Als John Acquaviva 1989 auf Richie Hawtin traf, läutete das die Geburtsstunde eines der einflussreichsten Labels für elektronische Musik aller Zeiten ein: Plus 8. Sowohl Hawtin als auch der in Italien geborene und in Kanada aufgewachsene Acquaviva nutzten das Sprungbrett schließlich erfolgreich, um als DJ und Producer auf internationalem Parkett zu landen und zu Visionären einer ganzen Industrie zu avancieren, die in den 90er-Jahren ihren bisherigen Höhepunkt erreichte – so ist man sich zumindest weitestgehend einig. Wir haben den kanadischen Entrepreneur zu einer Zeitreise in das legendäre Jahrzehnt eingeladen.
Mein Jahrzehnt:
Lasst uns auf jeden Fall einen Blick auf die 90er-Jahre werfen; für die meisten Leute scheint das heute ein Traum zu sein, aber ich war dabei.
Dein Lieblingstrack:
Das dürften „Technarky“ von Cybersonik auf Plus 8 Records und „House For All“ von Blunted Dummies auf Definitive Recordings sein. Als Mitglied von Cybersonik spreche ich normalerweise nicht über die Stücke, die wir gemacht haben, aber sie bringen mich immer noch zum Lächeln und werden immer noch von vielen Leuten gespielt und anerkannt; ich stehe zu diesen Tracks.
Der schlimmste Track:
So viele. In den 90ern wurden Raves echt bekloppt, und das Erste, das mir dazu einfällt, ist „WHO IS ELVIS“. Ich habe im Laufe der Jahre so viele kitschige und schlechte Lieder gehört, und ich muss zugeben, dass ich diese Platte auf einigen Raves gespielt habe, weil ich dachte, dass es lustig sei.
Dein(e) Lieblingsinstrument/-software/-tool?
Cubase auf meinem Atari-Computer war das Programm, mit dem ich meine gesamte frühe Musik gemacht habe. Ich möchte auch den Roland SH101, den Sequential Circuits Pro 1 und den Roland 909 lobend erwähnen; sie waren alles, was man damals brauchte.
Der peinlichste Moment?
Ich war auf dem Weg zum Roskilde Festival, aber nachdem ich in meinem Hotel eingecheckt hatte, kam niemand, um mich abzuholen. Ich nahm am nächsten Morgen ein Taxi zum Flughafen und flog zurück nach Hause …
Der schönste Moment?
Ich habe viele tolle Erinnerungen an Gigs in den 90er-Jahren, aber der vielleicht speziellste war „Sickness and Recovery“ [siehe Flyer] mit Jeff Mills, Richie Hawtin und mir. Kurz vor dem Event wurde uns die Venue gecancelt und wir fanden erst in letzter Minute eine Ersatz-Location: ein Bauernfeld in Kanada. Ich glaube, etwa 5.000 Leute fuhren hin, um dabei zu sein. Ich spielte das letzte Set bei Sonnenaufgang; einer der besten von vielen großartigen Momenten während dieses magischen Jahrzehnts.
Dein Lieblingsoutfit?
Ich hatte früher diese wunderbare schwarze Sonnenbrille von Jean Paul Gaultier.
Deine Modesünde?
Ich trug helle Kleidung auf Raves. Hoffentlich gibt es keine Fotos.
Das war damals besser:
Der Charme der Clubs, aber vor allem der Partys. Alle möglichen Leute kamen auf Partys zusammen und blieben aus allen möglichen Gründen ewig lange auf.
Und was war schlechter?
Der erbärmliche Zustand mancher Venues; ich erinnere mich, wie ich aufwachte und schwarzen Ruß von der Verschmutzung in manchen Clubs hustete.
Ein Item aus dieser Dekade, das du besonders vermisst?
Meine Jugend.
Dein Lieblingsfilm?
„Groundhog Day“. Bill Murray ist immer großartig in allem; er vermittelt Angst und Absurdität auf einfache, aber tiefgründige Weise. Murrays Version von „The Razors Edge“ ist mir immer im Gedächtnis geblieben.
Deine Lieblingssendung?
Um ehrlich zu sein, habe ich schon vor vielen Jahren aufgehört, TV-Shows zu schauen …
Dein persönlicher Held?
Ich bin ein Ikonoklast. Ich glaube nicht an Helden und all das Zeug.
Am 23. Mai hat John Acquaviva „The Definitive Selection #1“ veröffentlicht, eine Remastered-Compilation mit Klassikern des legendären kanadischen House-Labels Definitive Recordings.
Aus dem FAZEmag 160/06.2025
Web: www.john-acquaviva.com