„In den Kronen“ – keine bittere Pille, sondern ein zuckersüßer, ekstatischer Rave-Roman

Der Wahlkölner Julian Schraven hat 2022 seinen Erstling veröffentlicht: „In den Kronen“, ein Rave Movie, das die Leser*innen in eine subkulturelle Welt entführt und sie mitnimmt zum „Anker Lichten“, einem elektronischen Festival mit dem zauberhaft anmutenden Floor „In den Kronen“ – ein Paradies inmitten von dichten Baumkronen, mit dreistöckigen Baumhäusern für die jubelnden Feiermäuse. Wie meine treuen Fans bereits wissen, hat der Roman es mir angetan.

Als Redakteurin frage ich viel und gerne. Und so sprudelten eines Abends viele Fragen aus mir heraus und Julian hat sich bereit erklärt, sie zu beantworten. „Das war mein erstes Interview“, verriet er mir später und hat sich gut geschlagen. 

Julian, du hast ein Buch geschrieben. Warum der Titel „In den Kronen“?

Der kam aus mir heraus, ich habe mir da keine langen Gedanken drüber gemacht. In Woche eins des Schreibens habe ich kurz drüber nachgedacht, bin auf den Titel gekommen und habe ihn seitdem nie wieder in Frage gestellt.

Ich bin übrigens nicht die Einzige die dachte, der Roman sei autobiografisch. Angeblich war sogar schon mal jemand beim „Anker Lichten“, obwohl es keine Querverbindung mit der Realität gibt. War wohl gut. 

Wie würdest du dein Buch jemandem zusammenfassen?

Der Klappentext beschreibt es ganz gut. Es geht um musikalische Erlebnisse, Abenteuergeschichten auf Festivals, Freiheiten die man sich in der echten Welt nicht nehmen kann.

Wie würdest du Gregor beschreiben?

Irgendwie abgebrüht. Zielstrebig aber mit Scheuklappen auf den Augen. Er schaut über den Tellerrand hinaus, hinterfragend, anzweifelnd, auf der anderen Seite tief runtergestiegen ins Rabbit Hole, tief eingetaucht in die Parallelwelt die da stattfindet … viele tauchen ab und sind sich nicht bewusst darüber, dass alles was sie da erleben dann endet, wenn die Party vorbei ist. Die Prinzessin übersieht das Ende wohlwollend, Anna hat das Ende im Blick, Gregor kennt beide Perspektiven, was Fluch und Segen zugleich ist.

Wie sieht die Prinzessin in deinem Kopf aus?

Blond, lange Haare. Viel mehr weiß man nicht. Interessanter ist aber eh den Charakter zu beschreiben, wie ihr Knibbeln am Nasenpiercing. Das finde ich spannender, als Menschen von außen zu betrachten. Und ist doch schön, dass es in der Phantasie der Leser bleibt.

Hand aufs Herz: Wenn du jemanden kennenlernst und gefragt wirst, was du beruflich machst; sagst du, dass du Autor bist?

Musiker und Autor, denn ich produziere Musik für mich selbst, für meine Band Gázel und auch im Auftrag. Das Buch ist zwar gerade das Vorzeigeprojekt und ich sehe mich da auch als Autor aber hauptsächlich bin ich Musiker.

Was hat sich seit deinem Erstling verändert?

Die Inhalte auf meinen Social-Media-Kanälen haben sich verändert, weniger Partyfotos, mehr Hinwiese aufs Buch. Könnte aber auch an Corona liegen… die Gesamtperspektive hat sich auf jeden Fall verändert, neue Möglichkeiten. Wenn man verlegter Autor ist, ist es bestimmt auch in Zukunft leichter, verlegt zu werden. Ich sehe den Roman als Türöffner für alles was da noch kommen könnte.

Wie stolz bist du auf den Roman?

Schon sehr stolz, weil ich es geschafft mir selbst zu beweisen, dass meine Ideen umsetzbar sind, wenn ich es will und dass es sich lohnt dran zu bleiben. Die Themenfindung hat Monate gedauert, das Schreiben hat Jahre gedauert, einen Verlag zu finden hat über ein Jahr gedauert. Nachdem ich das geschafft habe, bin ich der festen Überzeugung: Wenn ich eine Idee habe und diese umsetzten will, schaffe ich das auch, und das macht sehr stolz.

Wie lange und mit welcher Technik hast du daran geschrieben?

Circa zwei Jahre … über einen langen Zeitraum, mit einem Notizzettel auf dem Handy. Da habe ich Pointen und Quintessenzen von lustigen und interessanten Begegnungen festgehalten. Quasi einen Fundus angelegt, diesen irgendwann sortiert, und dann den Handlungsstrang mit Dingen aus dem Fundus ausgestattet.

Wie lange hattest du die Idee, bevor du mit dem Schreiben angefangen hast?

Ziemlich genau drei Monate, in 2019 war ich innerhalb von zwei Monaten auf acht Festivals. Im Januar 2020 habe ich angefangen zu schreiben.

Hat dich jemand unterstützt? Wenn ja, wer und wie?

Ganz viele Leute haben mich unterstützt, ich habe den Roman immer wieder Freuden vorgelesen und mich abgesichert, dass ich niemandem auf die Füße trete. Das war mein enger Freundeskreis und Bekannte aus der Club- und Festivalszene. Judith Ahrends aus Berlin hat den ersten Song zum Soundtrack und zwei Videotrailer beigesteuert, die meine Freundin Anniki Lee gedreht hat. Sie ist Filmemacherin aus Köln. Sunnyi Löhmann hat ganz viele Grafiken und das Artwork gemacht.

Ich hätte es alleine nicht geschafft, das gesamte Erscheinungsbild des Romans auf die Beine zu stellen. Das Lektorat lief durch den Verlag, die haben auch Promokampagnen organisiert. Und ich habe auf etlichen Festivals vorgelesen. Ja, ich habe viel Lob und Anerkennung aus der Szene bekommen, was mich immer wieder motiviert hat weiter zu machen.

Wie kann man sich das vorstellen: Hast Du jeden Tag an dem Buch gesessen? Wie viel hast Du circa in einem Rutsch geschrieben? Das Buch flowt dermaßen …. dann musst Du auch im Schreibfluss gewesen sein?!

Es gab tatsächlich nur drei große Schreibphasen, dazwischen immer mehrere Wochen oder Monate Pause.

Warum hast du dich gegen eine Autobiografie entschieden?

Ich sehe keinen Sinn darin, meine persönlichen Erfahrungen aufzuschreiben, die sind ja an erster Stelle privat. Nichts von dem was ich schreibe ist meine persönliche Meinung. Ich kann die Erkenntnisse des Buchs genauso bestätigen, wie ich sie widerlegen könnte. Zweitens würde ein autobiografischer Ansatz nicht so dicht ineinandergreifen, im Roman gibts eine Ansammlung von Erlebnissen, die in so kurzer Zeit nicht stattfinden würden.

Wieviel Gregor steckt in dir, wie viel Julian steckt in Gregor? 

Wenig bis gar nicht. Ich möchte nicht in einem Buch verewigt sein, sondern viel lieber über meine eigenen Denkmuster hinaus schreiben, was viele Türen öffnet.

Hast du so eine Freundin wie die Prinzessin und falls nicht, hättest du sie gerne?

Ich habe viele Freunde die so sind wie die Prinzessin, das Best of dieser real existierenden Menschen befindet sich in dem Buch. Es sind aber keine echten Personen eins zu eins in dem Buch verarbeitet.

Hast du eine Lieblingspassage in dem Buch?

Ja, ein Lieblingskapitel: Magie … es ist ruhig und andächtig und die Prinzessin und Gregor unterhalten sich darin sehr ehrlich miteinander …. das sind Momente, die ich mir im echten Leben viel häufiger wünschen würde, offene Kommunikation ohne dass jemand Angst davor hat, verurteilt zu werden für das, was er denkt oder sagt.

Verlagssuche … wie läuft sowas ab und wieviel Geduld braucht man da?

Man braucht sehr viel Geduld und man muss überzeugt sein, dass das Buch gut ist. Ich bin kein Schriftsteller und habe keine Ahnung, wie die Welt der Bücher funktioniert. Aber man muss für jeden Verlag ein passendes Exposé schreiben. Als ich den Verlag Subkultur gefunden habe, habe ich ein Motivationsschreiben aufgesetzt und war der festen Überzeugung, dass das klappt. Eine Woche später hat Subkultur nach meinem Manuskript gefragt. Wenige Wochen später haben sie die Entscheidung getroffen, mich zu verlegen.

Der Verlag sagt zu – und dann? Wie beschreibst du einem Laien das Prozedere?

Dann dauert’s erstmal, dann wird man gebeten, die finale Version einzureichen, dann kommt ein korrigiertes Lektorat zurück, dann muss man überlegen ob man um seine Formulierungen und Gedanken kämpfen möchte. Man muss sich mit Sachen arrangieren aber wenn man einen coolen Verlag hat, darf man zum Beispiel über das Layout mitbestimmen, ein Mixtape zum Buch erstellen usw. Ich hatte das Glück, dass ich Mitspracherecht hatte. Man gibt viele Rechte ab, aber der Verlag hat auf Augenhöhe mit mir kommuniziert und ich bin mit dem Endergebnis 100 Prozent zufrieden.

Was hat das Buch mit deinem Selbstwert gemacht?

Nichts. Ich bin mir selbst sehr viel Wert. Das Buch ist etwas, das ich gemacht habe, aber nichts das etwas mit mir gemacht hat. Ich fühle mich deswegen nicht besser als vorher. Stolz bin ich, und motiviert. Mein Selbstwert hat sich nicht durch das Buch verändert.

Das Cover ist von Sunnyi – einer Freundin? Kannst du uns was zum Cover erzählen? 

Sie ist mit einer Kamera über das Zugvögel Festival gezogen und hat Langzeitbelichtungen von vielen Sachen gemacht, u. a. von den Lichtinstallationen. Es sind viele Bilder entstanden, wir haben eine Auswahl getroffen und das Coverfoto schnell gefunden. Was ich schön finde: Man kann nicht genau sagen was man da sieht. So ähnlich wie ein Rorschach-Fleck. Jeder sieht in dem Cover was anderes.

Gibt es Stellen mit denen du mittlerweile unzufrieden bist?

Nein, gar nicht.

Du hast viele Lesungen mit dem Buch abgehalten – was war das für ein Gefühl, wie war das Feedback? Hast du Bücher signiert? (Yeah 🙂 )

Ja, ich habe viele Bücher signiert, vor allem natürlich für Freunde und Bekannte. Auf Festivals zu lesen, war lustig bis kurios. Es haben sogar andere Menschen aus meinem Buch vorgelesen. Aber das Vorlesen ist nicht das, wonach mir strebt. Leute können gerne selber darin lesen, aber ich muss keine Betonung vorgeben. Ich finde es viel spannender zu erfahren, wie andere Leute es lesen.

Für wen ist „In den Kronen“ geeignet?

Für Menschen von acht bis 88 Jahren – Scherz. Es ist ein toller, intensiver Einblick in die Subkultur der elektronischen Musik, dennoch wird sich nicht jeder der in dieser Subkultur lebt, in dem Buch wiederfinden. Die Szene ist so groß, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass sich so viele Leute in dieser Szene wiederfinden. Das Buch ist eher was für Abenteuerlustige, Freigeister. Ich habe Fotos geschickt bekommen von Menschen, die das Buch überall dabei haben – am Strand, im Wald, in Hängematten.

Wird es einen weiteren Roman von dir geben?

Schauen wir mal. Ich habe seit Januar 2022 den Notizzettel auf meinem Handy wieder offen, aber weiß noch nicht, ob daraus ein weiteres Buch entsteht. Falls es eins gibt, spielt es woanders und mit anderen Leuten. Ich warte darauf, dass mich etwas anspringt was ich in Gänze behandeln will.

Text & Interview: Lisa Schulz
Fotos: Sunnyi Löhmann