DJ Seinfeld – Neues Level

Credit: Kasia Zacharko

Seine Karriere startete der Mann aus Malmö als einer der Shootingstars der Lo-Fi-House-Welle rund um Akteure wie DJ Boring, Ross from Friends und Co. Bezeichnend dafür ist unter anderem sein Song „U“ aus 2017, der dem Genre zu recht großer Popularität verhalf. Im gleichen Jahr veröffentlichte Armand Jakobsson, wie er bürgerlich heißt, sein von Kritikern gefeiertes Debütalbum „Time Spent Away From U“. Nun kündigte der Schwede seinen langersehnten zweiten Langspieler an. „Mirrors“, bei dem Jakobsson, wie er sagt „ein viel besserer Produzent werden wollte“, stellt zeitgleich sein erstes Release auf Ninja Tune dar und erscheint am 3. September.

Und so war es, allen vorherigen Absichten zu diesem Werk geschuldet, ein deutlich anstrengenderer Prozess. Dafür aber ein echtes Statement, wo er als Produzent sowie als Mensch gerade steht: „Auf diesem Album wollte ich viel von der rohen Emotionalität beibehalten, die die Leute überhaupt erst zu meiner Musik gebracht hat“, erklärt Seinfeld. „Ich habe in den letzten Jahren verschiedene klangliche Erkundungen durchlaufen, aber ich habe verstanden, was die Leute an meiner Musik mögen und wie ich damit weitermachen kann. Ich hatte das Gefühl, dass ich als Teil der ganzen ,Lo-Fi-Ära‘ und auch, weil ich in den letzten Jahren nicht viel Zeit hatte, mich auf das Produzieren von Musik zu konzentrieren, diesen Teil meiner künstlerischen Arbeit verbessern musste. Die technischen Aspekte, die Details und die konzeptionellen Grundlagen meiner Musik mussten ein neues Level erreichen. Ich denke und hoffe, dass mir das gelungen ist.“

Dazu hat der Schwede unzählige Stunden mit Software-Synthesizern und Mischtechniken experimentiert, aus Tutorials gelernt und sich dabei im Experimentieren oftmals auch verloren. Dabei geholfen hat ihm die Erkenntnis, was das Publikum an seiner Musik so schätzte, um anschließend genau dort anzuknüpfen: „Die Musik, über die mir die Leute immer noch am häufigsten schreiben, ist mein erstes Album, das eine sehr offensichtliche und direkte Erzählung enthielt. Ich war dabei damals alles andere als subtil, was den Herzschmerz anging. Da mein einziges Kriterium für meine Musik ist, dass sie ehrlich ist, kann ich so etwas nicht noch einmal machen, ohne es vorzutäuschen. Aber ich sah einige Qualitäten davon, die diese zweideutige Emotionalität haben – weder traurig noch glücklich – sondern eher etwas Nostalgisches. Und da Nostalgie für mich ein immer wiederkehrendes Gefühl ist, wollte ich es in meinem jetzigen Leben, in dem ich nicht mehr von Herzschmerz umgeben bin, erkunden.“

Aufgenommen zwischen Berlin und Malmö, hat Seinfeld das Werk nach einem Zitat seines Lieblingsschriftstellers Julio Cotázar aus Argentinien benannt, der eins sagte: „Du warst immer mein Spiegel. Um mich selbst zu sehen, musste ich dich ansehen.“ Für Seinfeld und seine Situation absolut zutreffend, wie er findet: „Ich weiß nicht, wer ich bin, aber vielleicht ist es einfacher, die Silhouetten zu sehen, durch Dinge wie Herzschmerz, durchlebte Familientrauma, aber auch durch das unregelmäßige Flackern von Licht und Liebe, das in dein Leben tritt. Wenn es auf dem ersten Album darum ging, eine Trennung zu überwinden, geht es auf diesem darum zu verstehen, wer auf der Ziellinie steht. Dieses Album ist mein Spiegel.“ Und so klingt das Album melancholisch und optimistisch zugleich, darunter u.a. die Sommer-Hymne „U Already Know“ mit Vocals von Teira, die Seinfeld beim Auflegen auf einer Warehouse-Party in L.A. kennenlernte: „Der Track ist ganz im Sinne der Musik, die ich kürzlich auf meinem Label Young Ethics veröffentlicht habe. Er hat einen Hauch von Italo und ein echtes Funk-Feeling. Ich war mit dem Instrumentalstück zufrieden, aber als ich den Gesang hinzufügte, passte er einfach perfekt und erweckte den Track zum Leben.“

Nach Remixes für Künstler wie Bob Moses, Honey Dijon, Omar Souleyman, Disclosure, George Fitzgerald und andere, einem Essential Mix für BBC Radio 1, Shows bei Festivals wie Glastonbury, Coachella, Warehouse Project, Sónar By Night sowie einigen Support-Shows für Disclosure bei ihrer US-Tour sind für die kommenden Monate bereits Termine in der Kantine am Berghain sowie beim Primavera 2022 als Closing Act geplant: „Es war schön, eine Auszeit zu haben, um zu reflektieren und sich zu erholen. Aber ich freue mich darauf, wieder zu diesen Momenten auf der Straße zurückzukehren, in denen das Leben ein wenig Anthony Bourdain-esk wird.“

 

Aus dem FAZEmag 115/09.21
Text: Triple P
Credit: Kasia Zacharko
www.instagram.com/dj_seinfeld