Four To The Floor: Melawati, Sylvie Maziarz, Money Lang und Gabriella Vergilov

Wir starten eine weitere Ausgabe „Four To The Floor“ und richten unseren Fokus auf vier Künstler und Künstlerinnen, die ihr definitiv im Blick haben solltet. Los geht’s!

Melawati

Der mit Indie-Musik sozialisierte Belgier Melawati gilt als großer Bewunderer des legendären Aphex Twin und liebt es, mit komplexen Klangwellen zu improvisieren und experimentieren. Jüngst hat Melawati sein beeindruckendes Debütalbum „Artimia“ auf Maceo Plex‘ Ellum Audio abgeliefert.

Meine Anfänge: Ich wuchs quasi in einem Studio auf und immer, wenn jemand den Regieraum unbeaufsichtigt ließ, schlich ich mich hinein und nahm Songs auf. Jahre später entdeckte ich modulare Synthesizer und erstellte ein Online-Tagebuch für meine Experimente. Dann kam irgendwann eine SMS von Maceo Plex, der mich fragte, ob ich ihm einen der Tracks zuschicken könnte. Das war die Geburtsstunde von Melawati.

Über meine neue LP „Artimia“: Vor einigen Jahren ging es mir gesundheitlich sehr schlecht. Mein Herz blieb für einige Sekunden stehen und fing dann wieder an zu schlagen. Das machte mich ziemlich ängstlich und ich suchte nach einer Ablenkung, die ich schließlich im Synthesizer-Jamming fand. Ich habe alles aufgenommen, und lange Zeit war es schwer, sich diese Bänder anzuhören. Sie brachten den Stress von damals zurück (jetzt ist alles wieder gut). Aber mit der Zeit und aufgrund der Pandemie erinnerte mich das Anhören auch daran, wie ich dies überstanden hatte. Daran, wie das Jamming mir geholfen hat und wie therapeutisch es war. So entstand „Artimia“.

Meine Einflüsse und Inspirationen: Ich liebe Künstler*innen, die ihr eigenes Klanguniversum aufbauen, voller Vibes und Sounds, die so typisch für sie sind, dass sie fast zu einem eigenen Genre werden. Amon Tobin, Four Tet oder Burial zum Beispiel.

Mein schönstes Erlebnis als Künstler: Acht Stunden Autofahrt von Brüssel nach Berlin. Die Synthesizer auf dem Rücksitz. Ich komme im Club an, kaputt und müde von der Fahrt. Ein Blick in die Menge: Sie hat Bock. 20 Minuten später hüpfe und schwitze ich und spiele meine beste Show aller Zeiten.

Mein schlimmstes Erlebnis als Künstler: 2015 in Frankreich. Wir hatten einen Auftritt und bekamen kurz vor dem Gig die Nachricht, das „etwas“ (die Terroranschläge) im Bataclan in Paris passiert war. Ich konnte sehen, wie sich die Nachricht langsam in der Menge verbreitete, während wir spielten, und die Stimmung wurde richtig komisch …

Sylvie Maziarz

Bereits im zarten Alter von 14 Jahren begann Sylvie Maziarz, Melodien und Rhythmen aufzunehmen. Mittlerweile ist sie eine aufstrebende Hard-Techno-Produzentin, die Releases auf Second State, Flash Recordings, Suara und vielen weiteren etablierten Labels verzeichnen kann. Am 14. Oktober ist ihr Remix zu Komfortrauschens „Reload“ auf Springstoff erschienen.

Meine Anfänge: Mit 14 Jahren habe ich – inspiriert von einem Freund – meine ersten Ableton-Gehversuche gemacht und war sofort hooked. Wenig später brachte ich mir dann auch das Auflegen bei – erst mit dem Laptop, dann mit Vinyl. Ich war noch sehr jung, etwa 16 Jahre, und konnte mir die teuren Plattenspieler nicht leisten, also nahm ich einen Job an und arbeitete, bis ich das Geld für die Player und Vinyls hatte.

Über meinen neuen Komfortrauschen-Remix: Ich war schon immer ein großer Fan von Acid-Synths und wollte gleichzeitig dem Sound des Originals treu bleiben. Also habe ich einen sehr kraftvollen Acid-Remix gemacht, perfekt für den Dancefloor. Er wird definitiv beim diesjährigen ADE zum Einsatz kommen.

Meine Einflüsse und Inspirationen: Starke Frauen in der Musikindustrie, wie Rebekah oder Ellen Allien.

Mein schönstes Erlebnis als Künstlerin: Erst letzte Woche bin ich von meiner Südamerika-Tour zurückgekommen – es war großartig. Verglichen mit der Berliner Szene sind das zwei Welten. In Chile und Kolumbien haben sie nicht oft internationale DJs zu Gast, also ist es wirklich etwas Besonderes für sie und die Menge ist unglaublich dankbar, energiegeladen und motiviert.

Mein schlimmstes Erlebnis als Künstlerin: Das war vor einigen Jahren bei einem kleinen Festival in Litauen. Absolutes Chaos: Der Transfer vom Flughafen verzögerte sich und ich hatte kein Netz, um den Veranstalter anzurufen. Während meines Sets funktionierten dann die CDJs nicht und konnten meine USB-Sticks nicht lesen.

Foto: Kasia Zacharko

Money Lang

Dario Tronchin alias Money Lang sitzt definitiv auf einem aufsteigenden Ast. Zu verdanken hat er dies seinen exzellenten Producer-Fähigkeiten, von denen er Gebrauch macht, um Elemente des French Touch und des Avant-Pop zu einer spielerischen Klangmelange zusammenzufügen. Mit seiner EP „$22“ kehrt er nun auf Gabber Eleganzas Never Sleep zurück.

Meine Anfänge: Als Jugendlicher sah ich zum ersten Mal einen Plattenspieler und ein Mischpult. Schnell wollte ich mehr wissen und DJ werden. Auf einem alten Mac produzierte ich dann meine ersten Tracks und begann, auf Partys aufzulegen. Seit 2013 bin ich mittlerweile in der Szene aktiv und nun, nach fast zehn Jahren, verschiedenen Projekten und Labels, habe ich mit dem Money-Lang-Projekt das gemacht, was mir am meisten Selbstvertrauen und Freude bereitet.

Über meine neue EP „$22“: Ich habe mit den Aufnahmen in Berlin begonnen, dann die Songs in meiner Heimatstadt abgemischt und bin viel hin und her gereist, bis sie fertig waren. Das Artwork hat eine Ewigkeit gedauert, aber ich bin sehr froh über das Resultat.

Meine Einflüsse und Inspirationen: Das Leben und persönliche Erfahrungen im Allgemeinen. Wenn es um Artists geht, dann: Gabber Eleganza, Mark Fell, Mark Leckey, Evian Christ, HudMo, Rustie und Calvin Harris.

Mein schönstes Erlebnis als Künstler: Vermutlich mein Auftritt beim Atonal Festival im Jahre 2018.

Mein schlimmstes Erlebnis als Künstler: Es gab einige Momente, wo der Dancefloor gesäubert wurde oder es sich unangenehm anfühlte, nach einem bestimmten Act zu spielen.

Gabriella Vergilov

Die bulgarische und in Kopenhagen wohnhafte Gabriella Vergilov ist in ihrem Heimatland ein echter Star. Ihre eigenwillige Auffassung von elektronischer Musik zeichnet sich durch eine außergewöhnliche Energie und eine unverwechselbare Finesse aus, die sie in ihren dynamischen und deepen Techno-Produktionen zum Ausdruck bringt. Vor Kurzem hat Vergilov ihr neues Label GAMA gegründet.

Meine Anfänge: In Sofia kam ich schon früh mit Techno in Kontakt. Den echten Underground-Sound habe ich aber erst in Kopenhagen kennengelernt, wo ich mittlerweile seit 13 Jahren wohne. Meine Freunde drängten mich damals zum Auflegen, denn ich hatte scheinbar Talent. Mein erstes Angebot für einen richtigen Club-Gig war in der Culture Box in Kopenhagen mit Ben Klock auf dem Line-up. Ich lehnte ab, weil ich mich nicht bereit fühlte. Es sollte mein letztes „Nein“ gewesen sein …

Über mein neues Label: GAMA ist mein Raum und mein Vermächtnis, in dem ich Musik jenseits jeglicher Kategorisierung veröffentlichen werde. Meine DJ-Sets sind von Techno geprägt, und ich lasse mich auch im Studio davon inspirieren. Aber wenn es um Produktionen geht, setze ich musikalische Einflüsse aus verschiedenen Ecken und Epochen.

Meine Einflüsse und Inspirationen: Die extreme Leidenschaft meines Vaters für die Musik in Kombination mit dem Drang meiner Mutter nach Perfektionismus haben mich zu der Künstlerin gemacht, die ich heute bin. Inspirationen: Jeff Mills, DVS1, Laurent Garnier, Robert Hood, Ben Klock und viele mehr.

Mein schönstes Erlebnis als Künstlerin: Schön, aber auch ein bisschen traurig: Eine meiner treuesten bulgarischen Fans hat ihren Job in Holland gekündigt, um sich letztes Jahr mein Boiler-Room-Konzert in Sofia ansehen zu können.

Mein schlimmstes Erlebnis als Künstlerin: Eines von vielen Beispielen. Der Promoter unterbricht mich in den ersten 15 Minuten meines Auftritts fünfmal und sagt zu mir: „Babe, kannst du ein Ibiza-Set spielen?“ Ich sah ihn an und sagte: „Du hast Gabriella gebucht, du bekommst ein Gabriella-Set“. Ich habe noch nicht auf Ibiza gespielt und wenn ich es endlich tue, werde ich immer noch das spielen, was ich spiele. Vielleicht schicke ich ihm auch eine Einladung.

Aus dem FAZEmag 129/11.2022