„Sieben Naturräume im Westerwald bieten eine ausgesprochene Vielfalt an Sport- und Freizeitmöglichkeiten für deinen Urlaub in einer atemberaubenden Naturlandschaft“, so steht es auf der offiziellen Tourismus-Seite des Westerwalds. Leben, wo andere Urlaub machen, willkommen in der Heimat von Dominik Eulberg, wo wir den DJ, Producer und studierten Biologen wegen seines neuesten Releases besucht haben. Vielleicht sollten wir noch Buchautor in der Auflistung erwähnen. Denn neue Musik gibt es diesmal nicht, sondern wie auch im letzten Jahr ein neues Buch, sein drittes insgesamt. Das trägt den Titel „Von Angesicht zu Angesicht – Auf Augenhöhe mit heimischen Insekten“ und ist ein Plädoyer für die kleinen Krabbel- und Flattertiere, die den größten Anteil aller Tiere weltweit bilden, die aber – auch in unseren Breiten – seit Jahren dramatisch dezimiert werden. Dafür präsentiert Eulberg zusammen mit Thorben Danke und Thomas Hörren faszinierende und vorher kaum gesehene Ansichten – auf Augenhöhe.
Hallo, Dominik, dein nächstes Buch ist gerade veröffentlicht worden, dieses Mal beim renommierten Kosmos Verlag. Erleben wir hier langsam die Metamorphose vom DJ & Producer zum Buchautor?
Nein, natürlich werde ich auch weiter auflegen und Musik machen. Beides macht mir nach wie vor große Freude. Aber ich plane so etwas nicht, wann was erscheint, das ist der Fluss des Lebens, ich gehe einfach mit dem Flow, wie es gerade intrinsisch aus mir herauskommt. Und dieses Mal ist es eben wieder ein Buch, an dem wir ja auch schon sieben Jahre gebastelt haben. Schon als Kind habe ich mich brennend für die Natur interessiert und daher Naturschutz und Biologie studiert. Für Musik hatte ich mich in meiner Kindheit nicht interessiert, das kam erst viel später, als elektronische Musik mein Interesse geweckt hatte, vor allem wegen der sozialen Komponente: Ich fand es toll, dass auf der Tanzfläche alle Menschen gleich waren, egal, welcher Religion sie angehören, welche sexuelle Ausrichtung oder welchen sozialen Status sie haben. Ich habe mich da sehr wohlgefühlt. Diese Szene hat sehr früh schon erkannt, dass Vielfalt keine woke Spinnerei ist, sondern ein uraltes Grundprinzip der Natur zum Erhalt des Lebens.
Schließlich bist du auch von der Tanzfläche am DJ-Pult und im Studio gelandet.
Auch das ist einfach passiert, meine ersten Platten waren unerwartet erfolgreich und plötzlich stand mir die Welt offen. Ich fand es sehr spannend, diese Chance anzunehmen und habe dann immer mehr versucht, diese beiden Leidenschaften – Natur und Techno – zusammenzuweben, so, dass es eins wird. Ich versuche, die Bühne, die mir als Künstler geboten wird, zu nutzen, um auf dieses wichtige Thema Naturschutz aufmerksam zu machen. Mir fehlt auch oft die tiefe Sinnhaftigkeit im reinen Partytum, der reine Hedonismus und Eskapismus befriedigt mich nicht auf Dauer. Worin ich aber schon eine Sinnhaftigkeit beim Auflegen sehe, ist, den Leuten eine gute Zeit zu bereiten, einen Ort der Utopie zu schaffen, wo sie mit sich selbst und anderen Menschen in Resonanz gehen können. Aber ich richte nicht mehr meinen ganzen Fokus darauf aus.
Lass uns nochmals auf das Buch zurückkommen: Wie ist denn die Idee entstanden, wie bist du auf Thorben und Thomas gestoßen und wer übernimmt hier welchen Job?
Am Anfang war auch hier Techno. Thorben war früher auf diversen Gigs von mir und hat mich angeschrieben, dass er Fan meiner Musik sei und ob ich mich mit Insekten auskennen würde. Er hat sich in der Fotografie auf Focus-Stacking spezialisiert. Bei extremen Makroaufnahmen hat man ja das Problem, dass die Bilder nur eine sehr geringe Tiefenschärfe haben, deshalb hat er eine Apparatur gebaut, wo der Fokusring sich automatisch im gleichen Abstand verschiebt und dann etwa 300 Einzelfotos macht. 300 Bilder, bei denen immer ein Ring scharf war, und dann hat er am Computer diesen scharfen Bereich bei allen Bildern zu einem Bild zusammengebaut und hat es damit geschafft, dass die Bilder jetzt so aussehen wie im Buch. Ich fand die Fotos richtig stark, wir haben uns dann 2017 beim SEMF in Stuttgart getroffen und im Backstage-Bereich direkt herumgesponnen und Pläne geschmiedet – für Visuals auf Partys oder auch einen Videoclip („Eintagsfliege“). Und damals hatten wir schon die Idee – mit meiner Vision, Wissen lustvoll zu vermitteln – ein Buch daraus zu machen. Seit damals haben wir uns immer regelmäßig Sachen hin- und hergeschickt, sind darin aufgegangen. Thorben hat mit seinen grandiosen Bildern in den letzten Jahren auch unzählige Preise abgeräumt.
Und wann kam Thomas ins Spiel?
Thomas habe ich über Instagram kennengelernt, er präsentiert dort als „Totholz Thomas“ wertvolle Inhalte über Insekten und ist einfach ein super Typ. Er ist Vorsitzender des Entomologischen Vereins Krefeld und war maßgeblich an der weltbekannten Studie über das Insektensterben beteiligt, die 2017 herauskam und durch die Medien ging. Diese zeigt, dass wir in den letzten drei Jahrzehnten rund 76 Prozent der flugfähigen Insektenbiomasse bei uns verloren haben. Er ist einer der großen Insektenexperten Deutschlands.
Nach meinem ersten Buch „Mikroorgasmen überall“ kam der Kosmos Verlag auf mich zu und wollte mir auch eine Bühne geben, da sie meine Art und Weise, wie ich Wissen vermittle, sehr erfrischend anders fanden. Damit hatten Thorben und ich einen tollen Verlag für das Buch. Thomas haben wir dann an Bord geholt, der das Projekt wissenschaftlich begleitet hat.
Wie nähert man sich dem Thema Insekten bzw. wie macht ihr es in dem Buch?
Insekten sind die Überlebensversicherung für uns und kommende Generationen. 72 Prozent aller bisher beschriebenen Tierarten der Erde sind Insekten. Sie sind emsige Dienstleister, deren Leistung am Ökosystem wir tagtäglich mit einer Selbstverständlichkeit annehmen, wie zum Beispiel das Bestäuben von Pflanzen oder das Aufbereiten der Böden. Dennoch bekommen sie nicht den Respekt, den sie verdient haben. Viele Mitmenschen finden sie eklig und seit Jahrzehnten setzen wir Insektenvernichtungsmittel ein.
Doch wir sollten in Freundschaft mit allen Tieren sein, die existieren, denn jedes Lebewesen ist ein wertvolles Zahnrädchen im Netzwerk der Biosphäre, egal, ob wir das eklig oder süß finden, es hat seine Berechtigung. Menschliche Definitionen von Schädling oder Nützling sind keine Währungen der Evolution. Das müssen wir begreifen und ganzheitlich denken. Wissenschaftlich wissen wir das ja auch alles seit Jahrzehnten. Ich komme immer wieder zu dem Punkt, dass wir die Krisen wissenschaftlich alleine nicht lösen können, weil das nicht stark genug ist. Die stärkste Kraft, die wir haben, ist die Liebe, die Emotion. Wir müssen also eine Empathie erzeugen, denn wir Menschen schützen ja nur das, was wir lieben. Mehr als 80 Prozent aller heimischen Insektenarten sind kleiner als vier Millimeter, diese sehen wir immer nur von oben; aus unserer anthropozentrischen Hybris.
Und deswegen habt ihr sie auf Augenhöhe gebracht.
Genau! Denn da wird es ja interessant. Wenn wir ihnen von Angesicht zu Angesicht auf Augenhöhe begegnen, dann schauen wir auf einmal einem Wesen ins Gesicht, von Individuum zu Individuum. Da setzt ein Perspektivwechsel ein: Die Tiere, die wir vorher eklig und abstoßend fanden, finden wir auf einmal faszinierend und wunderschön. Eine Form der Empathie macht sich breit und wir stellen fest, dass Ekel und Abstoßung nur eine Form von unserer – im wahrsten Sinne des Wortes – verrückten Blickweise sind. Darum geht es in dem Buch, diesen Perspektivenwechsel zu schaffen – auf eine lustvolle Art und Weise. Denn das Lustvolle ist der Motor der Evolution. Und wir haben mit unserem Ansatz – sowie der grafischen Umsetzung von Götz Gramlich, der auch schon die Cover meiner Alben „Diorama“ und „Mannigfaltig“ gemacht hat – versucht, neue Wege zu gehen, um nicht das tausendste Insektenbuch zu veröffentlichen. Indem wir etwa jede Seite individuell gestaltet haben und dabei unkonventionelle Farben und Darstellungsweisen gewählt haben.
Für diejenigen, die doch lieber bei der Musik Eulbergs bleiben oder Buch und Musik interessant finden, empfehlen wir den neuen Soundtrack zu „WALD“, der gemeinsam mit Hannes Kretzer entstanden und am 20. September 2024 via Blue Marble erschienen ist:
„Von Angesicht zu Angesicht – Auf Augenhöhe mit heimischen Insekten“ (Kosmos Verlag, 38 Euro) ist am 23. September erschienen. In Planung ist auch eine Kunstbuch-Edition auf Fotopapier.