
Gerade findet auf Ibiza die International Music Summit statt, das wichtigste internationale Gipfeltreffen wirtschaftlicher Akteure der elektronischen Musik. Unser FAZEmag-Herausgeber Sven Schäfer moderiert dort unter anderem ein Panel. Passend zur Summit erschien auch wieder der IMS Business Report, der gründlichste und wichtigste Jahreseinblick in die globale elektronische Musikindustrie. Der Bericht entstand in Zusammenarbeit von Mark Mulligan, einem Medien- und Technologieanalysten und MiDIA Research für die IMS Ibiza. Wir haben für euch die Fakten, die sich auf das Jahr 2023 beziehen und einen Ausblick auf das laufende Jahr 2024 geben, zusammengefasst.
Ziel des Berichts ist es, den aktuellen Stand der elektronischen Musik in Bezug auf den digitalen Konsum statistisch zu repräsentieren. Insbesondere nach der Covid-19-Pandemie stellt die Analyse ein wichtiges Tool für alle Akteure in der Wirtschaft der elektronischen Musikindustrie dar, um Entwicklungen und Trends ablesen zu können. Wie hat sich die Industrie von dem pandemischen Geschehen erholt? Welche Bereiche boomen nach der Krise am meisten?
Folgende Feststellungen macht der diesjährige Bericht in Bezug auf das Wachstum der elektronischen Musikindustrie: Auch im Jahr 2023 wuchs die Industrie der elektronischen Musik weiter an und setzt somit den Trend aus dem Post-Covid-19-Jahr 2022 fort. Nach der Pandemie scheint sich die Szene, an Zahlen gemessen, zu erholen. Im Jahr 2023 wuchs die globale elektronische Musikindustrie insgesamt um 17 Prozent und erreichte einen Marktwert von 11,8 Milliarden US-Dollar. 15 der führenden Unternehmen hätten ihren Umsatz der Studie zufolge bereits auf beinahe das Doppelte des Niveaus vor der Pandemie gesteigert. Das stärkste Wachstum sei dabei, wie auch im Jahr 2022, im Live-Bereich festzustellen, aber auch fertige Musikproduktionen konnten im Jahr 2023 einen Boom verzeichnen. 2022 stieg der Bereich der fertigen Produktionen nur langsam an, 2023 konnte er ein stärkeres Wachstum verzeichnen. Insgesamt war 2023 ein starkes Jahr für die globale Musikindustrie. Unabhängige Labels konnten ihre Marktanteile weiter ausbauen, trotz der Änderungen der direkten Einnahmen von Künstlern in Bezug auf Streamingzahlen, wie es kürzlich bei Spotify mit dem Streichen von Auszahlungen bei Songs mit unter 1000 Streams der Fall gewesen ist. Majorlabels dominierten zwar nach wie vor, verloren aber Anteile an eine neue Generation von unabhängigeren, zukunftsgerichteten Labels. Das Wachstum der Verlagseinnahmen verlangsamte sich im Vergleich zu 2022 geringfügig, stieg insgesamt weiter an.
In Bezug auf die Fangemeinden schnitt die elektronische Musikbranche am besten ab, über alle zentralen Plattformen hinweg, wuchs diese von allen Musikrichtungen am schnellsten an. Die Fangemeinde der elektronischen Musik hatte dabei lange Streaming-Zeiten und eine hohe Aktivität beim Musikkonsum von Playlisten, Streaming-Stationen und generell beim Musikhören. Elektronische Musik auf Plattformen wie TikTok, Instagram oder YouTube boomt. Der Bericht bezeichnet Fans, die elektronische Musik konsumieren, auch als Superfans.
In Bezug auf die Kreativen in der Branche stellte der Bericht Folgendes fest: Für DJs war es nach der Pandemie schwieriger Gigs zu finden, für die sie gleichzeitig im Schnitt weniger Geld als zuvor erhalten haben. Viele würden lieber im Studio sein, um Musik zu produzieren, wenn es die Einnahmen zulassen würden. Der Bericht beschäftigt sich auch mit der Gendergerechtigkeit in der Branche. Dabei wurde festgestellt, dass Frauen nach wie vor gegenüber ihren männlichen Kollegen benachteiligt und diskriminiert werden, was diese oftmals daran hinderte, ihr volles Potenzial auszuschöpfen.
Für das Thema Industrie zeigt der Bericht zunächst auf Ibiza bezogen, die Einnahmen von Clubs auf der Weißen Insel. Diese konnten ihre Einnahmen gegenüber 2022 um 14% steigern. Gegenüber 2019 konnte eine hohe Steigerung von 76% erreicht werden. Dieses liegt aber auch daran, dass die durchschnittlichen Ticketpreise angestiegen sind. Auch im Vergleich des Jahres 2022 zu 2023 ist dieses festzustellen. Während Tickets im Jahr 2022 noch 44 Euro gekostet haben, stiegen die Preise für 2023 erneut an, auf 51 Euro. Weitergehend könnte man hierzu die generell steigenden Preise für Personal, Energiekosten etc. mit einbeziehen, sodass fraglich ist, inwiefern die steigenden Einnahmen bei gleichzeitig steigenden Kosten wirklich ein Wachstum für die Industrie bedeuten.
Genretechnisch gibt es für das Jahr 2023 einen klaren Aufsteiger, auf den sich der Bericht gesondert fokussiert: Afro House. In Kooperation mit der Plattform Beatport bildet man die Trend-Genres der bei DJs beliebten Plattform ab. Afro House sei aus dem Nichts auf Platz 23 der meist gesuchtesten Genres aufgestiegen. Anhand drei verschiedener Datensätze habe man feststellen können, dass Afro House und anderen Genres aus Subsahara-Afrika im Trend liegen. Das Genre Amapiano gehörte nun zu den Top 10 der meistgesuchtesten Genres. Auch der Europa-Spotify-Chef Michael Krause äußerte sich kürzlich in einem Podcast zum Aufstieg von Afrobeats. Insgesamt konnte über alle wichtigen Plattformen wie Beatport, Soundcloud, TikTok etc. ein Boom der elektronischen Musik festgestellt werden.
Weiterhin fand für dieses Jahr eine Umfrage der Mitglieder der Association For Electronic Music, einem Zusammenschluss von Akteuren der elektronischen Musik statt, bei der drei Viertel der Befragten aussagten, das sie für das kommende Jahr zuversichtlich sind.
Wir halten kurz fest: Insbesondere im Jahr 2023 boomte die globale elektronische Musikindustrie, was auf mehreren Plattformen feststellbar war. Es scheint so, als würde die Szene sich nach der Pandemie erholen, wobei auch steigende Kosten und geringere Einnahmen für DJs beachtet werden müssen. Wer den Boom sieht, muss auch die pandemische Krise davor und ihre Auswirkungen beachten. Wir hoffen, dass sich die Szene durch den Boom langfristig und nachhaltig von der Covid-19-Pandemie weiterhin erholt. Die Zeichen stehen durch die zunehmende Beliebtheit der elektronischen Musik bei starken Fangemeinschaften, die stetig wachsen, gut. Gleichzeitig sollten aber auch steigende Kosten und die gesamte globale wirtschaftliche Situation berücksichtigt werden.
Weitere Infos zur IMS (International Music Summit) findet ihr auf der offiziellen Website.
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