Dachshund – Beständigkeit und Irrsinn

Dachshund_by_GuillaumeMegevand


Angesichts seines ungewöhnlichen Künstlernamens mag man denken, Olivier Dorets käme aus dem deutschsprachigen Raum. Stattdessen aber lebt er im französischen Teil der Schweiz, und zwar im wunderschönen Genf. Angefixt durch die elektronische Musik der späten Neunziger, belegte er am renommierten Konservatorium seiner Heimatstadt einen Kurs in „Electroacoustic”, bei dem er unter anderem am modularen Roland-System-100M lernte. Aufgezeichnet wurde auf Magnetband, Software wie Studio Vision kam zum Einsatz. So begann die Geschichte von Dachshund. Inzwischen führt Oli mit Clapper sein eigenes Label, ist viel unterwegs und 2012 erschien mit „Eleven Riddims” sein Debütalbum auf dem Berliner Label Highgrade. Jetzt, fünf Jahre später, steht Longplayer Nr. 2 bereit. „Steady” veröffentlicht Oli nun auf Clapper selbst. Warum das so ist und noch so einiges mehr hat er mir im Interview verraten. Zum Beispiel, dass seine Wurzeln eigentlich im Reggae liegen.

„Ich habe früher Gitarre in Reggae-Bands gespielt. Das brachte mich irgendwann zum Dub, weil ich fasziniert davon war, wie die Produzenten jamaikanische Sounds in die Produktion einfließen ließen, sie neu arrangierten und Filter, Echos und so weiter hinzufügten. Schließlich habe ich mich mehr auf Jungle fokussiert, Drum ’n’ Bass, bis ich schließlich das Tempo etwas herunter fuhr. Seinerzeit nannte man das wohl Minimal.” All das wissen vor allem die Clubgänger in Genf, denn seine Heimatstadt ist Dachshunds Spielwiese. Hier hat er sich immer austoben und all seine Facetten zeigen können. Und so hat Oli zu seiner Heimatstadt natürlich eine ganz besondere Beziehung – bis heute. „Genf entwickelt sich gerade rasend schnell, es eröffnen sehr viele neue Clubs, was einen riesigen Wettbewerb auslöst. Das bringt viele Veranstalter ganz schön an ihre Grenzen. Also müssen sie sich immer wieder etwas einfallen lassen, um überleben zu können. Es gibt zum Beispiel den alten Technoclub Weetamix. Die machen jetzt sonntags Partys statt freitags und samstags. Das Musikangebot ist in Genf gerade riesig, aber vielleicht auch ein bisschen viel für eine Stadt mit gerade mal einer halben Million Einwohnern. Aktuell spielen acht Clubs einen ähnlichen Sound, doch zumindest in Sachen Location gibt es jede Menge Abwechslung.”

Apropos Abwechslung. Das bringt uns zum neuen Album „Steady”: Dub, Deep House, Techno … All das zeichnete schon das Debüt aus, und doch sind fünf Jahre Weiterentwicklung hörbar. „Es klingt anders, schon allein, weil es in einem anderen Studio aufgenommen und von anderen Tontechnikern gemischt wurde. Und ,Eleven Riddims’ war vielleicht noch ein bisschen experimenteller und duborientierter. Dieses Mal geht es deutlicher in Richtung Club, aber natürlich changiert es zwischen den Genres. Doch die Alben haben ihre melancholischen Harmonien an einigen Stellen gemeinsam und sie sind eben nicht allein nur für den Dancefloor gemacht.” Zum ersten Album gab es – dank des verantwortlichen Labels Highgrade – eine Release-Party in der Panorama Bar des Berghains, von der Oli heute noch schwärmt. Ein einschneidendes Erlebnis ist die Veröffentlichung des ersten Albums aber natürlich auch abgesehen davon. „Mit so einem Album setzt man eben eine Marke. Es zeigte damals eine ganz andere Seite von mir, persönlicher und sensitiver. Und ich habe gelernt, dass nicht der Erfolg das Wichtigste ist, sondern die Freude daran, seine Musik in diesem Moment mit anderen Menschen in weit entfernten Ländern zu teilen. Das ist unbezahlbar.” Natürlich haben all die positiven Erfahrungen und Emotionen vor allem eins ausgelöst: „Den dringenden Wunsch, genau das noch einmal so herzustellen”, lacht Oli.

„Steady” ist nicht in einem Stück entstanden, sondern war zunächst eine lose Sammlung zahlloser Ideen und Tracks, deren Auswahl und Ausarbeitung ein harter Prozess war. „Stunden des Zweifels, der Freude, neue Entdeckungen, in einer Woche 40 Versionen eines einzigen Tracks fertigen und am Ende doch die erste nehmen, Aufregung, Verzweiflung … Es war wirklich alles dabei.” Dass das Album ausgerechnet „Steady” heißt, in einer unsteten Zeit wie der heutigen und einem so unsteten Business wie dem der Musik, vor allem der elektronischen, wirkt wie ein Anachronismus. „Grundsätzlich sind Titel ja das, worüber ich als Allerletztes nachdenke. Zunächst haben meine Tracks lediglich Nummern und erst kurz vor dem Mastering benenne ich sie irgendwie. Das sieht dann so aus: NEWF22B_edit8c_version3_re-edit5_final. Einen passenden Titel zu finden, ist wirklich ein Dilemma. Und du hast total Recht, die elektronische Musikszene ist wahnsinnig schnelllebig. Aber ich brauche Beständigkeit eben genauso wie ein gewisses Maß an Irrsinn. ,Planned Obsolescene’ hätte sicherlich besser zur heutigen Zeit gepasst, oder?”, sagt er grinsend. Dass „Steady” auf Olis eigenem Label Clapper erscheint, zeigt der Beständigkeit einmal mehr den Mittelfinger, und das ganz bewusst. „Heute ist es schwierig, mit einem Album etwas zu reißen, wenn du keine lange Partnerschaft mit einem bestimmten Label hast und keinen echten Plan dahinter. Es ist für jedes Label nämlich immer ein großes Risiko. Ein Album braucht mehr Promo als eine EP, es verursacht viel mehr Kosten. Und es gibt keine Erfolgsgarantie. Ist der Sound dann ein bisschen persönlicher oder künstlerischer, können die Fans positiv, aber halt auch negativ überrascht sein. Oder die Leute kaufen nur einen oder zwei Tracks, die ihnen gefallen. Die Wenigsten kaufen ja heute im elektronischen Bereich noch ganze Alben. Also wollen die meisten Labels nur noch EPs rausbringen. Ich bin mit Clapper als Plattform nun viel freier, es schien mir die beste Möglichkeit zu sein.”

Und dass es ein Album sein musste und nicht etwa eine Serie von EPs, das war für Oli ohnehin klar. „Es ist das Format, das dir den meisten Spielraum bietet. Die Möglichkeiten, sich auszudrücken, sind viel größer. Du kannst deine eigene musikalische Welt kreieren. Wenn du willst, machst du einfach zwölf B-Seiten-Tracks oder du überraschst mit etwas völlig Unerwartetem. Es ist ein bisschen wie der Weg zu einem Berggipfel. Du kannst ihn nicht an einem Tag erklimmen, aber wenn du schließlich oben bist, ist es fantastisch.” Für einen Schweizer liegt der Vergleich zum Bergsteigen natürlich nah. Und es ist unter anderem auch die Natur seines Heimatlandes, die ihn davon abgehalten hat, in die Hauptstadt der elektronischen Musik zu ziehen. „Ich hatte schon mal das Gefühl, woanders leben zu müssen. Berlin klang da sehr attraktiv. Aber ich wollte meinen Teilzeitjob in einem Musikladen behalten, denn der schafft genau die richtige Balance. Außerdem leben meine Freunde und Verwandte hier in Genf. Und ja, die Nähe zu den Flüssen Rhône und Arve ist nicht zu unterschätzen. Ich habe Jahre gebraucht, um meinen Platz zu finden – ohne Nachbarn, die sich von lauter Musik in der Nacht gestört fühlen.”

Eine konkrete Tour zum Album wird es nicht geben, aber Oli ist ohnehin viel unterwegs. „Außerdem bereite ich gerade ein Live-Set für eine Party in Skopje/Mazedonien vor, gemeinsam mit Eddie Richards. Ich habe aber noch einige freie Termine. Wenn mich also jemand buchen möchte: Nur zu. Einfach eine E-Mail an info@clapper.ch schreiben.”
Aus dem FAZEmag 069/11.2017
Foto: Guillaume Megevand
www.clapper.ch