
Mit „Beneath Your Feet“ legen Mathias Schaffhäuser und Jorge Socarrás alias FANATICO X ihr drittes Album vor – erstmals auf GMO. Das Duo, 2010 aus der Begegnung zwischen Kölner Minimalismus- und New-Wave-Erfahrung entstanden, spannt darin den Bogen von Lorca-Gedichten bis zu Neuinterpretationen von Popklassikern. Wir haben mit den beiden gesprochen.
Mathias, dein Background in (Minimal-) House und Techno trifft hier auf Jorges queere Avantgarde-Historie der 80er. Was passiert, wenn zwei solche Welten kollidieren?
Mathias: Für mich ist es keine Kollision, weil ich schon immer auch andere Musik als House und Techno gehört und gemacht habe. Es gab diverse Bands vor meiner Club-Passion, und auch auf vielen meiner Tracks finden sich Gesang und experimentelle Elemente. Für mich gab es da keinen Bruch.
Jorge: Insofern „queer” das bezeichnet, was gegen den Strom schwimmt und nicht in herkömmliche Schubladen passt, ist unsere Musik queer.
„Beneath Your Feet“ klingt wie ein musikalischer Streifzug durch verschiedene Dekaden und Denkweisen. Was war euer innerer Kompass bei der Auswahl der Songs und Texte?
Mathias: Mein Kompass ist der Spaß am Musikmachen. Wenn die Freude da ist, kommen die Ideen, geprägt von einer Geschichte, die in den 1960ern beginnt und bis heute anhält. Wir arbeiten ohne Plan, alles entsteht durch Austausch und unseren Flow.
Jorge: Da wir beide einen breiten Hintergrund haben, können wir frei mit Stilen spielen. Oft entwickelt Mathias einen Basis-Track, der nicht an eine Epoche gebunden ist. Bei der Texterarbeitung ergibt sich dann die Richtung.
Mit Zitaten von Nietzsche und Garcia Lorca verarbeitet ihr hochliterarische Referenzen. Wie nähert ihr euch solchen Texten musikalisch – mit Respekt, Ironie, Distanz?
Mathias: Da gibt es keinen Unterschied zu unseren eigenen Texten. Auch diese Texte sind Teil unserer Geschichte, die in der Jugend mit der Entdeckung solcher Literatur beginnt.
Jorge: Ich denke, in beiden Fällen nähern wir uns den Autoren mit Respekt, und die Musik hilft dabei, die Ironie oder Distanz, die in ihren Worten mitschwingt, zu betonen.
Ihr covert mit „White Rabbit“ und „Searching“ zwei Songs aus vollkommen verschiedenen Pop-Kontexten. Was reizt euch daran, solche Stücke in eure eigene Sprache zu übersetzen?
Mathias: Die Motivationen waren verschieden. „White Rabbit“ war Jorges Vorschlag, „Searching“ – bei uns „Still Searching“ – meine Idee, weil ich ein Fan von Jorges Band Indoor Life bin. Es war für mich besonders, ein Stück aus den Achtzigern neu zu interpretieren, und das mit dem Sänger von damals. Hätte mir das 1981 jemand gesagt, ich hätte gelacht.
Jorge: Als Teenager bin ich mit „White Rabbit“ aufgewachsen, der spanische Touch hat mich immer angesprochen. Wir mussten aber einen anderen Ansatz wählen, weil es keinen Sinn machte, das ikonische Original zu kopieren. Bei „Searching“ hat die Neuinterpretation Richtung Neo-Hi-NRG meinem fast 40 Jahre alten Song neue Kraft gegeben – wie eine Zeitreise.
Das Projekt und das Album sind konzeptionell und anspruchsvoll. Was erwartet ihr – oder besser gesagt, was erhofft ihr euch – das die Hörer*innen in diesem Album entdecken werden?
Mathias: Ich empfinde weder das Album noch unsere Zusammenarbeit als konzeptionell. Sie ist spontan, ungeplant und locker. Aber es ist schön, dass unsere Musik durchdacht wirkt. Ich wünsche mir, dass die Hörer unseren gemeinsamen Vibe spüren, sich gut fühlen und musikalische sowie inhaltliche Ecken entdecken, die für sie neu sind.
Jorge: Ich würde mir wünschen, die Romantik der Musik zu vermitteln, nicht im Sinne von Herzen und Blumen, sondern im Sinne von bevorstehenden Möglichkeiten und Entdeckungen.
„Beneath Your Feet“ erscheint am 10. Oktober via GMO.