Gregor Tresher – Voller Energie

Wir starten in das neue Jahr voller Neugier und Vorfreude auf das, was 2017 wohl für uns bereithalten mag. Mit dem neuen Heft kommt natürlich auch ein neuer Mix und ebendiesen steuert der Frankfurter und Break-New-Soil-Labelhead Gregor Tresher bei. Mit ihm haben wir das vergangene Jahr noch einmal im Zeitraffer durchlebt, schließlich war 2016 das Jahr seines gefeierten Albums „Quiet Distortion“. Um jedoch nicht nur in Gedanken an Vergangenes zu schwelgen, kamen auch neue Herausforderungen zur Sprache – Stichwort Live-Set.

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Gregor Tresher – Voller Energie


Bevor wir uns deinen neuen Projekten und Zielen widmen, lassen wir das vergangene Jahr Revue passieren. Du hast dein Album „Quiet Distortion“ veröffentlicht und zahlreiche Gigs in den verschiedensten Ecken der Welt gespielt. Welche Ereignisse haben sich bei dir besonders eingeprägt?

Wenn das Album erst mal veröffentlicht ist, dann nimmt die darauffolgende Tour den meisten Raum ein und beansprucht sehr viel Zeit. Das war auch dieses Jahr wieder so. Es freut mich natürlich sehr, eine so lange Tour spielen zu können, das ist für mich etwas Besonderes. Zweifelsohne gab es da auch viele Highlights. Es war, glaube ich, im letzten Mai, als wir mit der Tour offiziell begonnen haben. Zu diesem Zeitpunkt waren etwa 60 Stationen für die „Quiet Distortion“-Tour geplant. In der Zwischenzeit wurden das noch mal deutlich mehr und schon war das Jahr auch wieder vorbei. Ich durfte viele tolle Gigs spielen, zu den Highlights gehören mit Sicherheit wieder die Auftritte in Südamerika.

Seit einiger Zeit schon machen die Clubs und Festivals dort unten im Süden immer mehr Wirbel.

Ja, dort passiert sehr viel gerade und es herrscht eine wirklich tolle Energie. Auch in Mittelamerika, in Kolumbien hatte ich erneut eine tolle Zeit! Das möchte ich nicht missen. Nichtsdestotrotz hatte ich auch hier bei uns einige meiner Jahreshighlights, vor allem mein Debüt bei Boiler Room Berlin war eine tolle Erfahrung. Lange habe ich mich darauf gefreut und ich wurde nicht enttäuscht.

Was hat sich 2016 auf deinem Label Break New Soil getan?

Hier hat das Album im vergangenen Jahr den meisten Raum eingenommen. Aber das ist okay, denn schließlich habe ich Break New Soil genau aus diesem Grund ins Leben gerufen. Ich wollte meine eigene Plattform und volle Entscheidungsfreiheit in allen Belangen. Viele andere Platten kamen also 2016 nicht heraus, aber letztendlich doch die eine oder andere wie beispielsweise die von Jewel Kid, die Anfang November erschien und etwas mehr Melodie hatte. Ich versuche, mich etwas wegzubewegen von diesen eher funktionalen Releases. Die lassen sich zwar gut verkaufen, sich toll in ein Set einbauen und man findet auch Gefallen daran, doch sie haben nur eine relativ kurze Lebensdauer, man vergisst sie schnell wieder. Das ist dann auch für mich als Labelmacher undankbar. Insgesamt bin ich aber mit Break New Soil sehr zufrieden und es läuft gut. Ich bin hier allerdings auch gerade in einer Art Findungsphase, überlege mir, wie ich mich im Bereich Label weiterentwickeln kann und was als Nächstes passieren soll.

Ein gutes Album, eine ausgedehnte und intensive Tour. Gab es Überraschungen hinsichtlich der Tracks? Welche Nummern haben sich als Publikumslieblinge herauskristallisiert?

Die Resonanz auf das Album war gut und obwohl „Quiet Distortion“ mit einem Jahr Verspätung erschien – denn es kam nicht zwei, sondern drei Jahre nach dem letzten Album „Nightcolors“ –, bin ich mit dem Produkt und dem Drumherum wie dem Artwork absolut zufrieden. Es hat ein wertiges, schlüssiges Konzept, darauf gebe ich besonders Acht. Natürlich macht man sich auch bei den einzelnen Tracks im Vorfeld Gedanken, welche Rolle sie nach dem Release spielen werden. Bei dem einen oder anderen ist man sich sicher, dass er gut funktionieren wird, andere werden eher als „Füller“ wahrgenommen. Letztendlich lief es doch anders, als erwartet. Der Titeltrack wurde oft und von vielen gespielt, was mir wichtig war, aber auch „The Kraken“, ein Techno-Stück, hat mit am besten gezogen und wurde von Kollegen am meisten gespielt. Dabei war das Stück anfangs gar nicht für das Album geplant. Am Ende ist es natürlich schön, wenn ein paar Stücke die Zeit überdauern. Es kann ja auch passieren, dass man ein Album macht, das letztendlich niemanden interessiert. Das wäre natürlich sehr schade. Mir persönlich sind natürlich alle Tracks auf dem Album wichtig und ich freue mich auch sehr über die ruhigen Stücke, die Downtempo-Sachen und die ohne geraden Beat. Vielleicht sollte ich all diese Stücke, die in diese Richtung gehen, aus meinen bisherigen Alben filtern. Das ergäbe ein schönes Electronica-Album!

Einige der Nummern vom Album wie „Quiet Distortion“ wurden nun neu interpretiert und erschienen erst vor wenigen Wochen.

Genau, Ende Dezember kam ein Remix-Paket für das Album mit frischen Versionen des Titeltracks. Unter anderem von Nicole Moudaber, die eine schöne zehnminütige Version daraus gemacht hat, von Wigbert, der hier aus Offenbach kommt, und auch von Jewel Kid, der erst einen Monat zuvor seine Platte über Break New Soil veröffentlicht hatte. Außerdem gab es noch zwei weitere Remixe, unter anderem von einem Soma-Act, den ich schon das ganze Jahr hoch- und runterspiele, Gemini Voice Archive. Die beiden Spanier remixten „Safehouse“. Der letzte Remix der Platte ist etwas ganz Besonderes, er stammt von einem Künstler, dem ich schon seit 15 Jahren folge, dem Isländer Ruxpin. Er macht wunderbare Electronica-Musik und seine Alben kann ich nur wärmstens empfehlen. Inzwischen gibt es davon schon sechs, meine ich, und eines ist besser als das andere. Er nahm sich mit „Give It All Away“ auch einer der Downtempo-Nummern des Albums an. Mit diesen fünf neuen Versionen kam auch bei diesem Album wieder ein tolles großes Paket zustande.

Da war doch aber noch was?

Stimmt, das war noch nicht alles. Da gibt es noch eine zweite Geschichte mit der „Goliath“, die sich nun schon seit zwei Jahren hartnäckig hält. Die Leute kommen immer noch angerannt und wünschen sich diese Nummer. Die hat also ein richtiges Eigenleben entwickelt. Mich als Künstler macht es natürlich happy, wenn so etwas mit deinem Track passiert. Es geht sogar so weit, dass die Leute da zwischendrin mitsingen – wie bei der „Seven Nation Army“ oder im Fußballstadion. Total surreal. Auf jeden Fall wird es zu dieser Nummer einen Remix von einer Legende geben, nämlich Emmanuel Top! Da gab es schon Gerüchte und jetzt kann ich es bestätigen: Der Remix steht und wird nächsten Monat erscheinen.

Wie kam die Kollaboration mit Emmanuel Top zustande?

Das war eigentlich ein ganz witziger Zufall, denn ein Bekannter von ihm hat mich auf dem Tomorrowland angesprochen, ob ich an einem Remix von Emmanuel Interesse hätte. Da ich in den Neunzigern in Frankfurt sozialisiert wurde, war er natürlich ein wahnsinniges Thema für mich! Ich erinnere mich noch sehr lebhaft daran, wie ich seine Nummern zum ersten Mal im Omen gehört habe. Und die gehen ja auch heute noch, zeitlos wie sie sind. Ich habe also sofort zusagt und ihm das Remix-Paket geschickt. Eine ganze Weile ließ er dann nichts von sich hören, bis eine E-Mail mit dem fertigen Remix kam.

Wofür das Tomorrowland doch gut sein kann. Gregor, gehörst du zu den Künstlern, die gegen Ende des Jahres in sich gehen, sich hinterfragen, überlegen, was sie besser machen könnten?

So reflektiert gehe ich mit dieser Karrieresache eigentlich nicht um, zumal ich es mit dem Zurücklehnen und Runterkommen sowieso nicht so habe. Zurückzuschalten, mal keine Musik zu machen oder nicht aufzutreten, kann ich mir nicht vorstellen, denn es macht mir ja Spaß. Natürlich mache ich mir Gedanken darüber, was ich gerne als Nächstes machen würde. Tag für Tag stumpf ins Studio zu gehen, Tracks zu produzieren und zu veröffentlichen, um sich am Ende auch musikalisch zu wiederholen, macht für mich keinen Sinn. Eine Sache, die ich aber in diesem Jahr weiterentwickeln möchte, ist mein Live-Act.

Was genau wird sich hier ändern?

Seit etwa fünf bis sechs Jahren trete ich sporadisch als Live-Act auf. Ich habe das aber bewusst knapp gehalten und nur zu besonderen Anlässen oder bei speziellen Gigs gemacht. An so eine Live-Show im Berghain kommt eben nur wenig ran. Ich möchte jedoch nicht Gefahr laufen, von meiner eigenen Musik gelangweilt zu sein, und ich bin auch viel zu gerne DJ, als dass ich mich zu sehr in dieses Live-Ding vertiefen möchte. Vielen Veranstaltern, Promotern, aber auch Gästen bedeutet so ein Live-Gig jedoch sehr viel, er hat einen anderen Stellenwert als das klassische DJ-Set, allein schon deshalb, weil es wenige Live-Acts gibt. In Zukunft möchte ich da mehr Energie hineinstecken, um diese Auftritte noch besonderer und interessanter gestalten zu können. Wie genau das am Ende aussehen wird, arbeiten wir gerade im Team heraus. Licht- und Bühnentechnik werden ein Thema sein, vermutlich werden mehr Maschinen und Geräte zum Einsatz kommen. Jedoch bin ich weit davon entfernt, so ein Frickl-Live-Act zu werden, der die Tracks auf der Bühne tatsächlich live produziert. Das kann auch interessant sein, für mich ist es allerdings nicht das Richtige. Sehr wahrscheinlich ist auch eine Tour Ende des kommenden Sommers, bei der ich über zwei bis drei Monate nur live spiele. Für alle, die nicht so lange warten möchten, gibt es jedoch schon nächsten Monat die Möglichkeit, dieses Live-Set 2.0 im Test zu hören, nämlich bei der Hyte-Party in Amsterdam!

Ab sofort und exklusiv bei iTunes: FAZEmag DJ-Set #59:Gregor Tresher: 
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Aus dem FAZEmag 059/01.2017
Text: Gutkind
Foto: Berndt Bodtländer
www.gregortresher.com