HAAi – Warum psychedelische Dystopie und Menschsein koexistieren

Foto: Sophie Webster

Mit HUMANiSE schlägt HAAi ein neues Kapitel auf: ein Album, das zwischen Maschinen-Dystopien und menschlichen Utopien oszilliert – und dabei Fragen nach Gemeinschaft, Identität und Verletzlichkeit stellt. Mit Gästen wie Jon Hopkins, Alexis Taylor oder Trans Voices baut sie ein vielstimmiges Klangnetz, das ebenso clubtauglich wie introspektiv wirkt. Wir haben mit der gebürtigen Australierin über Technik, Psychedelia und die feine Balance zwischen Faszination und Furcht vor der digitalen Zukunft gesprochen – und uns ein „HAAi, wie geht’s?“ verkniffen.

Dein neues Album beschäftigt sich mit der Frage, was es bedeutet, Mensch zu sein in einer zunehmend digitalen Welt. Welche persönlichen Erfahrungen oder Beobachtungen haben dieses Thema für dich so relevant gemacht?
Zum Beispiel der technische Aspekt meiner Arbeit. Die Maschinen und digitalen Tools, die ich benutze im Zusammenspiel mit menschlichen Worten und Texten. Das wollte ich ein bisschen vorne anstellen. Die persönliche Komponente kann bei all der fortgeschrittenen Technik niemals synthetisiert werden.

Auf „HUMANiSE“ stellst du deine eigene Stimme mehr in den Mittelpunkt. War das für dich ein Schritt in Richtung mehr Verletzlichkeit – und wie hat sich das für dich im Studio angefühlt?
Ich denke, jede Art von Musik kann diejenigen, die sie machen, auf irgendeine Art und Weise verwundbar machen. Erst recht, wenn du deine eigene Stimme und deine eigenen Worte nutzt. Es gibt dem Ganzen eine weitere Ebene. Mir macht es Spaß, das zu ergründen, und es ist für mich ein kleines Extra.

Das neue Album bietet ein beeindruckendes Portfolio an Gästen – von Jon Hopkins bis hin zu Trans Voices und einem Gospel-Chor …
Ja, das hat sich eher angefühlt, wie die eigene Band wieder zusammenzubringen. Nehmen wir z.B. Trans Voices. Ich habe Ilā (Gründerin, Anm. Red.) bereits lange vorher kennengelernt. Es war reiner Zufall. Ich hatte mich gerade mit Trans Voices auseinandergesetzt, da stand sie plötzlich einfach neben mir im Fahrstuhl. Es hat so Spaß gemacht, mit ihr zu arbeiten — an den Aufnahmen und dem anderen Live-Projekt.

Du hast Psych-Rock gespielt, bist DJ geworden, machst Produktionen für die Tanzfläche und jetzt konzeptionelle Alben. Gibt es einen roten Faden, der all diese Stationen verbindet?
Ich würde sagen, dass das psychedelische Element ein bisschen im Zentrum von allem steht. Selbst bei den poppigeren Nummern. Es macht sich beispielsweise bemerkbar, wenn ich mit Frequenzen spiele. Ich denke, das sieht man sogar, wenn ich spiele. Es ist einfach eine Art Musik, die ich liebe.

In den letzten Monaten hast du auf Festivals wie dem Glastonbury, Coachella oder Movement gespielt. Wie sehr prägen diese Erfahrungen den Sound, den du im Studio entwickelst?
Oh wow, das ist eine gute Frage. Ich habe heute noch darüber nachgedacht, wie spannend das ist. Da sitzt du an einem Album wie HUMANiSE, bist komplett im Tunnel und packst anschließend deine Koffer für den Jet, um als DJ aufzulegen – und das ist dann alles Teil des Jobs. Das große Bindeglied ist natürlich die Musik selbst. Auf der anderen Seite schreibe ich jetzt Musik für ein Remix-Projekt, die ich auflegen werde. Es ist also immer ein bisschen abhängig von dem Projekt, an dem ich gerade arbeite.

Viele fürchten, dass KI den kreativen Raum übernimmt. Du setzt dich in deinem Album genau mit diesem Spannungsfeld auseinander. Wo siehst du Möglichkeiten, dass Technologie Kunst eher erweitert als bedroht?
Das Album behandelt eher die Koexistenz. Ein Teil von mir ist verängstigt, ein anderer Teil von mir ist fasziniert. In Teilen meiner Arbeit vermeide ich KI, in anderen Teilen meines Alltags bin ich dankbar dafür. Wir leben historisch betrachtet in einer interessanten Zeit.

Aus dem FAZEmag 164/10.2025
Text: Michael Scharsig
Foto: Sophie Webster
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