Wenn Deichkind eine Kunsthochschule besucht und sich dann in einem Luxusbunker im Großherzogtum einschließt, kommt womöglich DasRADIAL dabei raus.
Die neue Doppelsingle „NEUE_GEWALT“ und „UNTERM_RADAR“ ist jedenfalls kein Musikstück im klassischen Sinne – eher ein schrilles Multimediaprojekt auf Acid, bei dem einem der politische Diskurs mit Krautrock-Synths um die Ohren fliegt.
„NEUE_GEWALT“ macht seinem Namen alle Ehre: elektronische 80er-Vibes in einem Synthgewitter, das auch aus einem auf links gedrehten Atari stammen könnte. Inhaltlich schiebt Max Thommes alias DasRADIAL den Klimawandel in den Mittelpunkt.
Mit einer lyrischen Breitseite gegen menschliche Ignoranz. „Wir haben den Planeten angezündet, doch sein Brennen zu spät bemerkt“, klingt nicht nach Partystimmung, bleibt aber hängen.
Dazu gesellt sich „UNTERM_RADAR“. Der Song behandelt die stille Dominanz der Tech-Konzerne, die Algorithmen als neue Weltordnung installieren – verpackt in Beats, die irgendwo zwischen Pop-Appeal und ironischer Distanz pendeln.
Beide Songs sind Vorboten des Albums „RADIKAL_VIRAL“, das Ende Mai erscheint und elf Tracks umfassen wird. Laut Ankündigung verschmelzen darin Dark Wave, Neue Deutsche Welle, Techno und Pop zu einem Sound, der irgendwie retro, irgendwie futuristisch und definitiv nicht leicht konsumierbar ist.
Inhaltlich geht’s zur Sache: Rechtsruck, Umwelt, Fast Fashion – die volle Breitseite an gesellschaftlicher Zustandsbeschreibung. Das alles klingt schwer und verkopft, tänzelt aber überraschend eingängig durchs Gehör.
Verantwortlich für die Produktion ist Aaron Ahrends von Say Yes Dog – ein Name, der in diesem Kontext eine ironische Doppeldeutigkeit bekommt, wenn man an die Trackthemen denkt. Wer also Pop mit Tiefgang, Theatralik mit Beat und Kunst mit Knall sucht, wird hier fündig – oder maximal überfordert.
DasRADIAL ist dabei mehr als nur Musikprojekt. Max Thommes, sonst Schauspieler, inszeniert hier seit 2015 eine Kunstfigur, die zwischen Performance, Klangkunst und Kritik oszilliert, irgendwo zwischen Diskokugel und Dystopie.
Also: Deichkind auf Wish? Vielleicht. Aber die Verpackung glitzert, der Inhalt brennt und der Refrain bleibt. Ob es der schlechteste Release des Monats ist, entscheidet nicht der Musikgeschmack, sondern vielleicht der Grad der eigenen Ironietoleranz.
Oder wie DasRADIAL es wohl ausdrücken würde: Tanz, bevor dich der Algorithmus wieder scannt. „Klingt nach einem uralten Elektro-Song, als es sowas wie elektronische Mainstreammusik noch nicht gab und sich solche Tracks immer wieder ins Radio geschlichen haben“, schreibt ein User auf YouTube.
Damit er nicht alleine, der Song insgesamt gut an in den Kommentarspalten. „Hätte gerne mehr Musik in der Richtung“, meint eine Anhängerin. Ein weiterer lobt: „Das ist genau die Art von Deutschen Rap, den ich mag. Schade, dass es in diesem Stil nicht sehr viel Auswahl gibt.“
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