Flume – Entschleunigung in der Natur

Foto: Zac Bayly

Als Harley Edward Streten aka Flume, seines Zeichens 1991 im australischen Sydney geboren, 2012 seinen ersten Langspieler veröffentlichte, waren die internationalen Reaktionen darauf immens. Streten katapultierte sich mit dem selbtbetitelten Werk nicht nur auf die globale Landkarte aller renommierter Festivals und Brands der Szene, er definierte dabei auch mit seiner Mixtur aus Downtempo, Dub und Ambient förmlich ein neues Genre. Spitzenpositionen in den heimischen australischen Charts, Doppel-Platin und eine ausverkaufte Welt-Tournee waren die Folge. Vier Jahre später entwickelte er diesen Stil mit „Skin“ nahtlos weiter, landete damit in den Top 10 der US-Billboard Charts, gewann im selben Jahr seinen ersten Grammy Award für das beste elektronische Dance-Album und etablierte sich durch gefeierte Live-Shows unter anderem bei Coachella, Lollapalooza, Reading & Leeds. 2019 folgte eine weitere Grammy-Nominierung, in diesem Fall für sein Mixtape „Hi This Is Flume“. Nun meldete sich Flume am 20. Mai mit „Palaces“ zurück auf dem Album-Parkett. Veröffentlicht wurde das Werk auf Transgressive. Am 19. Juli spielt Flume im Berliner Astra, präsentiert von Melt!.

Harley, Glückwunsch zu deinem neuen Album. Wie fühlst du dich mit dem fertigen Projekt?

Ich bin ehrlich gesagt unglaublich glücklich, es endlich mit der Welt teilen und es dort draußen spielen zu können. Es ist wirklich befriedigend, die Songs vor einem großen Publikum auf großen Lautsprechern zu spielen. Wir haben lange darauf warten müssen …

Dein letztes „Album“ war das Mixtape im Jahr 2019 – wie würdest du die letzten drei, für die Szene ziemlich schwierigen Jahre rekapitulieren?

Was meine psychische Gesundheit angeht, waren die letzten paar Jahre positiv. Covid-19 war für viele Menschen eine wahre Herausforderung, für mich persönlich gab es dadurch allerdings gute Abwechslungen. Ich bin von Los Angeles zurück nach Australien gezogen und lebe seither wieder in der Natur an den nördlichen Flüssen von New South Wales, also im Südosten des Landes.

Würdest du sagen, „Palaces“ würde ohne Pandemie unter Umständen anders klingen? Die meisten Künstler*innen, mit denen wir sprechen, erzählen uns von mehr Zeit im Studio sowie anderen Einflüssen.

Auf jeden Fall, ja. Als Covid-19 einschlug, fühlte ich mich kreativ zunächst etwas angeschlagen, weil ich so lange von zu Hause weg war. Ich hatte das Gefühl, nicht die Musik zu machen, die ich machen wollte, und war mit dem, was ich tat, nicht wirklich zufrieden. Ich hatte das Gefühl, eine Art große Maschine zu besitzen, die ich ständig antreiben musste. Darüber hinaus tourte ich wie verrückt. Die Auszeit ermöglichte es mir, wieder nach Hause zu ziehen, und das war das Beste, was ich je für meine geistige Gesundheit tun konnte, um ein wirklich einfaches Leben zu führen. Es war großartig, einen Moment innezuhalten und alles neu zu bewerten. Ich denke, dass alles in meinem Leben davon profitieren wird und bin fest davon überzeugt, dass auch die Musik besser ist, weil ich ein besseres Gleichgewicht im Leben habe.

Wie war es für dich, die Natur wiederzuentdecken?

Einfach fantastisch. Ich habe mein eigenes Gemüsebeet angelegt und esse jeden Tag mein eigenes Gemüse. Mein Hund war die gesamte Zeit dabei und die Musik floss einfach, die Dinge fingen an, einen Sinn zu ergeben. Ich fühlte mich sehr geerdet. So ist das Album auch entstanden, auf gänzlich natürliche Art und Weise.

Du hast eine Menge Vögel und einen Bach in der Nähe deines Hauses gesampelt.

Das stimmt. Ich bin nach Byron Bay gezogen, ganz in die Nähe meines Art Directors Jonathan Zawada, und wir waren wirklich fasziniert von der Natur um uns herum, vor allem von all den wilden Tieren und den Vögeln. Viele Aufnahmen aus der Umgebung meines Hauses haben ihren Weg in das Projekt gefunden. Ich habe das Gefühl, dass vieles von dem, was ich mache, mit all den Synthesizern und so, ziemlich kalt sein kann. Das gab dem Ganzen eine Wärme, die ich vorher nicht in meiner Musik hatte.

Was bedeutet der Titel „Palaces“ für dich?

Nach meinem Umzug aufs Land gewann ich körperlich und auch geistig unglaublich viel Freiraum, weil ich nicht mehr auf Tournee war, keine Verpflichtungen hatte und keine Termine einhalten musste. Da hatte ich wirklich das Gefühl, dass ich wieder anfangen konnte, zu schreiben und wirklich gute Arbeit zu leisten. Ich hatte das Gefühl, dass ich in meinem Palast war. Daher der Titel.

Du hast eben schon die Wärme im Sound angesprochen. Wie hat sich in deinen Augen dein Sound außerdem entwickelt?

Dieses Album ist soundtechnisch wahrscheinlich eines der härtesten. Es ist jedenfalls alles andere als chillig, sagen wir es mal so.

Du hast verschiedene Features auf dem Album, unter anderem mit Damon Albarn und Virgin Maria. Erzähl uns etwas über die Arbeit mit ihnen.

Einiges davon haben wir persönlich gemacht, aber das meiste haben wir aus der Ferne gemacht, was irgendwie „anders“ war. Normalerweise arbeite ich gerne mit Künstler*innen unter vier Augen, aber da alle in Isolation oder zu Hause waren, war es ziemlich produktiv, weil alle Tourneen abgesagt worden waren und die Leute nur zu Hause arbeiteten. Wenn ich gefragt wurde, mit wem ich gerne zusammenarbeiten würde, ob tot oder lebendig, habe ich immer Damon Albarn gesagt. Es war ein wahrgewordener Traum, mit ihm zu kollaborieren. Es war so schön, mit allen auf dem Album zu arbeiten. MAY-A ist so talentiert und KUCKA hat die coolste Alien-Stimme und ein unglaubliches Ohr für Melodien. Laurel und Oklou sind einfach unglaublich. Ich liebe es, mit Emma Louise zu arbeiten. Wir haben schon öfters zusammen Musik gemacht. Virgin Maria ist ein unglaublicher Charakter und ich bin sehr, sehr zufrieden damit, wie der Song mit ihr geworden ist. Ich bin ein großer Fan von Caroline Palachek, sie hat diese opernhafte, kirchliche, feierliche Stimme, die unglaublich ist. Ich bin sehr glücklich und dankbar, dass ich bei diesem Projekt mit so vielen tollen Künstler*innen zusammenarbeiten durfte.

Du bist kürzlich 30 geworden und in einem Interview über deine Zukunftspläne hast du geantwortet, dass du dich mehr auf deine geistige Gesundheit konzentrieren möchtest. Kannst du diesbezüglich ein bisschen mehr über deine Pläne erzählen?

Ich konzentriere mich definitiv mehr auf meine geistige Gesundheit als in meinen 20ern, daran führt kein Weg vorbei. Ich fühle mich, als wäre ich mit 20 in einen Zug gestiegen, der sich immer schneller bewegte und aus dem ich nicht mehr aussteigen konnte, und dann passierte plötzlich Covid und der Zug hielt einfach an. Wie ein riesiger Pause-Button, der nach fast acht Jahren betätigt wurde. Ich liebe es, Musik zu machen und zu touren, aber ich werde viel mehr Zeit in der Natur verbringen als je zuvor.

Dennoch hast du viele Termine für die zweite Jahreshälfte auf deiner Agenda, korrekt?

Ja, so ganz ohne geht es natürlich nicht. Vor ein paar Tagen habe ich meine Nordamerika-Tour abgeschlossen. Aktuell bin ich in Europa und Australien auf Tour und spiele auf vielen Festivals. Dazwischen nehme ich mir immer wieder Zeit für mich.

Aus dem FAZEmag 125/07.2022
Text: Triple P
Foto: Zac Bayly
www.instagram.com/flume