Debütalbum veröffentlicht: Honey Bizarre im Interview

„Tastengott“ Hanzō Wanning und die begnadete Thereminspielerin Gilda Razani – eine von wenigen professionellen weltweit – bilden gemeinsam das Projekt Honey Bizarre. Das Duo greift dabei auf ein buntes Instrumentarium und Live-Equipment zurück, bedient durch herausragende Improvisationskünste und einem feinen Gespür für „Music for dancing and dreaming”. Nach mehreren Single-Auskopplungen wie „Amaryllis“, „Desert Rose“ und „Cuyolita“ veröffentlichen Hone Bizarre nun ihr lang ersehntes Debütalbum „Little Deep Miss Strange” via Floating World Records. Wir haben mit den beiden Protagonisten gesprochen.

Hallo ihr beiden. Vielleicht mögt ihr uns anfangs ein wenig über das Projekt Honey Bizarre erzählen. Wie habt ihr euch zusammengefunden und was hat der Name für eine Bedeutung?

Wir haben schon vorher in der Band About Aphrodite zusammengespielt und betreiben gemeinsam die Sound-Branding-Agentur Honeysounds. In der Corona-Zeit, durch das Quasi-Berufsverbot, haben wir viel im Studio komponiert und gejammt. Daraus sind Tracks entstanden, die elektronischer und groove-orientierter waren als frühere, auf der anderen Seite aber häufig auch einen Ambient-Charakter hatten. Als Konsequenz aus dieser Situation haben wir dann Honey Bizarre gegründet. Honey Bizarre bedeutet seltsame Süße. Wir haben nach einem Namen mit gegensätzlicher Bedeutung gesucht, so wie auch unsere Musik zum Tanzen und Träumen ist.

Gilda, du bist einige der wenigen Thereminspielerinnen auf der Welt. Was fasziniert dich besonders an diesem Instrument und wie und wann bist du damals erstmalig in Berührung gekommen?

Ich habe eigentlich Saxophon studiert, aber dann träumte ich davon – und das im wahrsten Sinne des Wortes – Theremin zu spielen und habe es dann auch in die Tat umgesetzt. Ich finde dieses Gefühl, mit den Händen Töne oder Klänge zu formen, schön und empfinde das Instrument als sinnlich. Ich spiele sehr gerne klassische Stücke, bin aber auch sehr gerne mit meinen Effekten auf der Suche nach coolen Sounds und Noises.

Hanzo, erzähl uns etwas über deinen Werdegang. Der Name „Tastengott“ – so steht es vielerorts geschrieben – muss ja irgendwo seinen Ursprung haben.

Also da ist natürlich eine Portion Ironie im Spiel. Studiert habe ich eigentlich Jazzklavier und klassische Komposition in Hilversum in den Niederlanden. Schon damals habe ich es geliebt, eine möglichst gewaltige Tastenburg um mich herum zu bauen, wie ich es bei meinem damaligen Idol Joe Zawinul kennengelernt habe. In unserer damaligen WG wohnten vier Keyboarder unter einem Dach. Wir haben alles Equipment zusammengeworfen, zu einer Burg aufgebaut und ausgiebigste Synthie-Sessions veranstaltet. Eigentlich ist der Name da entstanden.

Musik in Worte zu kleiden ist nicht einfach. Am besten wäre es wohl, wenn ihr den Sound von Honey Bizarre einmal selbst beschreiben könntet, damit sich unsere Leser ein Bild machen können. 

Wir haben da diesen Satz: „Music for Dancing and Dreaming“. Wir finden beides super. Während unser Album auch beides beinhaltet, sind unsere drei Singles, die wir bis jetzt in diesem Jahr herausgebracht haben, eindeutig dem Dance/Trance-Sektor zuzuordnen. Unser Sound ist unique. Gilda spielt neben dem Theremin (oft benutzt mit vielen Distortion Pedals) auch den Pipe von Somasynth und das Kaoss Pad. Außerdem spielt sie Samples ab und nimmt über einen Midifighter Einfluss auf das Gesamtgeschehen. Hanzō spielt Piano und Synths, steuert Ableton und/oder das Octatrack und bearbeitet mit diversen Midicontrollern das musikalische Geschehen. Wir spielen so viel wie möglich selbst und lassen es nicht einfach ablaufen. Unsere Stücke sind aus Improvisationen entstanden, z.B. auch das Stück „Lotus Psychodellic“.

Wie können wir uns eure Arbeit im Studio vorstellen? Könnt ihr uns ein paar Prozessabläufe beschreiben? Was sind die essenziellen Geräte, die bei euren Arbeiten zum Einsatz kommen – abgesehen vom Theremin natürlich. 

Erst haben wir entweder schon eine Grundidee oder wir improvisieren mit einem gewissen elektronischen „Tuschkasten“ und schauen dann, was dabei herausgekommen ist. Dann arbeiten wir für uns wichtige Abschnitte heraus und verfeinern sie. Gilda benutzt ihr Live-Equipment (Theremin von Moog, The Pipe von Somasynth, Kaoss Pad, Lyra 8 von Somasynth und das Aerophone von Roland) und Hanzō schöpft aus seinen vielen Synthesizern wie dem Iridium von Waldorf, dem Evolver von Dave Smith und vielen anderen sowie seinem Steinway-Flügel.

Erzählt und etwas über euer erstes Album „Little Deep Miss Strange“. Was können wir hier erwarten und wie kam die Zusammenarbeit mit dem Londoner Label Floating World Records zustande?

„Little Deep Miss Strange“ ist, wie oben schon angedeutet, in der Coronazeit entstanden. Irgendwann haben wir einige Stunden Session-Material durchgehört und versucht, jeweils einen Kern zu finden, mit dem wir den Track dann weiterentwickeln konnten. Manchmal war so ein Kern nur ein kleines Motiv innerhalb einer 30-minütigen Session, ab und an haben wir aber auch das halbe Stück komplett aus der Improvisation übernommen. „Little Deep Miss Strange“ ist eine erste Auswahl von Stücken aus dieser Zeit. Es können durchaus noch zwei weitere folgen, allerdings ist das Material stilistisch sehr unterschiedlich und wir müssen einen roten Faden finden oder noch entwickeln. Vor ein paar Jahren waren wir mit „About Aphrodite“ in Russland auf einer kleinen Festival-Tour. Mit uns reisten zwei weitere Bands, die auch auf den Festivals gespielt haben. Wir haben uns mit dem englischen Bassisten der einen Band angefreundet, und dieser hat uns dann den Kontakt zu Jonathan, dem Chef von Floating World Records, geebnet. Ihm haben unsere Sachen gefallen und wir haben auf seinem Label die beiden „About Aphrodite“-Alben „Polaris“ und „Future Memories“ veröffentlicht.

Wie geht es nach dem Albumrelease bei euch weiter? Stehen neue Projekte schon in den Startlöchern? Wo kann man euch live sehen?

Wir haben rund um die Releases einige Gigs in NRW und Hamburg. Außerdem plant das Label Konzerte in UK. Momentan planen wir eine Techno-Oper zusammen mit dem Visual-Art-Künstler Mario Simon und produzieren die Musik für ein WDR-Hörspiel. In Zukunft sehen wir uns in der elektronischen Clubszene einerseits, andererseits werden wir aber auch weiterhin rein konzertante elektronische Musik mit unserem Instrumentarium spielen.

„Little Deep Miss Strange“ ist am 31. Mai via Floating World Records erschienen.

Hört mal rein:

floatingworldrecords.co.uk

Foto: Christian Jungwirth