DJ Psychiatre – Bitte nehmen Sie Platz!

Foto: Jonathan Dolias

Unter der Woche therapiert er mit Worten, an den Wochenenden mit Musik: Der Franzose Sylvain Creton arbeitet als Psychiater und geht parallel seiner großen Leidenschaft als DJ und Produzent nach. Wir haben auf dem Praxisstuhl Platz genommen und mit Dr. Creton gesprochen.

Hallo, Sylvain. Tagsüber arbeitest du in der Praxis, nachts stehst du hinter den Decks: Wie schaffst du es, die richtige Balance dazwischen zu finden?

Ehrlich gesagt: gar nicht. Mein Job ist sowohl körperlich als auch psychisch sehr anstrengend und mein Musik-Workflow ist wenig strukturiert. Ich mache deshalb meistens Musik, wenn ich Urlaub habe, da mir im Alltag schlichtweg die Zeit fehlt.

Wie beeinflusst die Arbeit als Psychiater deine Tätigkeit als DJ und Produzent?

Ich habe irgendwann angefangen, Ambient-Podcasts aufzunehmen, die für Meditation, Konzentration, Angststörungen usw. gedacht sind. Später habe ich eine EP mit dem Titel „Donate For Mental Health“ veröffentlicht sowie einen 24-Stunden-Vinyl-Stream veranstaltet. Bei beiden Aktionen gingen sämtliche Erlöse an einen Verein, der die Forschung im psychischen Gesundheitswesen unterstützt. Was die Parallelen zwischen dem DJing und der Arbeit mit Patient*innen angeht, würde ich sagen, dass die Anpassung der gemeinsame Punkt ist. Man muss sich immer auf die Menschen einstellen, die vor einem stehen. Das Tempo und der Ton eines klinischen Interviews sind dem eines DJ-Sets sehr ähnlich.

Man hört oft, dass DJs oder Künstler*innen oft von Erkrankungen wie etwa Burnout betroffen seien. Wie sollte man deiner Meinung nach damit umgehen, ohne seine Leidenschaft aufzugeben?

Das ist ein sehr wichtiges Thema. In Anbetracht der Zahl der Musiker*innen, der geringen Wahrscheinlichkeit, von seiner Leidenschaft leben zu können, dem gesellschaftlichen Druck und der Schnelligkeit, mit der man berühmt werden oder fallen kann, wird einem oft gesagt, man müsse Opfer bringen. Aber muss man das wirklich? Wenn Körper und Geist einem sagen, dass man an seine Grenzen stößt, sollte man hinterfragen, warum man überhaupt Musik macht. Die Antwort lautet darauf im besten Fall: für sich selbst und niemand anderen.

Am 31. März ist DJ Psychiatres neue EP „Enter The Chill Zone“ via Pont Neuf Records erschienen.

 

Aus dem FAZEmag 134/04.2023
Foto: Jonathan Dolias
www.soundcloud.com/djpsychiatre