Im Studio mit Christopher Kah – Wurzelbehandlung

Auf Youtube geht gerade eine Clipserie steil, die nicht mehr zeigt, als zwei Hände, die ein minimales Hardware-Setup bearbeiten. Und was diese aus den wenigen Desktop-Tools herauskitzeln, ist nicht weniger als phänomenal. Die flinken Finger gehören dem französischen Produzenten Christopher Kah. Bereits seit 20 Jahren im Geschäft, aber hierzulande eher unbekannt, promotet er damit sein drittes Album “Limited Resource Vol. 1”, das soeben auf Highwav Records erschienen ist. Dessen Titel ist Programm, denn Kah geht mit modernem Equipment an die Wurzel der Technoproduktion zurück. Kein Wunder also, dass es alte Helden wie Landsmann Laurent Garnier aktuell rauf- und runterspielen.

christopher kah


Wo befindet sich dein Studio derzeit?

Es ist direkt in einem Zimmer meines Hauses untergebracht. Das wiederum befindet sich in einer kleinen Stadt nahe Straßburg. Mir ist wichtig, dass ich spontan hinübergehen kann, um Ideen umzusetzen. Die Wände sind speziell gedämmt, damit meine Frau und Kinder nicht gestört werden. Sobald die Kids in der Schule sind, geht’s los. So komme ich auf etwa acht Stunden an mindestens vier Tagen in der Woche.

Womit die Musik dein Hauptjob sein dürfte?

Ja, derzeit schon. Eigentlich bin ich IT-Techniker, mache das aber nur noch teilzeitmäßig.

Kannst du dich noch an dein erstes Setup erinnern?

Lass mich überlegen … das war ein Windows98-Rechner mit Cool Edit Pro als Sequencer. Hinzu kamen Propellerhead Reason und die Orion-Platinum-Software. Einen alten Korg DW-8000 Synthesizer hatte ich auch noch. Profizeug wie Cubase war mir damals zu kompliziert und zu teuer.

Gab es mit dem PC schon Releases?

Ja, damit habe ich tatsächlich 2004 die „Natural Born Killer EP“ produziert, die auf Terrence Fixmers Planet-Rouge-Label erschienen ist. Auch der „Come Inside“-Remix für Nitzer Ebb sowie die „PlusPlusOne“ auf Dave Clarkes White-Noise-Label sind noch auf reiner Software-Basis entstanden.

Wie hat sich dein Studio danach entwickelt?

Es kam natürlich professionelle Hard- und Software hinzu. Allerdings ist mein Studio in ständiger Verwandlung. Ich bin jemand, der sehr schnell seine Geräte wechselt. Also viel kauft und wieder verkauft. Instrumente aus nostalgischen Gründen zu behalten, ist gar nicht mein Ding. Meine Beziehung zu den Geräten ist pragmatisch. Entweder sie nutzen mir für den Moment oder eben nicht. Ich besitze zum Beispiel auch keine Vintage-Originale, die günstigeren Klone bringen’s auch.

Wie sieht dein Setup heute aus?

Derzeit nutze ich am häufigsten die Instrumente von Elektron, den Digitone, Octotrack und Digitakt. Hinzu kommen der Korg Minilogue sowie für die Aufnahmen der Roland MX1. Eine Roland TR-8 setze ich hauptsächlich live ein. Als Software sind Ableton Live und einige NI-Sachen wie Reaktor sowie zahlreiche Plug-ins für das Sounddesign vorhanden. Die Software bleibt aber derzeit außen vor.

Weil?

Bis vor einem halben Jahr habe ich vor allem Ableton Live eingesetzt, aber dann gemerkt, dass ich zu sehr mit dem Verstand produzierte. Mit den Elektron-Geräten bin ich viel spontaner bei der Umsetzung von Emotionen. Zudem kann ich mich voll auf den Sound konzentrieren, weil die Produktion weniger visuell ist. Daraus ist schließlich auch Idee zum Album „Limited Resources“ entstanden. Ich wollte mit minimalem Equipment ein Maximum an Energie erzeugen. Es dauert zwar ein bis zwei Tage, bis man sich in die Maschinen eingearbeitet hat. Aber dann geht es ohne Nachdenken von der Hand und man kommt sofort in einen Flow.

Was würdest du Nachwuchsproduzenten empfehlen?

Mein aktuelles Konzept: sich auf wenige Tools zu beschränken und diese voll auszureizen. So ein riesiger Maschinenpark überfordert am Anfang total – und ich glaube, selbst später noch. Man verläuft sich in den Möglichkeiten. Mein Studio ist ja bis heute eher klein. Mit einer Roland TR-8 kann man bereits einen kompletten Track hinbekommen. Die Stücke auf meinem Album sind mit maximal drei Instrumenten produziert. Das war meine persönliche Vorgabe. Die Hardware-Technik ist heute so weit, dass man trotzdem überaus intuitiv und flexibel agieren kann.

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Wie lange benötigst du, um einen Track fertigzustellen?

Selten mehr als einen Tag, manchmal nur zwei Stunden. Sobald eine Idee da ist, geht es ganz schnell. Ich bin nicht der Mensch, der wochenlang an einem Track rumschraubt. Denn auch dabei geht viel der ursprünglichen Energie verloren.

Hast du eine bestimmte Arbeitsweise bei der Produktion?

Nicht wirklich. Zunächst einmal muss ich auf den Kern des Tracks stoßen. Ausgangspunkt kann eine Drum, ein Synthieline oder auch nur Effekt sein. Wenn es mich inspiriert und mein Herz berührt, spinne ich es weiter. Wenn nichts entsteht, zwinge ich mich aber auch nicht dazu. Vieles entsteht durch Zufall – so habe ich eigentlich meine besten Tracks gemacht.

Das Mastering machst du aber nicht selbst?

Nein, ich bin ja im Bereich der elektronischen Musik ein absoluter Autodidakt. Und Mastering ist eine eigene Wissenschaft, da muss ein ausgebildeter Profi ran. Alles, was ich im musikalischen Bereich gelernt habe, sind zehn Jahre Orgelspiel als Kind. Zu meinen Anfangstagen habe ich noch nicht einmal viel Wert auf das Pre-Mastering gelegt, Kompression usw. Heute sehe ich das anders.

Ist es deiner Meinung nach wichtig, eine musikalische Vorbildung zu haben?

Ja und nein. Ja, wenn man melodische Sachen machen möchte, weil man halt die Noten und Harmonieregeln kennt. So muss man nicht mühsam rumprobieren. Wenn man allerdings so ein Konzept verfolgt, wie ich mit „Limited Resources“, wenn es also um Groove und Sound geht, funktioniert es wohl auch ohne musikalische Ausbildung.

Gibt es ein Gerät, das du gerne besäßest?

Ich hätte gerne einen Prophet 12 wegen seines einzigartigen Sounds. Aber er ist halt extrem teuer. Ansonsten spricht mich die Synthesizer-Serie von Behringer derzeit sehr an – davon werde ich mir in Kürze einen zulegen.

Beschreibe ein Wunschinstrument, das noch nicht existiert

Für den DJ-Bereich wünsche ich mir eine Symbiose aus dem Traktor S5, allerdings ohne Computerverbund, und dem Richie-Hawtin-Mixer Model 1. Für mich ist es als DJ sehr wichtig, nicht nur fremde Titel mischen, sondern daraus auch etwas komplett Neues kreieren zu können. Entsprechend wäre eine All-In-One-Lösung aus S5 und Model 1 für mich ideal.

Equipment:

Akai APC40
Elektron Digitakt
Elektron Octatrack MK2
Elektron Digitone
Jomox T-Resonator II
Korg Minilogue
Roland VT-3
Roland TR-8
Roland TB-03
NI Monark
SPL Transient Designer
Izotope Ozone 7 Imager
Izotope Ozone 8
Waves MaxxBass
Waves API 2500
Matrix-12 V
Roland MX-1
Ableton Live
NI Traktor S5
NI Komplete
Yamaha HS8

Aus dem FAZEmag 075/05.2018
www.christopherkah.com

 
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