GoGo Penguin – Mit aller Kraft gegen die Resignation

Foto: Emily Dennison

Anfang 2020: Die frohe, heile Welt des genreübergreifenden UK-Piano-Trios GoGo Penguin droht wie ein Kartenhaus zusammenzubrechen. Die Moral der Gruppe, durch Lockdown, private Tragödien und interne Spannungen inklusive Trennung vom Bandmitglied Rob Turner in Mitleidenschaft gezogen, schien nahezu irreparabel beschädigt. Nick Blacka und Chris Illingworth fassten sich jedoch ein Herz und sagten den Dämonen, die bedrohlich über GoGo Penguin kreisten, den Kampf an: „Everything Is Going To Be OK“. Diese auf den ersten Blick simple Floskel wurde nicht nur zum Titel des neuen Albums, sondern auch zum Sinnbild eines gemeinsamen Neuanfangs gekürt, der mittlerweile Hand und Fuß hat und auch dank des neuen Drummers Jon Scott reife Früchte trägt. GoGo Penguin sind zurück – in neuer Konstellation, mit frischer Inspiration und einer ungebrochenen emotionalen Stärke. Wir haben mit Nick Blacka gesprochen.

Hallo, Nick. Ihr blickt auf eine sehr turbulente Zeit zurück, in der das Projekt GoGo Penguin buchstäblich vor dem Aus stand. Auch wenn du wahrscheinlich nicht gerne darüber sprichst: Kannst du noch einmal zusammenfassen, was innerhalb der Band passiert ist?

Die Schwierigkeit besteht nicht so sehr darin, darüber zu sprechen, sondern zu versuchen, es zu rekapitulieren. Die Wahrheit ist immer komplex und der Versuch, eine einfache Antwort auf eine solche Frage zu geben, wäre zu kurz gegriffen. Ich vermute, dass jede Art von Beziehung mit der Zeit aus den gleichen oder ähnlichen Gründen zerbricht. Bis zu jenem Zeitpunkt spielte Rob eine große Rolle in meinem Leben, vor allem musikalisch. Idealerweise wäre es anders ausgegangen, aber das Leben ist oft alles andere als ideal.

Abseits der Band-internen Diskrepanzen gab es zusätzliche Ereignisse, die euch emotional stark zusetzten: Todesfälle im privaten Umfeld und der Corona-Lockdown sind an dieser Stelle wohl besonders hervorzuheben. Wie spiegeln sich all diese Umstände auf dem neuen Album wider? Ist der Titel der LP ein Fingerzeig auf diese schwierige Zeit?

In gewisser Weise ist er das, ja. Der Titel kam zustande, weil er auf einem Aufkleber stand, den unser alter Tontechniker Jack eines Tages auf unser gesamtes Equipment klebte. Ich habe den Aufkleber immer noch auf meinem Bassverstärker. Ursprünglich war es nur ein Arbeitstitel für das Album, aber mit der Zeit bekam er eine eigene Bedeutung und fühlte sich sehr treffend an. Ich denke, der Titel steht für Hoffnung. Nach allem, was wir in den letzten drei Jahren durchgemacht haben, ist es dieses Gefühl, dass Chris und ich uns gegenseitig haben, das uns stärkt. Es war definitiv die schwierigste Zeit meines Lebens. Ich habe geliebte Menschen verloren, und die Welt machte eine unglaublich turbulente Zeit durch. Aber wir sind immer noch hier und machen unser Ding.

Wie habt ihr es geschafft, neue Stabilität zu gewinnen? Woraus konntet ihr Kraft schöpfen?

Nachdem Rob gegangen war, wussten wir etwa eine Woche lang nicht, ob wir weitermachen würden. Ich dachte, dass Chris und ich wahrscheinlich ein neues Projekt starten würden, aber selbst das war zu diesem Zeitpunkt ungewiss. Nachdem wir uns entschlossen hatten, als GoGo Penguin weiterzumachen, begannen wir, gemeinsam ein paar Ideen auszuprobieren, bevor wir uns auf die Suche nach einem neuen Schlagzeuger machten. Ich glaube, als wir anfingen, an den Ideen zu arbeiten (aus denen schließlich unsere EP „Between Two Waves“ werden sollte), schöpften wir Kraft und neue Energie fürs Musikmachen.

Sprechen wir doch direkt einmal über euren neuen Schlagzeuger: Jon Scott. Woher kennt ihr euch? Was zeichnet ihn aus?

Ich kannte Jon, weil wir vor vielen Jahren ein paar Gigs zusammengespielt haben. Damals lebte er in Leeds, war aber dabei, nach London zu ziehen, um an der Guildhall School of Music and Drama zu studieren. Ich erinnere mich, dass mir sein Spiel sehr gut gefiel. Seither haben wir uns immer wieder sporadisch getroffen, als wir auf verschiedenen Jazzfestivals auftraten. Matthew Halsall, der Trompeter aus Manchester, empfahl ihn uns ebenfalls. Ich schickte Chris einige Videos von seinen Auftritten und da es ihm gefiel, luden wir Jon zu einem Konzert ein. Wir spielten drei Stücke zusammen, tranken ein paar Bier, aßen eine Pizza und beschlossen, dass er der Richtige für den Job ist. Jon hat ein großartiges Gespür, hört allen sehr gut zu und hat einen wirklich tollen Sound am Schlagzeug. Er ist gut darin, genau die richtigen Klänge zu finden, die eine Melodie braucht. Ich merke, dass er der Band neues Leben einhaucht. Wir sind im letzten Jahr eine viel geschlossenere Gruppe geworden.

Das Label XXIM, auf dem das Album erscheint, spielt ebenfalls eine wichtige Rolle für die „Wiederauferstehung“ eurer Band, oder?

Nach drei Alben und drei EPs bei Blue Note hatten wir das Gefühl, dass wir eine Veränderung brauchten. Wir sprachen mit Alexander Buhr von XXIM Records und hatten sofort ein gutes Gefühl. Das Label war gerade am Anfang, aber wir mochten seine Ehrlichkeit und Integrität und dachten, es würde gut zu uns passen. Alexander hat auch nach Robs Austritt zu uns gehalten, was sicher nicht leicht für ihn war, aber er hat uns sein Vertrauen geschenkt. Das Label konzentriert sich auf instrumentale Neo-Klassik, Post-Rock, Elektronik und Ambient-Musik und ist kein reines Jazz-Label. Es hat seinen Sitz in Berlin und es ist wirklich schön, ein Team in Deutschland zu haben.

Lass uns über eure Musik sprechen. Ihr habt schon immer verschiedene Genres erforscht und miteinander verschmolzen. Ist „Everything Is Going To Be Ok“ ein weiterer Schritt in Richtung dieser Diversifizierung? Welche neuen Gefilde habt ihr während der Produktion des Albums erforscht?

Wir haben für dieses Album mehr Synthesizer eingesetzt, um uns neue klangliche Möglichkeiten zu schaffen. Das ist etwas, das Chris schon immer interessiert hat, aber es ist das erste Mal, dass wir einige dieser Sounds wirklich genauer erforschen konnten. Ich habe auch einen Moog-Grandmother-Synthesizer gekauft, den ich auf dem ersten Stück der Platte, „You’re Stronger Than You Think“, spiele. Ich denke, wir haben es geschafft, verschiedene neue Aspekte zu beleuchten, die uns zwar schon immer interessiert haben, aber nie genauer in Betracht gezogen werden konnten. Der Track „Friday Film Special“ beispielsweise hat diesen nostalgischen Vibe von Hip-Hop-inspirierter Musik, die wir in den 90ern gehört haben. Es ist auch schön, bei einigen Tracks auf dieser Platte die Bassgitarre zu spielen.

Die Lockdowns sind Geschichte, ihr habt wieder neue Freude am Musikmachen gefunden, und am 14. April erscheint auch schon euer neues Album. An 2023 gibt es aus subjektiver Sicht bisher nicht viel zu meckern, oder?

Das stimmt. Es sind noch einige Neujahrsvorsätze in Arbeit (ich möchte wieder mehr lesen), aber ansonsten bin ich gut zufrieden. Ich hoffe, dass meine Liebsten gesund bleiben und dass die Leute das neue Album mit derselben Leidenschaft hören, mit der wir es auch produziert haben.

Im April und Mai geht ihr auf große USA- und Kanada-Tour. Freut ihr euch hierbei auf etwas Besonderes? Wie sieht es im Sommer aus? Spielt ihr auf großen Festivals?

Wir touren immer gerne durch Nordamerika. Letztes Jahr haben wir es geschafft, nach Kanada zurückzukehren, aber unsere letzten Auftritte in den USA sind schon eine Weile her. Im Sommer stehen einige tolle Festivals an, mit besonderer Vorfreude blicken wir jedoch dem Fuji Rock Festival in Japan entgegen.

„Everything Is Going To Be Ok“ erscheint am 14. April via XXIM Records.

Aus dem FAZEmag 134/04.2023
Text: Hugo Slawien
Foto: Emily Dennison
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