Festival Blaues Rauschen – Interview mit Electric Indigo

Credit: Elsa Okazaki

Drei Städte, sechs Tage, 24 Acts. Das Festival Blaues Rauschen ist kein gewöhnliches Event. Denn auch bei der dritten Ausgabe des Festivals trennen die Macher erneut die Spreu vom Weizen. Alles dreht sich um Musik- und Klangereignisse, Performances, Kultur und Kunst. Und das auf sowohl nationaler wie internationaler Ebene. Die Verschmelzung von digital und analog auf höchstem Niveau verbindet audiovisuelle Darbietungen, Vorträge, und Konzerte. Letztere folgen im 20-Minuten-Takt und nahezu ohne zwischenzeitliche Unterbrechung. 

Im zweiten Teil unserer Mini-Interview-Reihe mit Künstler*innen des Festivals haben wir die Wienerin Electric Indigo interviewt. Sie spielt am Samstag, den 25. September in Bochum, Rotunde, Konrad-Adenauer-Platz 3.

Du produzierst seit 1989 Musik und arbeitest als DJ seit 1990. Wie hat es damals bei Dir angefangen und warum? Was war Deine Initialzündung?

Ich habe ca. 1993 angefangen, selbst elektronische Musik zu machen und bin seit 1989 DJ. Das Produzieren war für mich eine natürliche Folge des Auflegens. Durch das Lernen und Üben von Tempo-Angleichen und EQing beim Mixen von Schallplatten habe ich, wie mir vorkam, ein analytischeres Gehör entwickelt. Jedenfalls achtete ich mehr auf einzelne Klänge, weil das hilft, das Tempo eines Stückes zu erfassen, und natürlich auch aus allgemeiner Begeisterung für die Musik.

Außerdem reden DJs und andere Enthusiast:innen auch immer über den Sound, die Beats, Breaks, Strukturen etc. Dadurch erfuhr ich von legendären Maschinen wie z.B. den Rhythmuscomputer TR-808 von der japanischen Firma Roland oder auch den Roland Basssynthesizer TB-303, die ganze Genres geprägt haben. Es wurde geheimnisvoll von mythenumrankten Studios in Detroit und Sheffield gemunkelt, Synthesizermarken wie Sequential Circuit, Moog und Roland immer wieder genannt und selbstverständlich wurde so meine Neugierde geweckt.
Diese Art von Begeisterung wird ja auch immer gerne geteilt und aufgrund meines Interesses folgten auch schon bald Einladungen in Studios. Ich war also die ersten Jahre immer in anderer Leute Studios und konnte dort an den hübschen Knöpfchen drehen. Meine ersten auf Schallplatte veröffentlichten Nummern habe ich mit Richard Bartz bzw. Patrick Pulsinger und Erdem Tunakan gemacht.

In der Mitte der 1990er-Jahre fing ich an, mir selber Geräte zuzulegen. Ich kaufte alte, nicht mehr gebrauchte Synthies von Basic Channel und Vainqueur … also von meinen Arbeitskollegen im Hard Wax. Bis zu einem richtigen Workflow und einem guten Arbeits-Setup hat es aber Ewigkeiten gebraucht. Mein Schwerpunkt lag eindeutig auf DJing.

Deine Art Musik zu produzieren, hat sich über die Jahre stark geändert. Heutzutage nutzt du viele, teils fremdklingende Sounds, analog und synthetisch erzeugt. Ist es heute einfacher, experimentelle Musik zu machen? Was hat sich an den Sounds geändert?

Ja, ich finde langsam meine Sprache. Und ich experimentiere gerne. Ich denke schon, dass es heute viel einfacher ist, Musik zu machen, weil die Arbeitsmittel leichter verfügbar sind und vor allem auch weil es viel leichter ist, an Informationen zu kommen und sich autodidaktisch weiterzubilden. Die größte Hürde ist es heutzutage wohl, sich von der schieren Unendlichkeit an theoretisch Machbarem nicht überwältigen zu lassen. Meines Erachtens ist auch das ein Grund für die Beliebtheit von Hardware-Modulen. Eine Beschränkung von Möglichkeiten und ein direkter, haptischer Zugang können sehr ergiebig sein.

Du hast in Vergangenheit mit Künstler*innen wie Thomas Wagensommerer und Pia Palme zusammengearbeitet – in einem Interview hast du mal gesagt, dass das die beiden wichtigsten deiner Kooperationen sind. Warum? Hast du eine Wunsch-Kooperation?

Von Pia habe ich sehr viel gelernt, obwohl wir so verschiedene Musik machen und auch unsere Herangehensweisen so unterschiedlich sind. Durch Pia bin ich aber in andere Bereiche der Musik vorgestoßen und der Austausch mit ihr ist nach wie vor eine große Bereicherung. Da geht es eher darum, wie man Klang, Komposition, künstlerisches Schaffen betrachten kann und wie sich der Kontext gestalten lässt.

Die Kooperation mit Thomas war schön, weil es von ihm immer sehr viel positives und konstruktives Feedback gab. Wir haben ja zwei audiovisuelle Werke zusammen realisiert (Morpheme und Barry Duffman), bei denen er bzw. T-ER (das sind Thomas und Luise Lindenbolz) den Videopart machten. Morpheme (aus dem Jahr 2014) wird übrigens bald auf fals.ch erscheinen.

Seit ein paar Jahren arbeite ich hauptsächlich alleine an neuen Stücken. Mir scheint, dass ich da besser vorankomme. Mich würde aber eine spartenübergreifende Kooperation total interessieren. Z. B. mit Tanz und Choreografie … das fände ich sehr spannend!

1998 hast du das internationale Netzwerk female:pressure gegründet, um besser auf weibliche, nicht-binäre und Transgender Künstler*innen aufmerksam zu machen. Ist es seither für diese einfacher geworden, sich einen Namen in der Szene zu machen? Siehst du einen Unterschied in der Toleranz bei den Hörer*innen?

Es sind definitiv in den letzten 25 Jahren immer mehr Frauen, nicht-binäre und transgender Künstler:innen sicht- und hörbar. Das ist eine sehr erfreuliche Entwicklung. Ich sehe auch, dass ein Diversitäts-Nachholbedarf wahrgenommen wird. Deshalb ist es im Moment wohl tatsächlich einfacher, z.B. als Frau medial gefeaturt zu werden und auch Bookings zu bekommen. Es könnte natürlich sein, dass das nur ein zeitweiser Hype ist und sich dieser Trend wieder “normalisiert”. Ich hoffe natürlich, dass das nicht der Fall ist, sondern die Szene immer bunter werden wird.

Das Festival kündigt deinen Auftritt mit folgenden Worten an: „Electric Indigo aka Susanne Kirchmayr nutzt die digitale Entmaterialisierung und verschmilzt virtuelle Metallmoleküle in einer akustisch-visueller Mediaperformance zu einem ressourcenschonenden Industrial-Sound mit einem Minimum an Energieverbrauch.“ Was ist mit dieser „Entmaterialsierung“ gemeint?

Der Text kommt nicht von mir, ich kann das also nicht genau sagen. Aber die Beschreibung gefällt mir. Ich interpretiere das so: Die Klänge von Metall lassen ein sehr dichtes, naturgemäß physisches, oft schweres Material als Schall entstehen. Das könnte die Entmaterialisierung sein, es gibt eine Idee, einen Anklang von etwas doch ziemlich vertrauten, das aber in seiner gewohnten Materialität gar nicht vorhanden ist. Ich lasse meinen Klängen meistens auch sehr viel Platz, wodurch die Musik oft etwas luftiges und sehr räumliches hat. Ich vermute, das ist mit dem Minimum an Energieverbrauch gemeint … aber da muss ich noch mehr rätseln also bei der Entmaterialisierung 😉

Worauf dürfen sich deine Fans beim Blauen-Rauschen-Festival freuen? Worauf freust du dich, was erwartest du von der doch eher ungewöhnlichen und besonders alternativen Veranstaltung?

Ich freue mich schon sehr auf das Konzert, weil ich noch ziemlich an dem Set gefeilt habe. Es wird ein Surround-Sound-Konzert mit Beschallung von 6 Punkten – Quadrophonie + 2 sozusagen. Die beiden zusätzlichen Lautsprecher werden ausgewählte Sounds schräg von oben auf die Leute rieseln lassen. Ziel ist klangliche Immersion ergänzt durch das Spiel mit Farbräumen in meinen Videos, die ich auch selber mache und live generiere. Es könnte also ganz schön trippy werden, Passagen mit Beats inklusive.


Hier könnt ihr euch ein Set von Electric Indigo ansehen:

Die Tageskarte für das Blaues Rauschen Festival könnt ihr euch zum günstigen Preis von 15 EUR sichern. Viele weiterführende Infos findet ihr auch auf der offiziellen Veranstaltungs-Website: www.blauesrauschen.de/.

 

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Credit: Elsa Okazaki