DJ MELL G über ihren Umgang mit dem Borderline-Syndrom

DJ MELL G über ihren Umgang mit dem Borderline-Syndrom / Foto: Ricard Haehn

Am 20. Juli veröffentlicht die in Hamburg ansässige Electro-Künstlerin DJ MELL G ihr lang ersehntes Solo-Debütalbum „ISSUES“, auf dem sie ihren Umgang mit der Borderline-Persönlichkeitsstörung verarbeitet. Mit uns hat DJ MELL G in aller Offenheit über die Thematik gesprochen.

Hey, Mell. Zunächst bitten wir dich um etwas Werbung in eigener Sache. Was kannst du uns über dein erstes Solo-Release erzählen?

Als ich 2018 angefangen habe, Musik zu machen, hatte ich ein klares Ziel vor Augen, welchen Sound ich produzieren möchte. Ich habe dann jedoch relativ schnell festgestellt, dass Theorie und Praxis weit auseinanderliegen: Jedes Projekt, das ich angefangen habe, erzielte am Ende ein anderes Ergebnis als das, was ich eigentlich erreichen wollte. Nach fünf Jahren und zahlreichen Kollaborationen mit Künstler*innen wie DJ Fuckoff, DJ Godfather, Destroy, Karnage Kills und Jensen Interceptor konnte ich nun endlich die Art von Electro produzieren, hinter der ich stehe. „ISSUES“ ist meine erste eigenproduzierte Electro-LP, bei der ich wusste, was ich zu tun habe und zum ersten Mal auch analog gearbeitet habe. Die Platte spiegelt meine Emotionen wider, mein inneres Ich und wie ich mich fühle. Darüber hinaus möchte ich mich mit „ISSUES“ für Mental Health und insbesondere für Betroffene von BDP (Borderline Personality Disorder) innerhalb der elektronischen Musikszene starkmachen.

Auch du bist von BDP betroffen. Magst du uns deine persönliche Historie mit der Thematik schildern?

Meine Diagnose erhielt ich im Frühjahr 2022. Bereits als Kind befand ich mich insgesamt zehn Jahre in Therapie, habe während dieser Zeit allerdings „nur“ Depressionen diagnostiziert bekommen. Nach einem stationären Aufenthalt, an den ich mich kaum erinnern kann, hielt ich es im Anschluss für sinnlos, weiterhin eine Therapie zu machen, da ich der Meinung war, dass Diagnosen nur leere Worte seien, die die Medizin braucht, um Psychotherapie nach einem Schema abzuarbeiten und damit Geld zu verdienen. Mittlerweile weiß ich, dass das Quatsch ist. Ich habe realisiert, dass ich auch selbst an mir arbeiten muss und dass niemand mich „heilen“ kann. Die Diagnose nun hilft mir, dort Lösungen zu finden, wo ich Probleme habe, und gibt mir zu verstehen, was in mir vorgeht. Das gibt mir ein Gefühl von Halt, da ich nun weiß, dass ich nicht verrückt und mit meinen „Issues“ nicht alleine bin. Die größte Problematik von BDP besteht darin, dass man oft keine Balance zwischen Positivität und Negativität findet. Alles fühlt sich unglaublich intensiv an. Schwarz und Weiß. Eine Achterbahn der Gefühle, die superanstrengend ist. Inzwischen habe ich aber einen Weg gefunden, damit umzugehen.

Wie verarbeitest du diese Erfahrungen in deiner Musik?

Auf „ISSUES“ verarbeite ich meine Gefühle zum ersten Mal in musikalischer Form. Der erste Track der LP, „Borderline“, spielt auf meine Zeit mit meinem damaligen Freund an. Wir haben uns sehr doll gestritten. Ich habe dann Wein getrunken, mich ins Studio gesetzt und diesen Song gemacht. Ein langes Intro, das sich langsam aufbaut und explodierende Drums nach einem kurzen Break. Viele der Songs bauen sich langsam auf und explodieren. Das spiegelt mein inneres Ich sehr gut wider und ist auch auf meine DJ-Sets übertragbar.

Es heißt, du hast dein erstes „richtiges“ Set bei einem HÖR-Stream gespielt. Was geht da in einem vor? 

Ich war sehr nervös und hatte große Angst, Englisch mit dem Team zu sprechen. Ich habe vorher fünfmal mein Out gewechselt, meine Playlist auf vier USB-Sticks geladen, jeden Übergang mit Cue-Punkten markiert und das Set so lange in meinem Studio gespielt, bis ich mich sicher fühlte. Sicher fühlte ich mich am Ende aber trotzdem nicht.

„ISSUES“ erscheint am 20. Juli via Juicy Gang Records.

Aus dem FAZEmag 137/07.2023
Foto: Ricard Haehn
www.Instagram.com/dj_mellg