Hot Chip – Freakout/Release (Domino Records)

Relax & Enjoy – könnte die Gebrauchsanleitung für das neue Album der britischen Gruppe Hot Chip lauten, ist aber der Name des neuen Band-eigenen Studios in London, wo Ersteres entstanden ist. Der Vibe des neuen musikalischen Zuhauses hat sich auf den neuen 11 Stücke fassenden Langspieler „Freakout/Release“ übertragen. Beim Hören ist die Spielfreude des Quintetts deutlich spürbar – was nicht verwundert. Denn kaum war die Tour zum 2019er-Album „A Bath Full Of Ecstasy“ abgeschlossen, war die Synthpop-Band durch die Corona-Pandemie zwangsweise zu einer Schaffenspause verdonnert.

Und so legten Hot Chip sofort los, als sie es nach den Lockdowns wieder durften. Herausgekommen ist dabei ein weiteres Album, das die einzigartige Gabe der Band unter Beweis stellt, den Widerspruch zwischen perfekten musikalisch ausgefeilten Popsongs und ernstem, melancholischen Tiefgang aufzulösen und dabei auch noch gute Laune und Tanzlust zu stiften. „Down“ beispielsweise, das erste Stück und Vorabsingle, klingt nach einer Nacht im legendären New Yorker Nachtclub „Studio 54“. Hot Chip sind in funky Disco-Laune. Die ersten 30 Sekunden ohne Bass erklingen im Transistorradio-Sound, danach entwickelt sich das Stück zu einem druckvollen Dance-Track, der neben Funk und Disco auch 90s-House und New Wave zitiert sowie das Kult-Soul’n’Funk-Juwel „More Than Enough“ von der Universal Togetherness Band sampelt.

Das folgende supermelodiöse Stück „Eleanor“ klingt, als hätten sich Hot Chocolate, Fleetwood Mac und die Pet Shop Boys an einer Strandbar getroffen und gemeinsame Sache gemacht. Dass Hot Chip Reibung mögen, beweist das Titelstück: „Freakout/Release“ verbindet eine Roboterstimme mit dem lärmigsten E-Gitarren-Part der Bandgeschichte – unterstützt wurden Hot Chip hier vom belgischen Duo Soulwax. Weitere Kollaborationen gibt es mit der britischen Musikerin und DJ-Künstlerin Lou Hayter (ganz entspannt: „Hard To Be Funky“) und dem gefeierten kanadischen Rapper Cadence Weapon auf „The Evil That Men Do“. Der Song verhandelt Rassismus und männliche Aggression gegenüber Frauen und begegnet dem Thema mit entsprechendem musikalischem Tiefgang auf fünfeinhalb Minuten, in denen er elegant mehrere Kurven nimmt und Hip-Hop mit Gospel, Psych-Rock mit Beatles-Referenzen und Pop mit Indie verbindet. Ein Album von Hot Chip, das Genres öffnet, aber keine Wünsche offen lässt. Freakout bei diesem Release! 10/10 Csilla Letay