
Mehr als ein Jahrzehnt lang war es still um das Clubleben in Solothurn. Nach und nach verschwanden die Orte, an denen einst Nächte voller Musik und Begegnungen stattfanden. Für eine Stadt dieser Größe blieb am Ende zu wenig übrig. Ein Kollektiv aus DJs und Kulturschaffenden wollte das nicht länger hinnehmen – und wagte mit der ehemaligen Druckerei der Solothurner Zeitung den Neuanfang. Aus der Industriehalle wurde ein Club, der weit über die Region hinaus Beachtung findet: roh, authentisch, zugleich technisch und akustisch auf höchstem Niveau. Entstanden ist das Projekt nicht im Alleingang, sondern mit starker Unterstützung der Community: durch Crowdfunding, freiwillige Arbeitseinsätze und ein gemeinsames Bekenntnis zur Clubkultur. Herzstück ist das maßgeschneiderte, mit dem Beschallungsexperten Stefan Isenring entwickelte Soundsystem, das Gästen ein körperliches Erlebnis beschert. Doch die Druckerei versteht sich nicht nur als Klangmaschine, sondern als kultureller Raum – mit klarer Haltung zu Awareness, fairen Preisen und Offenheit gegenüber verschiedenen Szenen. Wir haben mit den Macher*innen über ihre Motivation und den Ursprung dieses Vorhabens, den Weg von der Industriehalle zum Club und die Vision für die Zukunft gesprochen.
Am 1. November feiert die Druckerei nun ihren ersten Geburtstag – ein Datum, das nicht nur für das Team, sondern auch für die Stadt eine besondere Bedeutung hat. Gefeiert wird standesgemäß mit einem vielseitigen Line-up, das die Handschrift des Clubs deutlich erkennen lässt: Kellerkind, Sebastian Konrad, Anthik, Solvane, Bitschubatschu, STËH und Defex gehören ebenso dazu wie das Diva Collective, Twenny5, Dainskin oder Hangarhausi. Ergänzt wird das Programm durch zahlreiche lokale Acts – etwa Meldøisk, Timo Lazer, Flatbeat, RobbieFiesta u. v. m. – und durch Performances der Ars Volandi Dancers. Ein Tag und eine Nacht lang wird so nicht nur das erste Jahr gefeiert, son- dern auch gezeigt, wie viel Energie, Vielfalt und Community-Power in diesem Projekt steckt.
Euer Projekt ist der erste neue Club in Solothurn seit über einem Jahrzehnt. Was genau hat euch motiviert, diese Lücke zu füllen – und warum gerade jetzt?
Wir haben über viele Jahre miterlebt, wie das Nachtleben in Solothurn Stück für Stück eingeschlafen ist. Früher gab es mehrere Clubs, die Szene war lebendig. Doch nach und nach schlossen die Orte, bis am Ende nur noch ein einziger Underground-Spot und ein Konzertlokal übrig blieben. Für eine Stadt dieser Größe ist das viel zu wenig. Für uns – zwei DJs und ein Team von Kulturmenschen – war das nicht akzeptabel. Wir leben elektronische Musik, wir leben Clubkultur, und wir wissen, welche Bedeutung Clubs für eine Community haben können: Orte, an denen Menschen frei sind, sich begegnen, tanzen, feiern, träumen. Uns war klar: Diese Stadt braucht wieder einen Ort, an dem Sound, Atmosphäre und Vibes zeitgemäß erlebbar sind. Dass wir nach über elf Jahren die Ersten waren, die eine neue Clubbewilligung erhielten, war ein historischer Moment für Solothurn – und für uns ein Signal: Genau jetzt ist die Zeit gekommen, diese Lücke zu schließen.

Die Location hat eine spannende Geschichte als ehemalige Druckerei. Wann wusstet ihr: Das ist der perfekte Ort für euren Club?
Die Idee für einen eigenen Club haben wir lange in uns getragen. Das Gebäude der alten Druckerei der Solothurner Zeitung stand seit 2006 leer – ein Ort voller Geschichte, voller Spuren der Industrie. Wir hatten es schon früh im Blick. Vor einer Weile organisierten wir auf einem benachbarten Industrieareal ein Pop-up-Clubbing für rund 150 Menschen. Es war improvisiert, roh – aber die Energie war unfassbar. Alle spürten sofort, dass hier ein besonderer Spirit liegt. Da wurde uns klar: Solothurn braucht einen Ort mit industriellem Flair, ungeschliffen und authentisch, ein bisschen wie Berlin, aber verankert in unserer Region. Als sich die Chance ergab, eine Bewilligung für die alte Druckerei zu erhalten, mussten wir nicht lange überlegen. Wir sagten uns: Egal, wie lange wir diesen Ort nutzen dürfen – wir probieren es. Und wir machen es richtig.
Der Umbau war ein Kraftakt. Welche Prinzipien haben euch dabei getragen?
Nachhaltigkeit war uns von Anfang an wichtig. Wir wollten nicht einfach neu bauen, sondern vorhandene Strukturen nutzen. Türen, Bauteile, Lüftungselemente – so viel wie möglich haben wir wiederverwendet, upgecycelt, kreativ umgedeutet. Gleichzeitig war es eine extreme Zeit: wenig Schlaf, unzählige Arbeitsstunden, viele Nerven. Aber getragen wurde alles von einer riesigen Community. Freund*innen, Künstler*innen, Leute aus der Szene – sie alle haben angepackt. Ohne diesen kollektiven Einsatz hätten wir es nie geschafft. Diese Energie prägt den Club bis heute. Wenn man durch die Räume geht, spürt man, dass hier nicht einfach ein Projekt hochgezogen wurde, sondern dass ein Stück Kultur von unten entstanden ist.

Ihr habt eröffnet, während vieles noch im Werden war. Welche Erfahrungen aus den ersten Wochen haben euch gezeigt, dass ihr auf dem richtigen Weg seid?
Für uns war klar: Der Sound muss von Tag eins an perfekt sein. Alles andere konnten wir nachjustieren – aber das Herzstück durfte keine Sekunde schwächeln. Und das hat funktioniert. Von der ersten Nacht an war das Publikum überwältigt. Viele sagten: „So einen Sound haben wir hier noch nie erlebt.“ Das war der Moment, an dem wir wussten: Wir sind auf dem richtigen Weg. Natürlich gab es organisatorische Kleinigkeiten, die wir nachbessern mussten – das ist bei einer Eröffnung normal. Aber der Kern – Vibe, Bass, Licht, Bar – war da und hat funktioniert.
Euer Herz schlägt für elektronische Musik, gleichzeitig müsst ihr in einer Stadt wie Solothurn breiter programmieren. Wie schafft ihr diesen Spagat?
Elektronische Musik ist unser Herzstück. Techno, House, Melodic, D ’n’ B – diese Stile prägen uns. Hier setzen wir auf Vielfalt: von internationalen Acts, die wir nach Solothurn holen, bis hin zu lokalen Talenten, die unbedingt gehört werden sollten. Gleichzeitig wissen wir: Ein Club unserer Größe kann in einer Stadt wie Solothurn nur funktionieren, wenn wir offen bleiben. Deshalb gibt es auch Raum für andere Formate, verschiedene Genres, Veranstaltungen, die andere Communities ansprechen. Unser roter Faden bleibt aber immer derselbe: Qualität, Atmosphäre, Respekt, Awareness. Egal, welches Genre – die Haltung ist entscheidend. Und genau das macht die Druckerei zu einem Ort, der über elektronische Musik hinausstrahlt.

Sounddesign und visuelle Gestaltung sind eure absoluten Alleinstellungsmerkmale. Erzählt mal, was hinter eurer Anlage steckt – Stichwort „Wall of Bass“ — und auch über die Zusammenarbeit mit Stefan Isenring.
Sound ist für uns das Herzstück – nicht Nebensache, sondern DNA. Wir wollten keine Standardlösung, sondern ein akustisches Erlebnis, das man sonst höchstens in den großen Metropolen findet. Dafür haben wir mit Stefan Isenring zusammengearbeitet – einer echten Koryphäe im Bereich Beschallung. Stefan hat schon viele Spezialprojekte umgesetzt und uns geholfen, ein maßgeschneidertes System für die Druckerei zu entwickeln. Durch die akustische Analyse unseres Mainfloors entwickelte er ein einzigartiges Setup und lieferte maßgebliche Expertise bei der Konzeption der Wall of Bass.
Der Mainfloor, das Rollenlager, ist mit einem Seeburg Galeo XT Linearray ausgestattet. Dieses System könnte locker auch eine 5.000er-Halle beschallen. Doch bei uns wird es so eingesetzt, dass es die industrielle Architektur nicht nur ausfüllt, sondern transformiert. Ergänzt wird es durch ein einzigartiges vierwegiges Infrabass-System, das in einer upfired-Konfiguration gegen die Decke spielt. Die Decke wirkt dabei wie ein akustischer Spiegel – Ergebnis ist eine extrem gleichmäßige, kraftvolle Basswiedergabe bis unter 28 Hz. Das ist kein reines Hören – das ist ein körperliches Erlebnis. Wer im Rollenlager tanzt, spürt, wie der Sound durch den ganzen Körper geht. Viele Gäste sagen nach der ersten Nacht: „So etwas habe ich noch nie erlebt.“ Im Presswerk, unserem kleineren Floor, haben wir die seltene „Wall of Bass“ realisiert – eine durchgehende Basswand, die für eine homogene Druckverteilung sorgt. In diesem Raum wirkt der Druck noch intensiver, roher, kompromissloser. Perfekt für Techno, der bis unter die Haut geht. Wir haben die Anlage seit der Eröffnung mehrfach optimiert – Subwoofer ersetzt, versetzt, Setups angepasst, Details verändert, immer mit dem Ziel, das Maximum herauszuholen. Heute können wir sagen: Jeder Zentimeter ist akustisch durchdacht. Und weil wir glauben, dass es nie genug sein kann, arbeiten wir permanent weiter. Erst kürzlich haben wir 20 neue Moving Heads im Mainfloor installiert. Damit wird das visuelle Erlebnis noch einmal auf eine neue Ebene gehoben. Wer regelmäßig kommt, entdeckt jedes Mal etwas Neues.
Gab es technische oder gestalterische Kompromisse, die ihr eingehen musstet?
Natürlich. Ein Club in einem über 100 Jahre alten Industriegebäude bringt Grenzen mit sich. Schallschutz, Bauvorschriften, Statik – all das musste berücksichtigt werden. Wir haben gelernt, Kompromisse kreativ zu nutzen. Subwoofer an die Decke hängen? Klingt verrückt, war aber die Lösung, um den Raum gleichmäßig zu beschallen. Zwei Lastwagenladungen Absorptionsmaterial verbauen? Absolut nötig, um Interferenzen zu minimieren. Wir haben ständig abgewogen zwischen Architektur und Akustik. Aber genau das macht die Druckerei besonders: Technik und Raum sind miteinander verschmolzen – daraus ist ein Audioerlebnis entstanden, das einzigartig ist.
Wie nutzt ihr Bookings und Kooperationen, um eure Identität aufzubauen – und welche Rolle spielt die lokale Szene?
Die lokale Szene ist für uns elementar. Wir arbeiten mit regionalen Künstler*innen, Kollektiven und Kulturinitiativen, weil wir überzeugt sind: Clubkultur wächst nur im Miteinander. Gleichzeitig holen wir internationale Acts nach Solothurn, die man sonst nur in Zürich oder Basel erleben würde. Unser Ziel ist es, Brücken zu schlagen: Wir wollen lokale Talente sichtbar machen und gleichzeitig ein Programm bieten, das überregional Aufmerksamkeit erzeugt. Konkurrenzdenken bringt niemanden weiter. Zusammenarbeit ist der Weg.

Awareness, Zugänglichkeit und faire Preise – wie setzt ihr das konkret um?
Awareness ist eine unserer Grundsäulen. Wir wollen, dass sich alle Gäste sicher fühlen und sie selbst sein können. Deshalb schulen wir unser Team, haben klare Regeln, kommunizieren Haltung. Wenn etwas nicht passt, greifen wir ein. Wir möchten ein Safe Space sein – ein Raum, in dem Vielfalt selbstverständlich ist. Auch beim Thema Preise haben wir eine klare Haltung: Wir orientieren uns an der Region. Faire, zugängliche Preise, kein Zürich-Niveau. Ein Club ist für alle da. Gleichzeitig setzen wir auf Qualität: hochwertige Getränke, gutes Personal, schneller Service. Das ist kein Widerspruch – das ist unser Anspruch.
Wenn ihr in einem Jahr zurückschaut: Woran würdet ihr messen, dass euer Club nicht nur funktioniert, sondern etwas bewegt hat?
Wir würden es daran messen, dass die Leute sagen: „Solothurn hat wieder Clubkultur.“ Wir wollen, dass bei uns Freundschaften entstehen, dass Menschen Nächte erleben, die sie nie vergessen, und dass die lokale Szene dadurch gestärkt wird. Volle Floors sind wichtig – aber noch wichtiger ist uns, dass wir als kultureller Ort wahrgenommen werden, der die Stadt lebendiger macht.
Ihr habt über Crowdfunding gestartet. Was hat euch diese Erfahrung gelehrt?
Crowdfunding klingt simpel, ist aber harte Arbeit. Ohne unsere Community hätten wir es nie geschafft. Dass wir unser Ziel erreicht haben, war ein riesiger Moment. Aber noch wichtiger: Viele Unterstützer*innen von damals sind heute unsere Stammgäste. Das zeigt, wie stark die Druckerei aus der Community heraus entstanden ist. Es ist nicht nur unser Projekt – es ist ein kollektives Projekt.
Mit „Rollenlager“ und „Presswerk“ habt ihr zwei Floors mit sehr unterschiedlichen Vibes geschaffen. Was erwartet die Gäste dort?
Das Rollenlager ist unser epischer Mainfloor – ein industrieller Kathedralenraum, geprägt von massiven Betonstützen. Diese Säulen geben dem Raum Struktur, architektonische Wucht – und stellten uns akustisch vor Herausforderungen, die wir durch eine maßgeschneiderte 4-Punkt-Beschallung gelöst haben. Hier trifft Berliner Industriecharme auf High-End-Clubtechnik. Zwei LED-Screens schweben über der Tanzfläche, flankiert von Moving Heads, die den Raum immer wieder neu in Szene setzen. Der rohe Betonboden reflektiert die Projektionen und verstärkt das visuelle Spiel. Und dann die Bar: minimalistisch schwarz, aber mit einem farbig pulsierenden Backboard, Lava-Lampen und Pflanzen – eine warme, einladende Gegenwelt im industriellen Setting. Das Ergebnis ist ein Raum, der gleichzeitig roh und futuristisch wirkt – und in dem der Sound und das Lichtspiel körperlich und visuell spürbar werden. Das Presswerk ist das Gegenstück: kompakter, dunkler, kompromissloser. Schwarze Wände, zerknitterte Metallflächen hinter dem DJ, geometrische Visuals – hier regiert pure Techno-Energie. Die „Wall of Bass“ verteilt den Druck gleichmäßig im Raum, sodass jeder Schritt auf der Tanzfläche vibriert. Perfekt für härtere, experimentellere Sets und Nächte, die Grenzen ausloten.
Solothurn ist nicht Zürich oder Berlin – und genau das macht euch spannend. Welche Vision habt ihr für die Stadt als Knotenpunkt für Clubkultur?
Unsere Vision ist klar: Wir wollen zeigen, dass Clubkultur nicht nur in Metropolen stattfinden muss. Solothurn hat eine starke Community, eine reiche Kultur und enormes Potenzial. Unser Ziel ist es, der Stadt ein neues Selbstbewusstsein zu geben – und zu beweisen, dass innovative Clubformate auch hier funktionieren. Wenn wir es schaffen, überregionale Aufmerksamkeit zu erzeugen und gleichzeitig die lokale Szene zu pushen, dann haben wir unser Ziel erreicht. Wir sind überzeugt: Nur im Miteinander entsteht ein neuer Hotspot – nicht nur für Solothurn, sondern für die ganze Schweiz.
Aus dem FAZEmag 164/10.2025
Text: Triple P
www.druckerei-solothurn.ch