Gotec – Nächte, die niemals enden sollen

Hallo, Andy, super, dass du dir Zeit nimmst für ein Interview. Plaudere doch gerne ein bisschen aus dem Nähkästchen, was deine berufliche Laufbahn so angeht und wie du zum Gotec Club gekommen bist als Geschäftsführer und inzwischen Teilhaber.

In der Zeit vor meinem Vollzeiteinstieg in die Veranstaltungsbranche war ich im Qualitätsmanagement tätig. Ich versuche, meinen weiteren Werdegang mit einer Kurzfassung näherzubringen: Über eine Schnapsidee mit einem meiner besten Freunde Thorsten R. (Rheingrün & Sommertag-Festival-Owner) haben wir eine erfolgreiche Veranstaltungsreihe im Gotec Club gestartet.
Nach einer tollen Zeit wurde ich dann auch in die Festivals als Booker und Marketing Director installiert. Damals war ich dem Spirit dieser Branche und Szene schon verfallen. Für mich ist das Träumen und Streben nach dem perfekten Event ein Genuss und erfüllt mich sehr. Ich vergesse da schnell, wie viel Zeit und Anstrengungen dabei aufgewendet werden. Als dann der Inhaber des Clubs (Wolle) mir das Angebot und die Verantwortung für das Gotec anbot, erfüllte sich ein lang ersehnter Traum. Ich stieg in Vollzeit ein und konnte meine Visionen gemeinsam mit dem Team und mit Freunden umsetzen.
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Wie habt ihr als Club-Institution die Corona-Pandemie überwunden und welche sichtbaren Spuren hinterließ das Ganze in eurer Venue?

Nach unserem großen Umbau Ende 2019 kam Anfang 2020 die Pandemieschließung. Nach kurzer Schockstarre mussten wir natürlich nach der großen Umbau-Investition kreativ sein und Wege des Cashflows suchen, um zu überleben. Unser Team verlor tragende Säulen, aber das öffnete die Tür für neue Gesichter. Viele Gäste, Unterstützer und Sponsoren standen uns in dieser schweren Zeit zur Seite. Da waren auch sehr emotionale Tage/Nächte dabei, wie (denke ich) bei jedem von uns. Wir haben die Zeit auch genutzt, um weiter an Club, Konzept und Programm zu arbeiten, da keiner wirklich wusste, wann es wieder losgeht. Deshalb mussten wir ins Ungewisse planen. Das war die größte Herausforderung. Wir haben dennoch nie daran gezweifelt zurückzukommen. Wenn negative Vibes von außen kamen, haben wir uns immer wieder selbst Mut zugeredet.

„Nach“ der Pandemie dann das große Re-Opening: Welche Events habt ihr gegenwärtig und in naher Zukunft so am Start?

Nach der Pandemie ging es eingeschränkt, aber sehr furios los. Wir hatten einen sehr großen Zulauf von außerhalb, der bis heute anhält. Dafür sind wir sehr dankbar. Hieran hat natürlich unser Programm sehr großen Anteil. Die Nächte fühlten sich lebendiger an als je zuvor. Und man spürte, dass die Gäste ausgehungert waren nach Nächstenliebe und Nachtleben. Wir bleiben auch weiterhin unserem Konzept und unserer Programmlinie treu, und auch wenn wir aktuell in der „Sommerpause“ sind, schauen wir sehr fokussiert auf das letzte Quartal – was, denke ich, nochmals die Krönung des Jahres sein wird. Aber hierzu möchte ich nicht zu viel verraten.

Congratulations. Der Gotec Club hat es auch dieses Jahr wieder in die Top 20 der besten Clubs des Landes geschafft. Euer Engagement der Fanbase gegenüber hat sich also definitiv bezahlt gemacht! 

Das hat unser ganzes Team sehr gefreut und natürlich hat uns das auch stolz gemacht, dass unsere Arbeit und Leidenschaft wahrgenommen werden. So etwas geht natürlich nur im Kollektiv. Der Gast ist hierzu natürlich der Schlüssel, denn wir können nur den Raum und den Rahmen der Nacht schaffen, der Gast füllt diese am Ende mit Leben.

Ich hatte bereits online auf unserer Website darüber berichtet: Ihr wart auch Veranstalter des Hasardeur Festivals. Zieh doch gerne mal eine Bilanz – welche Location wurde bespielt, welche Acts waren gebucht und worin unterscheidet sich das Event zu anderen Open-Airs?

Ich denke, jede Veranstalter*in ist gewissermaßen eine Träumer*in, er oder sie geht seine Visionen immer wieder im Kopfkino durch. Das Hasardeur war eines unserer lang ersehnten Träume, zu diesem instabilen Zeitpunkt Corona-bedingt natürlich sehr riskant. Aber das Team war von unserem Projekt überzeugt.
Mit IHM, Dax J, Hector Oaks, SPFDJ, Charlie Sparks, Parfait, D. Dan & Cera Khin hatten wir unser Wunsch-Line-up auch zusammen. Als Krönung kam dann mit dem Autoschrottplatz (Autoböhler) die perfekte und einzigartige Location hinzu. Ich denke, dass wir auch mit dem Line-up den Nagel der aktuellen Zeit getroffen haben. Das Hasardeur Festival trägt einen sehr eigenen Spirit mit sich. In dieser Location bekommt der Gast schon das Gefühl und die Message eines Hexenkessels. Der Sound hat durch die hohen Mauern einen gigantischen Klang, die Basswellen sind spürbarer für Körper und Geist. Ein spezieller Vibe wird natürlich durch das von uns angesprochene Publikum verbreitet. Hier haben die Künstler*innen die Chance, den Kessel zum Brennen zu bringen. „It’s hard to put it into words, you have to experience it!“

Am gleichen Tag – dem 25. Juni dieses Jahres – habt ihr das Außengelände eures Clubs zu einer Off-Location umfunktioniert. Das Opening war eine Woche zuvor. Was wurde dort so geboten und wird die Kulisse weiterhin über den ganzen Sommer bespielt?

Bei unserem Außenbereich wollten wir den heißen Sommertagen entgegenwirken und ein Areal schaffen, in dem die Gäste auch mal vom Clubinnenleben relaxen können. Zu der perfekten Nacht gehört natürlich das Feiern in den Mittelpunkt gestellt, aber abgerundet wird das auch durch gute Gespräche und neue Bekanntschaften. Dafür ist das Areal perfekt. Beim Soft-Opening haben wir es ruhig angehen lassen, da wir 300 geladene Gäste vor Ort hatten und die Kommunikation und das Beschnuppern der Area im Vordergrund standen. Emanuel Satie hat uns dann aber dennoch am Ende alle zum Tanzsport gebracht und eine lange, gelungene Nacht vergoldet. Die Area ist natürlich nun bei gewissen Events eingebunden und wir starten auch schon nachmittags, wenn es das Wetter zulässt.

Und noch ein Event. Fleißig, fleißig. Ihr steckt gerade mitten in den Vorbereitungen zum Rheingrün Open Air. Das steigt am 17. September und wird das größte in seiner bisher neunjährigen Historie sein. Kannst du uns hier schon etwas zum Programm, Line-up und zum Areal erzählen?

Viel Zeit um, durchzuatmen haben wir nicht, nein! Aber ich denke, wir alle hatten genug Zeit, uns auszuruhen. Das Rheingrün hat sich über die Jahre stetig gut entwickelt. Es ist das Open-Air, das sozusagen die Festivalsaison im Süden schließt. Dieses Jahr wollten wir mit unserem Team einen draufsetzen. Nach so langer Abstinenz wollten wir uns selbst sagen ,,Jetzt erst recht“. Mit sieben internationalen Headlinern (Klangkünstler, SNTS, Regal, Somewhen, Clara Cuve, Stev Mendesidis & Afem Syko) sind wir auch mit Nachwuchskünstler*inen wie Egotot, Phil Berg, Johannes Schuster, Medea & Nikolina bewaffnet. Unsere regionalen Talente Nastaran, Villa & Blush runden diesen Tag ab und machen ihn stimmig. Ein Day & Night Rave, 21 Stunden Techno. Da bekomme ich jetzt schon wieder Gänsehaut! Die Location ist das Rheinstrandbad Karlsruhe, wie der Name schon sagt, direkt am schönen Rhein, für die Aftershow geht es in den benachbarten Gotec Club.

Besonders spannend: Auch wir vom FAZEmag arbeiten ja intensiv mit dem Kölner Bootshaus zusammen. Und ihr und der Club habt eine Koop für das Rheingrün Open Air im Rahmen der UNREAL-Eventreihe. Wie kam es denn zur Zusammenarbeit und wie muss man sich ein externes Floor Hosting bei euch so vorstellen in Sachen Ablauf?

​​Da ich zur Handygeneration gehöre, stieß ich auf ein Video der Unreal im Bootshaus. Es hat irgendwie direkt einen Vibe gehabt und ich dachte, ich tausche mich doch mal mit den Jungs und Mädels aus. Die Liebe zum Detail und die Intensität, die dort übermittelt wird, ist ein Ausrufezeichen der besonderen Art. Als ich mit Paul und Björn vom Unreal-Team in Kontakt getreten bin, habe ich sie zu mir nach Karlsruhe eingeladen. Nach einer Clubbesichtigung und badischen Maultaschen hatten wir ein gutes Gespräch und uns auf eine Kooperation geeinigt. Für den Club als reine Unreal und für das Rheingrün Open Air als Floor-Hosting auf der Aftershow. Da wird der südbadische Raum eine Eventreihe dazubekommen, die jeder Techno-Fan einatmen muss!​​​ Das Team von Unreal sprudelt ja vor Ideen, ist sehr gut organisiert und top durchgeplant. Zu der Eventreihe, die 2023 startet, möchte ich mich noch etwas bedeckt halten. Das Floor-Hosting ist ein erstes Kennenlernen für den Gast. Das Unreal-Team wird sich im neuen Off-Location-Floor präsentieren, und hier seinen Content der Crowd nahebringen.

Was du gerne noch loswerden möchtest …

… dass ich gerne noch die Gunst der Stunde nutzen möchte, meine rechte und linke Hand, Dennis und Fabien, zu grüßen und mich bei ihnen bedanken, dass sie mit mir diesen Weg gehen und meine leicht perfektionistische und emotionale Art aushalten. Wolle ist für mich eine lebende Techno(veranstalter)-Legende, die nach 22 Jahren Clubgeschichte immer noch für diese Szene brennt, ich liebe ihn. Euch allen wünsche ich noch ein tolles Jahr, viel Gesundheit und Nächte, die niemals enden sollen!

 

Aus dem FAZEmag 126/08.2022
Text: Torsten Widua
www.gotec-club.de