Dardust – Kollaborierende Hemisphären

Foto: Antonio de Masi

Besonders in seiner Heimat Italien gehört Dario Faini zur Riege der wohl wichtigsten und renommiertesten Pop-Produzenten der Gegenwart. So hat der Mann aus der kleinen Stadt Ascoli Piceno nahe der östlichen Küste Italiens ganze 70 Platin-Alben in seiner Karriere produziert. Der von ihm produzierte Song „Calipso“ verbrachte 31 Wochen in den Charts. Seine Musik war bei globalen Events wie dem Superbowl, dem NBA All-Star-Game, einer Keynote von Apple und der Flaggenübergabe bei der Abschlusszeremonie der Olympischen Winterspiele 2022 in Peking zu hören. Und das waren nur einige wenige Highlights, bei denen seine Musik eine bedeutende Rolle spielte. Auf seinem neuen Doppel-Album „Duality“, das am 28. Oktober via Sony Masterworks erschienen ist, vereint der Pianist und Elektronik-Produzent die akustische und elektronische Welt seines persönlichen musikalischen Kosmos. Dabei spielten sowohl emotionale als auch rationale Aspekte eine übergeordnete Rolle. 2023 wird Dardust auf der „Duality“-Tour das Album weltweit mit einem einzigartigen multidimensionalen Live-Erlebnis mit visuellen Effekten präsentieren. Für Deutschland steht mit dem 26. März eine Show im Frannz Club in Berlin auf der Agenda.

Dario, deine musikalische Biografie und die Projekte, an denen du bisher gearbeitet hast, sind endlos und beeindruckend. Wie rekapitulierst du deinen bisherigen persönlichen Weg?

Es war und ist nach wie vor eine Reise voller prägender Erfahrungen, die mich sowohl in künstlerischer als auch vor allem in menschlicher Hinsicht bereichert haben. Die Musik stand immer im Mittelpunkt, und sie war für mich immer der Schlüssel zu jedem künstlerischen Ausdruck, ob ich nun als Produzent oder als Pianist tätig war.

Glückwunsch zu einem fantastischen neuen Album. Wie ist die Idee dazu entstanden?

„Duality“ ist eine Momentaufnahme dessen, wo ich vor einem Jahr künstlerisch stand, als ich die Aufnahmen beendete. Wenn ich zurückblicke, würde ich als großer Perfektionist, der ich bin, definitiv etwas ändern. Aber ich kann wirklich stolz auf dieses Werk sein. Es markiert einen sehr wichtigen Abschnitt in meinem Leben und einen Moment der Wiedergeburt meiner Kreativität nach einer sehr schwierigen Zeit. Ich habe mich während des kreativen Prozesses sehr frei gefühlt und ich habe das Gefühl, dass es immer noch den Künstler widerspiegelt, der ich aktuell bin.

Das Album handelt von den beiden Hemisphären des menschlichen Gehirns, bei der sowohl emotionale als auch rationale Aspekte deinen Sound beeinflusst haben.

Die Vision hinter „Duality“ ist es, das Album in zwei Teile zu unterteilen, um die zwei verschiedenen Hemisphären des menschlichen Geistes zu reflektieren. Auch in meinen drei vorherigen Werken gab es immer eine Dualität, aber dieses Mal habe ich auf eine endgültige Aufteilung hingearbeitet. Es war ein notwendiger Prozess, um eine noch tiefere Reise ins Gehirn zu unternehmen. Und so entstand „the poet“, der Solo-Piano-Part, der mit der rechten logischen Hemisphäre verbunden ist, und „the architect“, der elektronische Part, der mit der linken emotionalen Hemisphäre verbunden ist. Ich war schon immer von der Psychologie fasziniert. Für „Duality“ wollte ich die beiden Extreme meiner musikalischen und künstlerischen Vorstellungskraft als Dardust so herausarbeiten, als würden sie von den verschiedenen Hemisphären meines Gehirns beeinflusst werden und getrennt sein: elektronische Musik und Klavier.

Wie können wir uns, gerade in Anbetracht dieser Besonderheit, deine Arbeit im Studio vorstellen?

Die Aufteilung des Albums in zwei verschiedene Teile ermöglichte es mir, mich auf jeden einzelnen zu konzentrieren. Das bedeutete, dass der Klavier-Soloteil noch minimaler und voller Pathos ist, während der elektronische Teil ein Konzentrat reiner Energie ist.

Du bist einer der erfahrensten Musiker mit einem großen Renommee und arbeitest auch an Musik für andere Künstler*innen. Welche mentalen Phasen durchläufst du, wenn du inmitten der ganzen Projekte an einem solch persönlichen Projekt arbeitest?

Wenn ich an Musik anderer Künstler*innen arbeite, versuche ich, ihre Eigenheiten, Ideen und Visionen zu erfassen und ihnen zu helfen, sich auf ihren eigenen Weg zu konzentrieren. Als Absolvent in Psychologie ist das ein vorrangiges Ziel. Wenn ich an meinem Projekt arbeite, muss ich in meinen Gefühlen und meiner Vergangenheit wühlen. Das ist zweifellos anstrengender, aber es ermöglicht mir, mich selbst ungefiltert kennenzulernen und all das in Kunst umzusetzen.

Dein Plan ist es, das Konzept von „Duality“ im Jahr 2023 auf die Bühne zu bringen. Wie wird die Show aussehen?

Ich kann es kaum erwarten, dieses Album live zu präsentieren. Die „Duality“-Show wird eine theatralische Erfahrung sein, die in zwei Akte unterteilt ist, genau wie das Album. Im ersten Akt werde ich allein, ohne Filter, nur mit meinem Klavier vor dem Publikum stehen. Es wird eine sehr intime und emotionale Situation mit offenem Herzen sein. Der zweite Akt wird wild und frei sein, eine wahre Explosion von Energie und Leben zum Tanzen bis zur letzten Sekunde.

Elektronische Musik und Klavier sind zwei Schlüsselthemen in deinem musikalischen Kosmos. Kannst du beschreiben, was dich an beiden Genres am meisten fasziniert und was die Magie der Kombination für dich ausmacht?

Elektronik war in meiner Vorstellung immer mit der Zukunft verbunden. Wenn ich an die 60er-Jahre zurückdenke, war sie ein Raumschiff für die Zukunft. Im Gegensatz dazu ist das Klavier etwas Warmes, Akustisches und Emotionales: Es erweckt all die Dinge zum Leben, die aus der Vergangenheit stammen. Synthesizer und Klavier waren seit meiner Kindheit die ersten Instrumente, mit denen ich mich ausdrücken konnte, und deshalb finde ich es umso magischer, sie miteinander zu kombinieren.

Wie sehen deine nächsten Wochen und Monate vor der großen Tour aus?

Nach dem Album-Release werden wir ein bisschen herumfahren, um es in Italien und Europa zu promoten, bevor wir es mit den Shows, die wir vorbereiten, live auf die Bühne bringen. Es wird definitiv mehr vor der Tour geben, aber aktuell kann ich noch nichts sagen.

Aus dem FAZEmag 129/11.2022
Text: Triple P
Foto: Antonio de Masi
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