Dave Seaman – Mix it like Seaman!

Dave Seaman

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In der heutigen Zeit ist es nur schwer nachvollziehbar, wie man mit Mixtapes einen großen Hype um sich kreieren kann. Was heute täglich im Internet publiziert wird, war in den Neunzigern noch große Kunst – und genau mit dieser ist Dave Seaman groß geworden. Als begnadeter DJ, der sich bereits im Kindesalter dazu entschlossen hatte, Platten zu mixen, kam er natürlich nicht nur um die Welt, er hat die Szene auch maßgeblich geprägt wie nur wenige vor ihm. Nach dem bekannten Label Audio Therapy ist er nun mit seinem neuen Label Selador unterwegs, dessen Name dem Kultfilm Donnie Darko entstammt. Seit dem Start vor drei Jahren sind stolze 50 Releases zusammengekommen. Die Jubiläums-EP „Nightfalls“ kommt nun von Dave Seaman selbst. Zu diesem Anlass und nach mehr als 26 Jahren im Geschäft ist es an der Zeit, alles einmal Revue passieren zu lassen.

Dave, 50 Releases in drei Jahren. Glückwunsch dazu. Wie schaffst du es, bei dieser Zahl immer noch Schritt zu halten?

Wir starteten das Label mit der Intention, ein Release pro Monat herauszubringen. Aber wir wurden wirklich überflutet mit so viel großartiger Musik, dass wir schnell anfingen, alle drei Wochen etwas zu releasen. Und bevor wir uns versahen, hatten wir auf einmal einen 14-tägigen Rhythmus drauf. Wir mussten uns hier selbst zurückhalten, nicht noch mehr in die Welt zu setzen. Es gibt zwar genug gute Musik, sodass wir im Prinzip sogar jede Woche etwas raushauen könnten, aber der Aufwand dahinter würde einfach zu intensiv werden. Mal abgesehen davon, wir würden auch einfach den Markt überfluten und auch unseren Einfluss verwässern. Es ist immer besser, die Leute ein wenig heiß zu machen auf mehr, und der halbmonatliche Rhythmus funktioniert super bei uns.

Wie bist du bei der Auswahl der Remixer zu „Nightfalls“ vorgegangen?

Lee Van Dowski und Chymera waren zwei Remixer, die wir schon lange im Auge hatten. Wir mussten nur warten, bis sie verfügbar waren, und wir wollten auch das richtige Projekt mit ihnen angehen. Zum Glück hatten sie für „Nightfalls“ Zeit und im Endeffekt haben beide auch einen fantastischen Job gemacht. Beide Mixe machen das Release zu einem wirklich besonderen, finde ich. OC & Verde kamen in letzter Minute hinzu und wir sind froh, sie an Bord zu haben. Die zwei Newcomer tauchten in diesem Sommer plötzlich aus dem Nichts auf und bekamen von Anfang an großen Support von Pete Tong, Steve Lawler oder Hot Since 82. Im Endeffekt bereichern sie die EP so, dass eine ganz andere Seite zu sehen ist – und so ist hoffentlich für jeden etwas dabei.

Sag mal, stimmt es eigentlich, dass du nie ein Album herausgebracht hast?

Das stimmt, ja.

Warum nicht?

Ich kam dazu einfach noch nicht. Ein Artist-Album bedeutet einen großen Zeitaufwand und ich fand einfach nie eine so große Lücke in meinem Kalender, um eines zu verwirklichen. Ich habe schon große Probleme, Zeit für EPs zu finden, da brauche ich gar nicht an ein Album zu denken. Aber es ist etwas, das ich unbedingt mal machen möchte. Irgendwann. Einfach abwarten.

Zwar kein Album, aber trotz des angeblichen Zeitmangels eine Menge an Mixen und auch Mix-Compilations – das scheint etwas zu sein, woran du wirklich Freude hast, oder?

Auf jeden Fall, das liegt mir im Blut! Ich genieße es, im Studio zu sitzen, und liebe den Produktionsprozess, aber da ich in erster Linie DJ bin, sind Mixe sowie Mix-Compilations eine wahre Passion und waren stets ein wichtiger Teil meiner Karriere. Bisher habe ich etwas über 30 herausgebracht, erstmals 1991. Es war die erste kommerziell auf den Markt gebrachte Mix-Compilation überhaupt: „Mixmag Live Volume 1“, zusammen mit Carl Cox. Ich finde es überaus schade, dass durch Dienste wie SoundCloud oder Mixcloud DJ-Mix so marginalisiert wurden und nun fast vor dem Untergang stehen. Wenn ich ein physikalisches Mix-Album kreiere, dann investiere ich Wochen, um den Mix wirklich zu etwas Besonderem zu machen, während Leute bei digitalen Mixen nicht mal annähernd so viel Zeit investieren, da die digitalen Pendants austauschbarer sind.

Du hast dich bereits sehr früh dazu entschlossen, DJ zu werden. Du warst acht, als du dich dafür entschieden hast – beachtlich. Hattest du nie den Gedanken, das könnte auch schief gehen?

Nicht wirklich, in so einem Alter bist du furchtlos. Zumindest ich war es. DJ zu sein, hieß damals auch etwas anderes als heute. Meine größte Ambition als Jugendlicher war es, einen regulären Slot in einem Club zu bekommen. Nie habe ich daran geglaubt, dass dies auch mal zu einer richtigen Karriere werden und ich die Welt bereisen könnte. Und das sogar für drei Jahrzehnte. Es war mein Hobby, das sich zu mehr entwickelt hat. Es haben sich Möglichkeiten ergeben, ich habe sie genutzt. Aber es gab nie einen Masterplan, daher konnte im Prinzip auch nichts schief gehen.

Aber was wäre denn, wenn es schief gegangen wäre? Du musst doch einen Plan B gehabt haben.

Um ehrlich zu sein, habe ich daran nie einen Gedanken verschwendet. Ich wäre sicherlich trotzdem irgendwo im Musikgeschäft gelandet. Bevor DJ mein Vollzeitjob wurde, habe ich in einer Werbeagentur gearbeitet. Vielleicht hätte ich auch in dem Geschäft weitergemacht.

Erinnerst du dich denn an deinen ersten Auftritt als DJ?

Ja, da war ich 13 und habe in Leeds bei einer Geburtstagsfeier aufgelegt. Ich hatte ein Kassettendeck und einen Plattenspieler, habe ein Set an Diskobeleuchtung gemietet und habe die Kopfhörer als provisorisches Mikrofon genutzt. Ich fühlte mich wie ein König!

Deine eigentliche Karriere begann dann in den Achtzigern. Was sind hier deine wichtigsten Erinnerungen?

Da gewesen zu sein und den letzten großen Veränderungsprozess der damaligen Subkultur mitzuerleben, war so ein großes Privileg! Ich war auch sehr froh, damals beim Mixmag tätig gewesen zu sein, und daher war ich quasi im Auge des gewaltigen Sturms. Wir haben unsere Regeln selbst gemacht, was ein Gefühl der Freiheit kreierte, und wir betraten unbekanntes Terrain. Die Sommer in den Jahren 1988 und 1989 waren lebensverändernd für eine ganze Generation in diesem Sinne, viele kulturelle und soziale Barrieren fielen. Es gibt ein großartiges Buch darüber: „Altered State“ von Matthew Collin fängt genau das ein, was damals passiert ist. Kann ich jedem empfehlen.

Hast du so was wie „Secret Weapons“, die sich in der Zeit angesammelt haben?

Es kommen immer neue Interpretationen der Klassiker und ich spiele lieber diese als die alten Versionen. Auf der anderen Seite sind da so Sachen wie Chemical Brothers’ „Star Guitar“ oder Âmes „Rej“, die ich immer mal wieder spiele. Meine „Secret Weapon“ in diesem Sommer war mein Remix für Underworlds „Low Burn“. Auf den bin ich auch echt stolz.

Was sind deine weiteren Pläne für dieses Jahr?

Ich freue mich auf Burning Man, zu dem ich zum zweiten Mal reise. Das erste Mal war schon gewaltig, als ob man auf einem anderen Planeten feiert. Was die Musik angeht, nach „Nightfalls“ kommt noch ein Remix für Han Haak auf Selador, der zusammen mit Robert Babicz eine EP releast. Und noch viel mehr, natürlich.

Aus dem FAZEmag 055
Text: Janosch Gebauer
www.djdaveseaman.com