In Gedenken an Dave Smith – ein Nachruf von Andreas Schneider

In Gedenken an Dave Smith

Manchen Monat möchte man am liebsten aus dem Kalender streichen. Auch wenn es das Geschehene nicht Ungeschehen machte. Aber auf diesen schmerzhaften Doppelstich ins Herz, den dieser Mai bereithielt, hätten wohl alle Fans der elektronischen Musik gerne verzichtet. Gerade noch war man noch in Hochstimmung angesichts der abgelaufenen Jubiläums-SUPERBOOTH22 in Berlin. Nicht ahnend, dass uns kurz danach gleich zwei einflussreiche Szenegrößen für immer verlassen würden. Der eine war Andrew Fletcher, Gründungsmitglied und Keyboarder von Depeche Mode – verstorben mit nur 60 Jahren am 26. Mai. Der andere Dave Smith, Gründer der wegweisenden Synthesizer-Company Sequential Circuits – verstorben mit 72 Jahren nur fünf Tage danach. Und während Weltstar Fletcher zurecht in allen Medien eine entsprechende Würdigung erfuhr, möchten wir an dieser Stelle Dave Smith einen Nachruf widmen.

Leicht lässt sich sogar eine Brücke schlagen zwischen dem britischen Musiker und amerikanischen Technikpionier, die zeigt, wie sehr die Erfolge miteinander verbunden waren. So wäre Depeches Kulthit „Everything Counts“ aus dem Jahre 1983 möglicherweise das nie geworden, hätte Fletch nicht Daves Prophet-5 zur Verfügung gehabt: Ein bereits 1977 veröffentlichter Synthesizer, der als weltweit erster mehrstimmig konzipiert war und dank Mikroprozessortechnik umfassend programmiert werden konnte. Ähnliches gilt für seinen 1985 herausgebrachten Keyboard-Sampler Prophet 2000, mit dem Fletcher während Depeche Modes „Black Celebration“-Tour 1986 die Massen live in den Bann zog.

Was außerhalb der Musiktechnikblase vielen gar nicht bewusst ist: Smiths Einfluss blieb keinesfalls auf das reine Instrumentarium wie die besagte Prophet-Reihe oder auch der 1984 verkaufte Drumcomputer DrumTraks beschränkt. Letzterer übrigens als erster mit vollständiger MIDIfizierung – und damit ist das entscheidende Schlagwort gesetzt. Denn Dave war zusammen mit Tom Oberheim und Ikutaro Kakehashi von Roland Erfinder des Musical Instrument Digital Interface, kurz MIDI. Also jener Datenkommunikation für Musikinstrumente, die bis zum heutige Tage Standard ist. Aufgrund der herausragenden Bedeutung erhielten Smith und Kakehashi dann auch 2013 den Technik-Grammy. Sequential Circuits bestand in seiner ersten Phase von 1974 bis 1987, danach entwickelte Smith u. a. die legendäre Korg Wavestation mit, bevor er 2015 seine Kultfirma in den zweiten Frühling schickte. Es folgten moderne Klassiker wie der mit Tom Oberheim entwickelte OB-6 (2016) oder der Prophet-5 in der Rev4-Neuauflage (2020). Letztes Vermächtnis ist der OB-8X, eine Gemeinschaftsproduktion der Firmens Sequential und Oberheim, die kurz zuvor unter dem Dach von Focusrite fusionierten. Als Highlight der SUPERBOOTH22 ließ es Smith sich wieder nicht nehmen, den neuen Übersynth persönlich zu präsentieren.
Überlassen wir die letzten Worte jemandem, der in den letzten Tagen noch im engen, persönlichen Kontakt mit dem Synthesizer-Genie stand: Andreas Schneider, Mastermind der SUPERBOOTH in Berlin:

Lieber Dave,
liebe Familie und Freunde von Dave,
es war mir und uns allen eine riesige Freude, Dich, Dave Smith, 2022 wieder auf der SUPERBOOTH in Berlin dabei gehabt zu haben. Dein persönliches Erscheinen verlieh der Messe, wie schon 2016, einmal mehr eine große internationale Bedeutung – wofür wir Dir herzlich danken. Mein persönliches Highlight und das Tüpfelchen auf dem i war die letzte Stunde Deiner Anwesenheit, als Du mit meiner Frau und mit mir vor dem außergewöhnlichen Stand unseres Freundes Richie Hawtin saßt. Wir tranken zusammen noch einen Sake, bevor Richie auf die Bühne ging, um für Dich, uns und die SOOPERgäste um uns herum eine Live-Performance gab. Wir hatten dann noch eine wundervolle Unterhaltung über das, was wir mit und die Messe mit uns gemacht hatte, bevor Du schließlich in einem der schönsten Momente aufgestanden bist, um Deine vermutlich letzte internationale Veranstaltung zu verlassen.

Ich brachte Dich noch zum Taxi – ein für mich ebenso bewegender wie lustiger und schöner Spaziergang. Als Du abfuhrst, spürte ich bereits, dass er zu jenen seltenen Momenten gehört, die unwiederbringlich sind. Wir sprachen auch von persönlichen Problemen, warum Du einen Gehstock benötigst und – wie ich glaube und hoffe – hast Du nicht nur die SUPERBOOTH zum bestmöglichen Zeitpunkt verlassen. Ich wünsche DIR nur das Beste, wo auch immer Deine gute Seele sein möge. Danke, dass Du Deine kostbare Zeit mit uns teiltest und für alles andere, was Du für uns getan hast!“

Dear Dave,
dear family and friends of Dave,
It was a big pleasure for me and all of us to welcome you, Dave Smith, on board again for SUPERBOOTH Berlin in 2022. Your personal presence gave it another visible and easy to understand international meaning as it did with your visit in 2016 already, thank you very much! The highlight for me personally and the final little dot of an I was the very relaxed last hour of your participation, sitting in front of the very outstanding booth of our friend Richie Hawtin together with my wife and me. We had another sake with Rich directly before he went on stage to perform for you and us and all the SOOPERguests around us, we had a wonderful conversation about what we did and had there. Finally, you decided to leave your probably very last international show in the best moment of it.

I personally brought you to the cab, still this was very emotional, but funny and nice at the same time. I saw you leaving and smelled that this was another of those moments that will never come back. Leaving the venue, you also shared your very personal problems and the reason of your walking stick with me and – I could imagine and I hope – you left the party when it was at its best, as you did it on SUPERBOOTH. I hope this was your way and the right one. Wishing you all the best wherever your good soul will be now. Thank you for sharing some time with us and for doing what you did!“

Auch das gesamte FAZEmag-Team verneigt sich tief vor der Person Dave Smith und seinen Leistungen. Vielleicht hat er auf der Reise oben ja wirklich noch Andy Fletcher getroffen und sie konnten schon mal ein paar himmlische Projekte besprechen. Nun sind sie Mitglieder der größten und exklusivsten Band – ein Ehrenplatz ist ihnen gewiss.