
Irgendwie geht es im Leben doch immer ums Gefühl. Nicht nur in emotionalen Situationen, sondern auch bei rationalen Entscheidungen und eben ganz besonders bei Kisten aus Knöpfchen, Metall und bunten Lichtern. Von daher ist es ja kein Wunder, dass es einen kleinen Wettbewerb darum gibt, mit welchem Mischpult-Design man so etwas Ästhetisches wie einen DJ-Mix am besten kreieren kann.
Im aktuellen Test haben wir mit dem Headliner R4 einen Rotary-Mixer. Und klar ist von Anfang, dass Rotary den Wettbewerb nicht gewinnen kann. Zu omnipräsent sind die Allen & Heath- und Pioneer-Mixer in den schattigen Clubkellern rund um die Welt. Aber – wenn man sie dann doch mal sieht, bekommen die entsprechenden DJs immer wieder mal diesen aufmerksam kennenden Blick geschenkt, denn: Rotarys sind nicht nur die Underdogs, sondern die Gewinner der Herzen dazu. Warum? Nicht zuletzt, weil alleine ihr Design einen flowigen, unablässigen Mixing-Stil geradezu hervorzwingt: Stark ineinander verzahnte Grooves, die eine endlose, von Sein und Zeit befreite Experience hervorrufen. Soweit das Klischee. Headliner, der Kreateur einer der günstigsten Rotary-Mixer aus Los Angeles, war in den letzten Jahren vor allem bekannt als die Brand für professionelle Cases und Ständer für DJ-Equipment. Im Mixer-Business sind die Amerikaner erst recht neu, trotzdem hat man von Anfang das Gefühl, ein recht wertiges, zeitloses Gerät in der Hand zu halten.
Das liegt nicht zuletzt an dem robusten Gewicht des Metall-Cases, das an den Seiten von zwei Holzpaneelen ergänzt wird. Beim Auspacken, Anschließen und beim ersten Soundcheck bildet sich immer ein Bauchgefühl. Und das Bauchgefühl weiß, dass es mit dem Alpha Teta Euphonia einen vier Channel-Rotary-Mixer für weit über 3.000 Euro gibt. Und dass sich das natürlich anders anfühlt. Aber das Bauchgefühl weiß auch, wie sich ein Mixer anfühlt, der eigentlich nicht viel mehr als Plastikschrott ist und dessen Knöpfe nach einem Jahr einen gepflegten Used-Look haben werden. Hiervon ist der Headliner R4 weit entfernt – fair bei dem Preis von 440 Euro.
Die Oberfläche ist sehr übersichtlich gehalten, was bei einem Rotary und seinen unzähligen Potis sicherlich schwerer zu händeln ist als bei einem herkömmlichen Fader-Mixer. Die Mastersektion ist das absolute Herz des Pultes und liegt somit logischerweise in der Mitte. Neben einzeln einstellbaren Lautstärken für die PA- und die Booth-Lautstärke ist der Filter natürlich der Star: Der größte Knopf des ganzen Mixers ist mit Abstand der Filter-Cut-off, was sehr schick daherkommt. Mit einem Switch kann man zwischen Lowpass- und Highpass-Charakteristik wählen.
Großer Pluspunkt bei mir ist die folgende Kleinigkeit, die aber das Gefühl bei technischen Geräten entscheidend prägt: Das Audiosignal knackst nicht zwischen dem Umschalten der Lowpass-Filter und Highpass-Filter. Klingt sowas von selbstverständlich, ist es aber gar nicht, vor allem nicht in der Preisklasse um die 400 Euro. Beim Konzipieren der Elektronik muss man nämlich darauf achten, dass beim Umschalten zweier Schaltkreise kein Gleichstromversatz entsteht, sondern dass man einen Kondensator zum Puffern miteinbaut. So beschreibt zum Beispiel auch die Berlin-Effektschmiede von Keinemusiks Rampa – Teile – ihre DJ-Effektgeräte: „Pulling the power plug in and out will not give you nasty pops or clicks.“
Ansonsten kann man schon sagen, dass der Filter sehr vielseitig ist. Entweder man hört sehr deutlich, dass gefiltert wird – wenn man die Resonanz voll aufdreht. Das passt zum Beispiel sehr gut zu den Genres, die sowieso schon eng mit dem Rotarymixen verbunden werden: Disco und House. Aber genauso geht auch alles sehr smooth und subtil, ganz ohne irgendwelche Filter-Artefakte.
Jeder der vier Kanäle läuft durch einen Equalizer mit drei Bändern, die ihren Frequenz-Bereich komplett killen und bis 9dB dazupacken, was dann doch relativ warm klingt – auch in den Höhen. Auch hier begeistert mich wieder der große Lautstärke-Poti, der sich mit einem angenehm smoothen Widerstand drehen lässt.
Rotary und Vinyl sind natürlich ein tolles Paar. Deswegen gibt es bei den ersten drei Kanälen immer die Wahl zwischen Line-Input (als moderne Medienplayer wie dem CDJ) oder Phono (mit Vorverstärkung für Plattenspieler). Beim vierten Kanal gibt es stattdessen die Wahl zwischen einem Line-Input und einem XLR-Input, um zusätzliche Mikrofone anzuschließen – oder auch Synthesizer, Drummachines und Effektgeräte. Theoretisch kann man sich diesen Kanal eben auch als Master-Effektkanal freihalten. Wir haben nämlich drei separate Ausgänge – Master, Booth und Record. Wenn man das Record-Signal an ein Effektgerät schicken würde und im vierten Kanal wieder dazubringt, hätte man sich ein eigenes Feature am R4 gestaltet. Auch cool sind die beiden Kopfhörer-Ausgänge für unkomplizierte B2B-Sessions.
Ich glaube, dass auch der Headliner R4 die Rotary-Mixer nicht zum Club-Standard macht – aber dass er ein sympathischer Underdog und der perfekte Einstieg ist, um eine andere Art zu mixen kennenzulernen.
Aus dem FAZEmag 156/02.2025
Web: www.headliner-la.com