgewachsen und dann in die BRD geflohen. Welche Erinnerungen hast du an diese sicherlich schwierige Zeit? Und inwiefern hat deine Flucht aus der DDR deine musikalische Sozialisierung beeinflusst? 

Ich habe eigentlich nur gute Erinnerungen. Ich hatte eine tolle Kindheit, bin in einer kleinen Stadt im Eichsfeld aufgewachsen und das Leben war unbeschwert. Als Kind macht man sich keine Gedanken um politische Angelegenheiten, und deswegen habe ich auch nicht über ein mögliches anderes Leben in einem anderen Land nachgedacht. Ich erinnere mich an viel Freizeit, draußen spielen, viele Familienfeste und Freunde aus der Nachbarschaft und Schule. Ok, es gab nicht alles, was wir aus dem West-TV kannten, aber trotzdem hatten wir eine gute Zeit. Mein Vater hatte in den 1970er-Jahren eine Band. Und von ihm habe ich später einige Geräte geschenkt bekommen. Einen Verstärker, Lautsprecher und eine Bandmaschine. Ich fing im Alter von elf Jahren an, Musik im Westradio aufzunehmen, und mit meiner wachsenden Musikkollektion und Anlage habe ich dann Schülerdiscos organisiert. Das war der Grundstein für das Leben, das ich bis heute lebe. Nach der Flucht war der Zugang zur Musik viel einfacher und ich stieg dann auf Vinyl um. Die ersten Jahre im Westen waren nicht leicht und die Musik gab mir die Möglichkeit, vor Problemen zu fliehen und mich zu beweisen.

Wie und wann bist du zur elektronischen Musik gekommen?

Nach einer Odyssee über verschiedene Aufnahmelager landeten wir im Dezember 1989 in Düsseldorf. Dort entdeckte ich das Ausgehen in Teenagerdiscos und sah zum ersten Mal einen DJ. Ich war fasziniert und wollte von da an auch ein DJ sein. Zur selben Zeit kam diese neue Musik aus England und den USA nach Deutschland und ich war fasziniert von diesem Sound. Um in die damals angesagten Clubs in Düsseldorf zu gehen, musste ich etwas tricksen, aber das hatte sich gelohnt, denn dort sah ich eine neue Welt: Menschen, die verrückte Klamotten anhatten, alleine tanzten und sich ekstatisch zu diesem neuen Sound bewegten.

Wo war dein erster bezahlter Gig und wie lief das Ganze ab?

Mit etwa 16 Jahren lernte ich Calvin Rotane kennen, der mir das Mixen mit den MK2s beibrachte. Er war es auch, der mich damals in Mönchengladbach im Amnesia sein Vorprogramm spielen ließ. Das waren meine ersten Erfahrungen als Club-DJ, aber dafür gab es noch kein Geld. Erst zur Eröffnung des Poison Clubs im September 1994 gab es die Möglichkeit für mich, mein Können unter Beweis zu stellen. Ich erinnere mich noch genau, wie ich morgens bei Frank Pieper an der Kasse saß und Carsten Bordeaux die Treppe herunterkam und sagte „Ey, unser DJ spielt gerade die Tanzfläche leer, wir brauchen einen anderen“. Frank schaute mich an und fragte mich, wie lange ich bräuchte, um meine Schallplatten von zu Hause zu holen. 30 Minuten später stand ich mit meinem Koffer im Poison und von diesem Tag an spielte ich jeden Sonntag von 12 bis 15 Uhr das Closing-Set. Das war mein erster bezahlter Gig.

In Düsseldorf hast du maßgeblich an der Entwicklung von Techno in NRW teilgehabt. Du hast in jedem relevanten Club gespielt. Was sind deine schönsten Erinnerungen an den Ratinger Hof (Düsseldorf) oder den Phuture Club (Duisburg)?

Mir war natürlich nicht bewusst, was ich damals als junger Spund bewirkt habe, da wir alle gemeinsam auf dieser Welle geritten sind. Es war alles so aufregend und neu und die Musik hat uns alle vereint und uns jedes Wochenende zusammengebracht. Ich wollte einfach nur, dass alle eine gute Zeit erlebten und wir gemeinsam tanzten. Es gibt Milliarden von Erinnerungen und Geschichten. Wir waren damals eine große Familie und die Clubs waren unser Zuhause. Freitags bis montagsfrüh kamen wir immer zusammen und das ging alles ohne Handys und Social Media. Man wusste immer, wo was los war und man war nie alleine. Ich hatte das Privileg, in fast allen Clubs in NRW Resident-DJ gewesen zu sein. Freitags im Ratinger Hof und im Phuture Club, samstags hier und da mal ein Rave, sonntagsfrüh dann in den Poison und Sonntag zur Teatime ins Tribehouse. Jeder Club war auf seine Weise besonders, und dort lernte ich auch meine Vielseitigkeit von House bis Techno und Trance, weil jeder dieser Clubs einen anderen Sound gespielt hat.

Die Begegnung mit Beckers war sicherlich ein wichtiger Schritt in deiner Karriere. Wie habt ihr euch kennengelernt und wie hat sich eure Zusammenarbeit entwickelt?

Beckers lernte ich erst viel später kennen, das war so um die 2000er. Er hatte ein bekanntes Projekt, „Space Safari“, und spielte einen frischen Sound, den wir bis dato nicht kannten. Er wurde durch einen geplatzten Plattendeal etwas enttäuscht und wollte eigentlich nicht mehr produzieren. Ich war bis dahin nur DJ. Obwohl ich wusste, dass ich nur mit Produktionen aus NRW herauskommen würde, hatte ich nie Zugang zu Produzenten. In 2004 haben wir uns dann zusammengetan und gleich unser erster Remix für Air Bureau hat eingeschlagen wie eine Bombe. Der Rest ist Geschichte. Ich hatte eine klare Vorstellung von dem Sound, den wir produzieren wollten, und Beckers das Know-how. Oftmals bedarf es ja einer Fusion, um etwas Neues zu erschaffen, und so war es dann unser Sound, der uns aus Deutschland in die weite Welt getragen hat. Es kamen dann drei Alben und unzählige EPs und Remixe. Leider sind wir durch das ständige Reisen ins Ausland dann in Deutschland ein wenig in Vergessenheit geraten, was ich persönlich schade finde, aber es war eine super Zeit, die ich nicht missen möchte.

Im Butan Club in Wuppertal hast du viele Jahre eine Residency gehabt. Wie wichtig war diese Zeit für deine musikalische Entwicklung?

Generell halte ich es für sehr wichtig, wenn ein DJ Erfahrungen als Resident sammelt. Dort lernt man, was es heißt, ein gutes Warmup- oder Closing-Set zu spielen, aber auch das Vertrauen des Publikums zu gewinnen. Im Butan habe ich von 2000 bis 2005 meine eigenen Partys veranstaltet. Die Synaptic Partys: Und es gab nichts Schöneres, als einmal im Monat auf meiner eigenen Party das Publikum auf eine musikalische Reise zu schicken. Als Resident weiß man genau, was das Publikum braucht und wie man es auch ohne Hits zur Ekstase treiben kann.

Wann hast du die Entscheidung getroffen, nach Brasilien zu ziehen, und wieso?

2003 wurde ich das erste Mal nach Brasilien gebucht. Diese Tour war leider eher holprig, und ich wollte nicht wieder zurück. Bis 2005 eine Anfrage von einem besonderen Festival hereinkam und ich mich überreden ließ zurückzufliegen. Das war mein Schlüsselmoment für meine Karriere in Brasilien. Ich spielte auf dem Trancendance Festival in Alto Paraiso das Closing-Set und hatte den Dancefloor zu 100 Prozent in meiner Hand. Die Gäste hatten so einen Sound bis dato noch nicht gehört, und ich änderte meine Meinung zu Brasilien. Bis heute profitiere ich von diesem unvergesslichen Auftritt. Mit der Zeit wurde mir das ständige Hin- und Herfliegen zu viel und ich fing an, mir vorzustellen, wie es wäre, einfach dort zu bleiben. 2010 ist dann meine Tochter in Argentinien geboren und in 2015 bin ich dann von Berlin nach Buenos Aires gezogen: schon einiges näher an Brasilien, und in 2018 zog es mich dann ganz dorthin.

In Brasilien bist du etwas ab vom europäischen Schuss. Wie schätzt du hier Pro/Contra ein?

Ich habe gelernt, nicht mehr nach dem Perfekten zu suchen, denn das gibt es nicht. Die Entfernung nach Deutschland ist groß, aber ich komme jedes Jahr für ein paar Auftritte zurück, aber auch um meine Familie zu sehen. Die Pros sind die Nähe zu meiner Tochter, meine Frau ist von hier, das gute Wetter, die Sprache und das leckere Essen und die Menschen. Die Menschen sind hier meistens gut drauf und es gibt immer etwas zu feiern. Auch kommen hier alle miteinander klar und man fügt sich einfach in die Gesellschaft ein. Ich habe das Gefühl, dass ich hier willkommen bin und kann mir nicht vorstellen, zurück nach Deutschland zu gehen. Außerdem gibt es hier so viele tolle Events und Clubs an wunderschönen Orten: an Stränden, Wasserfällen oder im Dschungel. Die Contras sind die Entfernung zu meinen Eltern und Freunden, und mir fehlt manchmal einfach ein gutes Gespräch in meiner Muttersprache.

Wie darf man sich deinen Tag in Brasilien vorstellen? Mit dem Fahrrad zum Bäcker wirst du wohl nicht fahren, oder?

Ich stehe früh auf, gehe erst einmal eine Runde laufen und schaue in ein Stück Regenwald, das in der Nähe meines Hauses ist, schaue den Affen und Tucans zu und erinnere mich, wie schön unser Planet ist. Danach trinke ich einen Kaffee in meinem Garten und fange an, mich mit meinem Agenten zu unterhalten. Es geht viel Zeit des Tages für Logistik und Social Media drauf. Flüge, Visa, Tourdaten, Instagram, Fotos, Videos usw. Danach kümmere ich mich um mein Plattenlabel Sprout Music und um Privates. Später am Nachmittag, wenn ich dann noch Inspiration finde, arbeite ich an Songideen.

Was inspiriert dich bei der Produktion neuer Tracks?

Das kann alles sein, aber meistens lasse ich mich treiben, indem ich einfach Schritt für Schritt gehe und das aufnehme, was ich im jeweiligen Moment für gut befinde. Ich weiß meistens nicht, in welche Richtung es geht. Das kann einfach nur ein Groove sein oder eine Melodie. die aus dem nichts entstanden ist.

Wie siehst du die aktuelle Entwicklung der elektronischen Musikszene, Stichwort Social Media etc.?

Wir alle profitieren auf eine gewisse Art und Weise von Social Media, aber ich bin froh, dass ich meine Karriere ohne diese aufbauen konnte. Es ist schon sehr gekippt. Und wer das Spiel nicht mitspielt, schaut nur zu. Leider ging diese Entwicklung zu weit, und es wird heute zu sehr auf Followerzahlen geschaut und die Qualität der Musik ist nur noch zweitrangig.

Was sind deine Pläne für die Zukunft in Bezug auf Musikproduktion und DJing?

Dieses Jahr möchte ich meine 30 Jahre als DJ mit einer Welt-Tournee feiern. Es wird einige Releases auf verschiedenen Labels geben und dann schaue ich mal, was die nächsten Jahre für mich bringen. Ich gehe Schritt für Schritt und habe immer noch riesigen Spaß am Auflegen. Ich kann mir ein Leben ohne Musik und DJing nicht vorstellen.

Wann sehen wir dich wieder in Deutschland?

Ich werde Ende Juni für ein paar Wochen nach Europa kommen. In Deutschland sehen wir uns auf der Fusion und auf dem Oasis of Initiation Open-Air.

Aus dem FAZEmag 135/05.2023
Text: Sven Schäfer
www.ra.co/dj/dnox

 

Club-Legenden: D-Nox über den Poison Club in Düsseldorf