JANEIN – Alles andere als unentschlossen

Wer beim Schlagwort Techno nicht automatisch in Erinnerungen an längst vergangene Partys abdriftet, sondern sich auch mit dem Hier und Jetzt der Szene beschäftigt, der kommt an JANEINs Label SEELEN. nicht vorbei. In kürzester Zeit hat er es geschafft, dem Label und allen Beteiligten ein Spotlight zu verschaffen, das bereits über die Landesgrenzen hinaus reicht. Die Zahl der Unterstützer wächst rasant an und so prognostizieren wir SEELEN. eine große Zukunft, die sich, wenn es nach JANEIN geht, nicht oder nicht nur in Zahlen äußert, sondern in einem gewachsenen Wir-Gefühl. Für unsere 100. Ausgabe haben wir uns mit dem Leipziger DIY-Verfechter unterhalten.

 

Jan, du bist sowohl DJ und Produzent als auch Betreiber eines Vinyl-only-Labels. Wann hast du mit all dem angefangen?

Ich habe angefangen aufzulegen und zu produzieren, als ich 19 war, also vor knapp sieben Jahren. Das kam bei mir tatsächlich beides zusammen, da ich neben dem Auflegen die Musik und ihre einzelnen Bestandteile im Detail verstehen wollte. Das Hosten eigener Veranstaltungen kam dann vor knapp zwei Jahren dazu – mit dem Beginn von meinem Label SEELEN.

Hattest du vor JANEIN und SEELEN. auch noch andere Projekte, an denen du dich ausprobiert und Erfahrungen gesammelt hast?

Es gab hier und da immer mal ein paar Gelegenheiten, um mich auszuprobieren in verschiedenste Richtungen, allerdings muss ich sagen, dass es alles in allem schon ein Sprung ins kalte Wasser für mich war, ein Vinyl-only-Label zu gründen.

Ja, nein, vielleicht – welche Gedanken hast du dir zu deinem Künstlernamen gemacht? Was wolltest du damit ausdrücken?

Ich wollte mit dem Namen eigentlich nie etwas Genaueres oder besonders Tiefgründiges ausdrücken. Letztendlich schimmert aber vielleicht doch etwas Unergründliches durch ihn durch und spiegelt meine Liebe zu Neuem und Unbekanntem wider.

Vor rund zwei Jahren bist du dann mit SEELEN. an den Start gegangen. Wieso sollte es direkt ein eigenes Label sein? Welche Vision hattest du bei der Gründung vor Augen?

Ich wollte eine Plattform schaffen, die eine Form der Musik und des Ausdrucks darbietet, nach der ich bisher immer gesucht hatte. Mir war klar, dass ich das selbst angehen muss. Und „just do it“ hat sich auch hier bewährt. Heute bin ich unglaublich glücklich und stolz, diesen Schritt gemacht zu haben.

SEELEN. ist tatsächlich viel mehr als nur ein einfaches Label. Der Do-it-yourself-Charakter hat eine ganz besondere Rolle bei euch. Woher kommt das?

Wir möchten einfach alles selbst in der Hand haben, uns ausprobieren, eigene Wege gehen und Erfahrungen sammeln. Auch wenn das manchmal der schwierigere Weg ist.

In den letzten zwei Jahren ist die SEELEN.-Gang immer größer geworden. Wie kam es dazu? Und wer ist heute Teil der Truppe?

Ich war schon vor dem Start von SEELEN. damit beschäftigt, nach neuen, jungen oder unbekannten Künstlern zu suchen, deren Output und musikalische Qualität mich begeisterten. Mit der Zeit war da auch schon ein gewisser Pool an Künstlern zusammengekommen, die ich nur noch von meiner Label- und Do-it-yourself-Idee überzeugen musste. Natürlich können sich alle, die bei uns veröffentlicht oder auch bei unseren Labelnächten gespielt haben, als Teil des Ganzen sehen, denn sie haben dazu beigetragen, was SEELEN. heute ist. Zum „Inner Circle“, wie man so schön sagt, gehören dann: Stigmatique, Shaleen, Verschwender, Narciss, Karapapak, Rezystor, Inhalt Der Nacht, Fiedel und Jürgen Mayer, der auch den NovaFuture Blog betreibt.

Und es scheint, als hattest du von Beginn an große Fürsprecher und Supporter für deine SEELEN.-Idee. Hattest du hier einfach einen guten Riecher oder lag es an deinem ausgebauten Netzwerk?

Ja, das stimmt. Wir erhielten schon von Beginn an große Unterstützung aus der Szene. Ich erhielt dabei auch E-Mails von Acts wie SLAM, Anetha oder Remco Beekwilder mit der Nachricht, dass sie uns gern supporten möchten. Auch dass Fiedel in einem seiner Berghain-Sets mehrere SEELEN.-Tracks spielt, hat uns natürlich alle unglaublich motiviert und zusätzliche Energie gegeben. Solche Ereignisse haben uns alle an der Sache festhalten lassen und uns gezeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Ich muss aber auch zugeben, dass es ein klares Zusammenspiel aus allem ist. Neben der Qualität der Tracks haben auch ein gutes Netzwerk, der Zeitpunkt, Ort und die Idee zum bisherigen Label-Erfolg beigetragen.

Immer wieder fantastisch zu sehen, was passieren kann, wenn all diese Faktoren zusammenspielen. Und das in so kurzer Zeit – denn lange bist du ja noch nicht dabei. Vielleicht schilderst du in diesem Zusammenhang auch einmal deinen persönlichen Eindruck von der elektronischen Musikszene.

Die elektronische Szene in Deutschland hat ja schon eine lange Geschichte, und ich bin ehrlich gesagt schon etwas traurig darüber, nicht in den 80ern oder 90ern dabei gewesen zu sein. Als es noch darum ging, die Musik ausgelassen zu genießen. In meinen Augen ist das heute komplett anders, der ganze kommerzielle Aspekt ist mittlerweile gewaltig groß. Damals waren DJs einfach ein paar verrückt schillernde Persönlichkeiten, heute geht es zum großen Teil darum, wie viele Follower du hast und wie du dich am besten vermarktest. Dagegen versuche ich etwas anzukämpfen: mehr „back to the roots“. Das Gefühl von Zusammenhalt und Glaube an dieselbe Sache spielt auch bei SEELEN. eine große Rolle.

Da du ja sehr viel selbst in die Hand nimmst, dich um Planung und Organisation von SEELEN. kümmerst, wie viel Zeit bleibt da überhaupt noch, um selbst im Studio zu sitzen und Musik zu machen?

Mein Workflow sieht vor, dass ich mich nur dann ins Studio setze, wenn ich mich auch danach fühle. Ohne Zwang. Und in der Zwischenzeit kümmere ich mich dann um die Label-Angelegenheiten.

Wie geht es bei JANEIN musikalisch weiter?

Zuletzt kam mein Track „Sonic Synergy“ auf Fiedels neuem Vinyl-only-Label SuperSoundTool raus. Aber auch meine nächste EP „Kobald M“ steht in den Startlöchern. Die wird noch in diesem Jahr auf SEELEN. erscheinen und mit Remixen von Somewhen und Peryl bestückt sein.

Bis dahin ist es vielleicht auch wieder möglich, die Clubs zu öffnen. Ihr habt in den vergangenen zwei Jahren ja in ganz Deutschland Labelnächte gefeiert. Wo habt ihr schon überall Station gemacht?

Insgesamt waren das schon knapp 40 Labelnächte. Unter anderem sind wir alle drei Monate in Leipzig, im Institut Für Zukunft und der Distillery zu Hause. Darüber hinaus waren wir in Deutschland schon im Berliner ://about blank zu Gast, im Objekt Klein a in Dresden, im Blitz Club in München oder im MMA. Auch das Kölner Artheater war schon Anlaufstelle und der Gotec Club in Karlsruhe, der Goethebunker in Essen oder das Transit in Chemnitz. Wann es damit weitergehen wird, bleibt ungewiss. Hoffen wir mal das Beste, denn Pläne haben wir genug.

 

Aus dem FAZEmag 100/06.2020
Text: Julian Haußmann
Foto: Nils Holgerson