FAZEmag-Jahrespoll 2023: Track – Dr. Motte & Jam El Mar im Interview

Foto: Chris Bellevue

Programmatischer kann eine Paradenhymne wohl nicht ausfallen, „Music Is The Answer“ ist von unseren Leser*innen zum Track des Jahres gewählt worden. Wie fällt eure erste Reaktion aus?

Ellen: Ich habe es kaum glauben können, als der Anruf von Sven aus der FAZE-Redaktion kam. Alle Tracks im Ranking sind soooo gut, da kann man sich echt nur bei den Leser*innen bedanken!

Motte: Was für eine Überraschung! Ich bin megaglücklich und freue mich total. Ja, danke an alle FAZE-Leser. Damit habe ich nicht gerechnet. Ich habe sofort an alle gedacht, die mitgeholfen haben, das umzusetzen und gleich mal Jam angerufen.

Jam: Ich weiß noch genau, dass mich Motte morgens angerufen hat und gesagt hat: „So Freund, weißt du eigentlich das Allerneueste? Unser Track ist zum besten Track des Jahres 2023 gewählt worden.“ Da dachte ich mir, so könnte eigentlich jeder Tag anfangen. Absolut großartig und eine tolle Bestätigung für die ganze Bewegung von Rave The Planet und für das Team, das dahinter stand und das alles erst möglich gemacht hat.

Motte: Ja, da hängen immer so viel mehr Leute mit dran, z.B. Britta von 25films und viele weitere Kameraleute, die ehrenamtlich das Musikvideo produziert haben. Ellen, die die Lyrics geschrieben und eingesungen hat, und zusammen mit Lars von Satzbrand die Öffentlichkeitsarbeit gemacht hat, Fabien Prauss, der die Pressefotos ehrenamtlich gemacht hat, Claudi und Tomasz aus dem RTP-Team, die sich um die ganze Hintergrundarbeit gekümmert haben und unser Digitalvertrieb Paradise Worldwide, die auch gut Gas gegeben haben. Danke an alle, die den Track mit uns auf der Parade und überall gefeiert haben. Und Danke an Jam El Mar für die tolle Zusammenarbeit. Immer wieder gern!

Ich weiß, dass viele gerne an der Produktion der Hymne 2023 beteiligt gewesen wären, wieso ist es letztendlich zu der Zusammenarbeit von Jam El Mar und Dr. Motte gekommen?

Jam: Motte, das musst du beantworten – keene Ahnung. 😉

Motte: Es stehen immer viele Leute auf meiner Liste, mit denen ich gerne einmal etwas produzieren würde, z.B. auch Gregor Tresher, dem ich auch herzlich zu seiner Top-10-Platzierung gratuliere. Bei einer Hymne überlegt man immer in ein paar mehr Richtungen als bei einer normalen Produktion. Der richtige Vibe spielt die entscheidende Rolle, um das Parade-Feeling authentisch zu vermitteln. Weil ich schon früher mit Jam produziert habe und sein Lebenswerk als Künstler sehr schätze, hatte ich ein gutes Gefühl, dass wir gemeinsam die Energie und den Spirit von „Music Is The Answer“ in Sound übersetzen können.

Die Single ist auf eurem Label Rave The Planet Supporter Series erschienen. Einem Label, dem ihr Ende des vergangenen Jahres mit einer großartigen Vinyl-Compilation ein Denkmal gesetzt habt. Wie ist es zu dem Label gekommen, was ist die Idee hinter dem Label und wieso gab es eine Vinyl-Zusammenstellung?

Motte: Die Ur-Idee war, mit Rave The Planet eine Release-Serie zu machen, für die Artists einen Track an RTP spenden, um unsere gemeinnützige Organisation, unsere Aktivitäten und die Vision zu unterstützen. Wir haben bisher immer nur digital releast, aber von Anfang an sehr viele Anfragen bekommen, ob wir denn auch mal etwas auf CD oder Vinyl machen. Das bedeutet aber immer viel zusätzlichen Aufwand und Produktionskosten. Ein finanzielles Risiko, für das wir bei Rave The Planet keinen Spielraum haben. Dann kam letztes Jahr das tolle Angebot von handle with care manufacturing aus Berlin, uns die komplette Produktion einer Doppel-Vinyl zu spenden. Wir haben dann eine Limited Edition von 300 Stück produziert. Wir wollten das Format erst einmal testen. Zack, war die Platte am Tag der Veröffentlichung nach 30 Minuten ausverkauft. Ein toller Erfolg.

Ellen: Ja, damit hat hier auch echt keiner gerechnet. Weder Silke und Maren, von handle with care, noch die Crew von deejay.de, wo wir die Platte exklusiv verkauft haben, noch unser eigenes Team. Das war für alle eine schöne Bescherung, so kurz vor Weihnachten. Ich fand es auch richtig toll, dass wir einen Team-Ausflug ins Presswerk von Optimal Media machen durften, wo wir die Vinylproduktion live gesehen und auch noch eine Führung durch die Produktionshallen bekommen haben. Das macht man ja auch nicht alle Tage und ich fand es sehr spannend.

Remixe sind heutzutage nicht nur ein beliebtes Marketinginstrument, sondern auch eine Art Wertschätzung für die ausgewählten Acts. Wieso habt ihr euch in 2023 u.a. für Peter Pahn entschieden, dessen Remix auch gut platziert ist?

Jam: Peter kommt auch hier aus meiner Gegend. Neulich war er sogar bei einem Gig dabei, als ich in Frankfurt aufgelegt habe und hat mich begrüßt. Ein super Typ und unglaublich kreativ, und ich denke mal, die Wahl für ihn war genau richtig. Er hat durch seine Präsenz Rave The Planet geholfen, und vielleicht haben wir ihm auch ein kleines bisschen geholfen. So ist es eigentlich am besten. Zu Mark Reeve muss man eigentlich nichts mehr sagen. Er ist ja definitiv einer der top Technoproduzenten und hat natürlich auch ein absolutes Brett abgeliefert. Ich glaube sogar, er kommt auch hier aus der Frankfurter Gegend.

Ellen: Stimmt. Mark ist einfach ein großartiger Producer. Meine Schwester Bunny und ich feiern ihn total. Wir sammeln im Team immer Namen von Artists, die uns begeistern, und Mark stand schon länger auf meinem Wunschzettel. Peter Pahn war eine Empfehlung von Nakadia. Wir haben uns seine Sachen dann intensiv reingezogen und gemerkt, dass er auch diesen gewissen Vibe in seiner Musik hat. Der Erfolg im Jahrespoll spricht für sich.

Motte: Mit den Remixen möchten wir etablierten Artists und jungen Talenten eine besondere Wertschätzung geben. Klassischerweise sollen dabei auch nochmals verschiedene Genres mit ins Feld geführt werden. Der Remix von Peter Pahn hat uns auf Anhieb sehr gefallen. Gut raviger, moderner Techno-Sound. Treibt gut. Klingt gut. Und auch der Remix von Mark Reeve ist eine Bombe, die die Hymne in eine ganz andere Richtung weiterentwickelt hat und auch in einigen großen Playlists zu finden war, z.B. bei Boris Brejcha. Danke an beide Künstler!

Es ist sicherlich nicht vermessen zu behaupten, dass viele Abstimmungen auch mit dem letztendlich sehr erfolgreichen Verlauf der Rave The Planet Parade in 2023 zusammenhängen dürften. Wie lautet euer Fazit für 2023 und was wird in diesem Jahr besser?

Jam: So ein Vorhaben wie Rave The Planet zu organisieren, ist fast eine übermenschliche Aufgabe, und natürlich gab es einige große Herausforderungen, vor der Parade und auch danach. Ganz klar wird man aus den Problemen lernen und dieses Jahr wird einiges sicherlich wesentlich glatter ablaufen, aber so ist es eben nun einmal. Die Lernkurve zeigt steil nach oben.

Motte: Die Behörden in Berlin haben es uns 2023 sehr schwer gemacht. Dazu kam noch der Boykottaufruf der Malteser. Die kurzfristige Auflage von der Versammlungsbehörde, den Sanitätsdienst selbst finanzieren zu müssen, hat uns über 200.000 Euro an zusätzlichen Kosten verursacht. Wir haben dann viele Gespräche geführt, mit der Politik und den Behörden. Letztlich kam dabei nichts heraus und wir standen dann vor der Entscheidung, abzusagen oder die Sache mit vollem finanziellem Risiko mit einem privaten Sanitätsdienst durchzuziehen. Zum Glück sind viele Menschen unserem Spendenaufruf gefolgt und wir konnten immerhin einen großen Teil der Kosten dadurch bezahlen.

Ellen: Eine gute Sache ist aber dabei herausgekommen: Wir wissen, dass ein Großteil der Berliner Politik inzwischen die Bedeutung und den Wert der Loveparade für die Stadt Berlin verstanden hat und wir daher zumindest aus dieser Richtung viel Unterstützung für die Rave The Planet Parade bekommen.

Motte: Wir brauchen aber bessere Planungssicherheit. Da arbeiten wir auch dran. Wir werden uns außerdem auch mit anderen Paraden zusammenschließen, um gemeinsam für bessere Grundvoraussetzungen für Tanz- und Musikdemonstrationen einzutreten.

Ellen: Es sind einfach Sonderformen einer politischen Meinungskundgebung, die sich von anderen Demonstrationsformen unterscheiden. Das muss verstanden und anerkannt werden.

Gibt es schon Ideen bezüglich einer 2024er-Hymne und wenn ja, wie sehen diese aus?

Motte: Soll ich das jetzt schon verraten? Ich weiß nicht. Das ist doch ein bisschen früh, oder?

Ellen: Nee, das machste jetz‘ noch nicht! Aber das Motto können wir ja nochmal sagen: „Love Is Stronger“. Das hat unser Crew-Mitglied Tomasz dieses Jahr eingebracht. Find ich richtig gut und sehr wichtig, genau das jetzt mal schön laut zu machen. Um es mit den Worten von Kübra Gümüşay zu sagen: „Wir müssen die Liebe organisieren, der Hass ist bereits organisiert.“ Darum laden wir alle ein, mit uns am 17. August für die Liebe auf die Straße zu gehen. Love is stronger.

Aus dem FAZEmag 144/02.2024
Foto: Chris Bellevue
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