Four To The Floor: Ben Kaczor, DJ Fuckoff, Sijya & Vitess

Auch im Januar starten wir wieder durch mit „Four To The Floor“! Wir haben vier aufregende Künstler und Künstlerinnen im Gepäck, die wir euch vorstellen möchten. Los geht’s!

Four To The Floor: Ben Kaczor, DJ Fuckoff, Sijya & Vitess

Ben Kaczor

Der Schweizer steht für einen hypnotischen Minimal-Sound und lässt sich bei seinen Produktionen stets von seinen Emotionen leiten. „Petrovo Uho“ lautet der Name seines neuesten Albums.

Meine Anfänge: Mit 14 Jahren besaß ich bereits meinen ersten Plattenspieler, war damals aber noch dem Hip-Hop zugewandt. Die elektronische Musik fing mich erst mit 18 Jahren an zu interessieren, als ich dann irgendwie herausfand, was beispielsweise eine 808 ist, und dass deren Drums genauso oft in der elektronischen Musik vorkommen wie in meinem damaligen Lieblingsalbum „Licence To Ill“ von den Beastie Boys. Die Zusammenhänge mögen versteckt wirken, doch glaube ich, dass sich vieles aus diesen Impulsen heraus entwickelt hat.

Über meine neue LP „Petrovo Uho“: Das ist mein zweites Album und erneut ein Werk ohne ein wirkliches Konzept. Die meisten Tracks sind eine Reflexion meiner Gefühlswelt, besonders dann, wenn ich Neuland betrete und reise. In Kroatien habe ich letzten Sommer beim Tauchen gleich mehrfach eine seltene Muschel gefunden, nach der ich das Album dann benannt habe. Die elf Tracks sind dreamy, warm, minimalistisch und dubbig.

Meine Einflüsse und Inspirationen: Innerhalb der elektronischen Musik: Nicolas Jaar. Er ist so unglaublich vielseitig. Wenn es um Tanzmusik geht, muss ich u.a. Prince Of Denmark, Margaret Dygas, Magda und Levon Vincent nennen.

Mein Lieblingsgear: Der Buchla Easel und ein Dreadbox Abyss Synth. Ich bevorzuge einen Hands-on-Workflow und nutze Ableton Live als Hauptsoftware.

Mein schönstes Künstlererlebnis: Mein Closing-Set an Silvester in Chengdu, China. An diesem ersten Morgen im neuen Jahr 2019 war ich einfach eins mit allem. Die Tracks flossen ineinander und trafen den perfekten deepen Endless-Vibe.

Mein schlimmstes Künstlererlebnis: Ein plötzlicher Migräneanfall beim Auflegen. Das ist mir zum Glück erst zweimal passiert. Laute Musik und eine Clubumgebung sind dann eine echt grausame Kombination.

Meine Wünsche für 2023: Für mich: Weitere schöne Erfahrungen. Für die Welt: mehr Ruhe und Frieden.

„Petrovo Uho“ ist am 4. November 2022 via Dial Records erschienen.

DJ Fuckoff

Mit ihrer Unverblümtheit und einer gesunden Portion Crazyness wirbelt die in Berlin lebende DJ und Produzentin DJ Fuckoff seit geraumer Zeit durch die Szene. Ihren explosiven Sound könnt ihr unter anderem bei einem ihrer zahlreichen HÖR-Berlin-Sets erleben.

Meine Anfänge: Durch meine Passion für Videospiel-Soundtracks bin ich irgendwie dazu gekommen, breakige Hip-Hop-Tracks im Halbtakt zu produzieren und dazu zu rappen. Nach dem Release eines Albums habe ich dann die Verknüpfungen zwischen Hip-Hop und elektronsicher Musik entdeckt. Seitdem habe ich es geschafft, Dubstep in der Panorama Bar zu spielen sowie durch ganz Europa zu reisen und dabei „DEATH BY PUSSY“ zu schreien (lacht).

Über meinen neuen Track „Fuck You“: „Fuck You“ ist ein ambientes Jungle-Hardcore-Acid-Stück, inspiriert von der Matrix und einer Trennung. Es ist quasi meine Version eines Liebesliedes.

Meine Einflüsse und Inspirationen: MF Doom! Seine Art des Samplings und des Storytellings hat mich immer inspiriert. Er kreierte verschiedene Charaktere, Stimmungen, modulierte das Tempo während seiner Tracks usw. Alles, was er tat, war roh, kreativ und überstieg die Vorstellung davon, wie etwas gemacht werden sollte. Ruhe in Frieden!

Mein Lieblingsgear: Alles von FabFilter. Sugar Bytes Turnado (wird bei fast jedem Break oder Perc verwendet) und Serum. Empfehlen kann ich auch das kostenlose Plug-in Camel Crusher.

Mein schönstes Künstlerinnenerlebnis: Ich genieße es so sehr, die Möglichkeit zu haben, in den coolsten und verrücktesten Venues in ganz Europa zu spielen und dabei neue Bekanntschaften machen zu können.

Mein schlimmstes Künstlerinnenerlebnis: Ich hatte im letzten Jahr mit einer hartnäckigen Kreativitätsblockade zu kämpfen. Über acht Monate lang bin ich einfach nicht in den Flow gekommen. Eine echte psychische Herausforderung für eine Künstlerin.

Meine Vorsätze für 2023: Mehr kochen.

„Fuck You“ ist auf der „Xenlolith v2.0“-Compilation von Kaptcha erschienen.

Foto: Annette Jacob

Sijya

Ein echter Neuling! Sijya aus Neu-Delhi betritt die Bühne der elektronischen Musik mit ihrer fantastischen Debüt-EP „Young Hate“.  Ihr faszinierender experimenteller Ansatz hat das Interesse der Legende Matthew Herbert geweckt, auf dessen Label Accidental Records die Platte am 2. Dezember 2022 erschienen ist.

Meine Anfänge: Als Grafikerin war ich schon länger im Musikbereich tätig, habe mich aber trotz großen Interesses nie an eigenen Sachen probiert. 2018 fing ich dann an, „in the box“ zu experimentieren, größtenteils mit Ableton Live. Ich besuchte Workshops und war sofort Feuer und Flamme. Als ich etwa 150 Projekte auf meinem Laptop hatte, wurde mir klar, dass ich an einer Veröffentlichung arbeiten muss.

Über meine neue EP „Young Hate“: Meine allererste EP. Der konzeptionelle und visuelle Ansatz, den ich mir als Grafikerin angeeignet habe, schlägt sich hier auch klanglich nieder. Man hört der EP ihren experimentellen Ursprung an.

Meine Einflüsse und Inspirationen: Ich höre sehr viel experimentelle elektronische Musik. Ich liebe aber auch rauen, ruppigen Art-Rock und Art-Pop.

Mein Lieblingsgear: Gitarren, Keyboards & Co.: Ich habe viel versucht, aber Musikinstrumente haben mich nie gereizt. Ich wollte einfach nur Musik machen, und da ich als Designerin bzw. Digitalkünstlerin mit Software vertraut war, war Ableton Live quasi eine große Erleichterung für mich. Endlich konnte ich selbst musikalisch aktiv werden.

Mein schönstes Künstlerinnenerlebnis: Ein bisschen kitschig, aber sehr süß: Bei einem Studentenaustausch in Frankreich saß ich auf den Stufen der Sacré-Cœur und beobachtete einen Straßenmusiker. Ich erinnere mich, dass ich einfach nur auf die Stadt schaute und extreme Glückseligkeit und Stille empfand, eine starke Verbindung zur Musik spürte, als wäre es etwas, das sich richtig anfühlte.

Mein schlimmstes Künstlerinnenerlebnis: Vermutlich die Enttäuschung über die Veröffentlichung von neuem Material. Niemand hat mich darauf vorbereitet – ich hatte erwartet, dass das Releasen von Musik eine schöne, kathartische Zeit sein würde. Ich möchte nicht undankbar sein, aber irgendwie fühlt es sich manchmal deprimierend an (lacht).

Meine Vorsätze für 2023: Ich möchte täglich an meinem Körper und meinem Geist arbeiten. Wenn viel los ist, neige ich dazu, das zu vernachlässigen.

„Young Hate“ ist am 2. Dezember vergangenen Jahres via Accidental Records erschienen.

www.sijya.com

Vitess

Der Pariser hat sich im Nu zu einem der angesagtesten Acts in der House- und Minimalszene gemausert. Seine Releases auf Up The Stuss, Shall Not Fade und seinem eigenen Label Retro Futura Records sprechen für die Qualität des Franzosen.

Meine Anfänge: Ich habe 2017 angefangen, Musik zu produzieren und zu veröffentlichen und 2018 live aufzutreten, als ich bei der Chevry Agency unterschrieben habe. Von da an ging alles ziemlich schnell, mit einigen großartigen Auftritten in ganz Europa und einer Nord- und Südamerika-Tournee in diesem Jahr. Mit der Veröffentlichung meines ersten Albums habe ich auch mein eigenes Imprint, Retro Futura, ins Leben gerufen. Ich hatte außerdem so viele tolle Shows und Auftritte, wie etwa om After Caposile, auf dem Delta Festival in Marseille und im Cabaret Sauvage in Paris vor ein paar Monaten.

Über meine neue EP „Flight Recorder“: Diese EP auf Locus ist nicht die Art von House, die ich normalerweise produziere, wenn ich im Moment im Studio arbeite. Allerdings hatte ich in den letzten Monaten ein starkes Interesse an der UK/Deep-Tech-Stimmung, so dass ich mich gefreut habe, in diesen Vibe zu kommen und diese EP zu machen, indem ich versucht habe, all diese Inspirationen und Einflüsse zu mischen.

Meine Einflüsse und Inspirationen: In meinem täglichen Leben höre ich keinen House oder Techno mehr, also lasse ich mich von allem inspirieren, was ich hören kann. Aber ich lasse mich auch von all den großartigen Künstler*innen und DJs inspirieren, die ich auf meinen Partys hören kann, also würde ich sagen, dass es eine Mischung aus diesen beiden Inspirationsquellen ist.

Mein Lieblingsgear: Rob-Papen-Plug-ins und der SPD SX.

Mein schönstes Künstlererlebnis: Die Gründung meines Labels und das Release meines Albums „Cyber Zone“. Es war harte Arbeit, aber ich bin so glücklich und stolz auf diese Leistung.

Mein schlimmstes Künstlererlebnis: Die Corona-Pandemie. Sie gab mir allerdings die Möglichkeit, mich vollständig auf das Produzieren von Musik zu konzentrieren. Eine Chance, die ich genutzt habe.

Meine Wünsche für 2023: „Schneller“ sein.

„Flight Recorder“ ist am 18. November 2022 via Locus erschienen.

 

Aus dem FAZEmag 131/01.2023