Gold Panda – Im goldenen Schnitt

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Irgendwo in Japan. Das orangegoldene Licht der tiefstehenden Sonne gleitet durch die Windschutzscheibe des Taxis, aus dem ein junger Brite und seine Begleiterin steigen. Er ist Musiker, sie Fotografin. „Good luck and do your best“, sagt der Fahrer zum Abschied. Noch steht kein Beat, keine Melodie, aber es ist klar, dass der Engländer die Abschiedsformel als Titel seines nächsten von dieser Reise inspirierten Albums verwenden wird. So weit, so kitschig. So weit, so postmodern mythisch. So weit, so die Einstiegsszene in eine amerikanisch-britisch-französische Film-Produktion. Klingt erfunden, ist es aber nur halb. Oder sogar nur zu einem Drittel.

Über die Farbe und den Stand der Sonne zur Zeit dieser Begebenheit wissen wir nichts. Nennen wir es mal dichterische Freiheit. Und es handelt sich auch nicht um einen Film. Der Rest aber ist Tatsache. Fakt ist, dass der Mann Derwin Schlecker heißt – besser bekannt als Gold Panda – und die Frau Laura Lewis. Vor zwei Jahren reisten die beiden Künstler nach Japan. Derwin, der dort schon öfter und länger unterwegs war, gelebt hat und sogar japanisch spricht, wollte Field Recordings aufnehmen und das Ganze fotografisch von Laura dokumentieren lassen. Nach einer Taxifahrt wurden die beiden Reisenden mit den Worten entlassen: „ganbatte, kudasai“. Diese japanische Redensart kann grob übersetzt „do your best“ oder auch „good luck“ bedeuten – Schicksal und freier Wille treffen aufeinander.
Derwin hat sicherlich Glück gehabt, dass er nach einigen Umwegen, Jobs in Platten- und Pornoläden, mit seiner Musik den Sprung geschafft hat. Zugleich hat er immer sein Bestes gegeben. So auch in das neue Album, das mit Sicherheit ein Meilenstein auf seinem Weg ist. Auf der dritten Gold-Panda-Platte „Good Luck And Do Your Best“ brilliert er mit elf neuen Tracks, die durchweg diesen besonderen milden goldenen Glow ausstrahlen, der zu bestimmten Zeiten über dem Land der Mitte schwebt.

„In Japan liegt so ein Filter über den Sachen“, sagt Derwin, der nach dem Aufenthalt mit Laura, mit all den Eindrücken im Gepäck, das Album letztendlich in seinem Studio zu Hause bei seiner Großmutter in Chelmsford, Essex aufgenommen hat. Abgemischt wurde es dann von Luke Abbott. „Nicht nur die Musik hat mich begeistert. Ich habe den gesamten Aufenthalt im Land sehr genossen und war sehr inspiriert neue Stücke zu schreiben, als ich wieder zu Hause war“, erzählt Derwin. „Ich sollte vielleicht mal Musik in Japan selbst produzieren, aber irgendwie kommt es nie dazu, denn ich betrachte die Zeit, die ich dort verbringe, als eine Art Auszeit, in der ich keine Musik mache. Ich beherrsche die japanische Sprache. Wenn ich also dort bin, beschäftige ich mich mit anderen Dingen und versuche, meine Sprachkenntnisse weiter zu verbessern.“
Der Einfluss des Landes ist trotz der Distanz deutlich herauszuhören, obwohl am Schluss nur wenig von der Masse an Field Recordings ins Album eingegangen ist. „Ursprünglich hatte ich vor, ein Buch daraus zu machen, dem eine Sammlung von klanglichen Eindrücken aus Japan in Form von Field Recordings beiliegt. Aber als ich mir das Material noch mal anhörte, habe ich die Aufnahmen der Sicherheitsdurchsage im Flugzeug und des TV-Brummens im Kopfhörer an Bord für das Stück ‚Metal Bird‘ auf dem neuen Album verwendet. Auf dem Stück ‚Song For A Dead Friend‘ hört man ebenfalls einige davon“, resümiert Derwin. „Ich habe so unglaublich viele Field Recordings gemacht, dass ich gar nicht mehr wusste, was ich da eigentlich alles aufnehme. Aber als ich zurückkam, erkannte ich bestimmte thematische Zusammenhänge. Es gab bestimmte Arten von Klängen, die immer wieder in ähnlicher Form auftauchten. Ich hoffe, dass ich daraus noch etwas anderes erschaffen kann. Wir werden sehen.“ Man merkt in Derwins Aussagen, was auch die gesamte Platte transportiert: eine positive Aufbruchstimmung, frei von Hast und Eile. Durch die Sounds, die er ausgewählt hat, „klingt das Album nicht so futuristisch wie andere elektronische Platten“, so auch sein eigener Eindruck. Eine Rolle spielt auch, dass er immer noch alte Vinyl-Platten nutzt, um an Soundmaterial zu kommen, das er dann anschließend übereinanderschichtet oder in der Tonhöhe verändert. „Ich mag Piano-Samples, weil sie sehr warm klingen. Man hört die Wärme und das Knistern der Platten, von denen sie stammen. Wenn man diese Samples dann nachträglich in eine tiefere Tonlage überführt, fangen sie an zu glühen und zu leuchten. So entsteht sehr viel Wärme.“ Unter diesem goldenen Filter entfalten sich auf der neuen LP detailverliebte Arrangements, von asiatisch angehauchten Mustern getragen, umwoben oder besprenkelt von filigranen Klangornamenten, die oft in langgezogene Loops gespannt sind, bis der erlösende Wechsel kommt – ein Album im goldenen Schnitt.

Der allgemeinen Düsternis elektronischer Musik ist Gold Panda bewusst mit Fröhlichkeit begegnet, was auch aus den Impulsen Japans resultiert: „Zuerst fand ich es kitschig, ein gut gelauntes Pop-Album zu produzieren, aber es hat wunderbar funktioniert. Die Musik auf dieser Platte klingt sehr positiv und fröhlich. In Japan versuchen die Leute stets, ihre Arbeit sehr gut zu erledigen. Auch wenn sie ihre Jobs hassen, geben sie sich richtig Mühe. Das würden Briten wohl nicht tun. Auf dem Cover des Albums sieht man einen Typen, der eigentlich ein Sicherheitsmann ist. Aber er hat scheinbar zwischen den Pflanzen ein Stück Müll entdeckt. Er schaut auf den Boden und hebt es auf. In London würde das kein Sicherheitsmann machen. Jemand anderes wäre für den Müll zuständig. Diese Arbeitseinstellung der Leute hat mich sehr inspiriert.“ Anfangs habe er sich dennoch geschämt, ein positives Album zu produzieren, sei doch gerade die elektronische Musik durch einen gewissen dunklen Ansatz erst interessant geworden. Doch dann fügte sich alles. „Ich wollte mich einfach verbessern. Schließlich habe ich diesen tollen Job. Ich mache Musik und spiele sie Menschen vor. Warum sollte man diese Tatsache nicht einfach viel positiver betrachten“, fasst Derwin seine Gedanken zusammen und gibt zu: „Eigentlich bin ich ein sehr negativer Typ, den viele Dinge deprimieren. Das passiert sehr schnell, zum Beispiel wenn ich sehr gestresst bin.“ Am besten legt Derwin in solchen Situationen sein neues Album in den CD-Player seines Autos, wo er bevorzugt Musik hört und dem er das Stück „In My Car“ gewidmet hat.

Aus dem FAZEmag 054
Text: Csilla Letay
Foto: www.lauralewisphotography.co.uk