Kampfansage – Michael Urgacz aka Beam über seine Krebsdiagnose und den Spagat zwischen Underground und Kommerz

 

Als Teil des deutschen Trance-Projekts Beam & Yanou verzeichnete der Kölner Michael Urgacz Ende der 1990er/Anfang der 2000er riesige Erfolge, deren Höhepunkt wohl der Track Sound of Love“ war – die Hymne der Nature One 2000. Gleichzeitig arbeitete Urgacz im Management des ehemaligen Label-Riesen EMI, wo er heutige Weltstars wie David Guetta oder Deadmau5 betreute und förderte. Zu Hause ist der dreifach an Krebs erkrankte Künstler jedoch seit Denkzeiten im Underground. Wie er diese Gratwanderung meistert(e) und wie großartig Urgacz mit seiner niederschmetternden Diagnose umgeht, erzählt er uns im Interview.

 

Als Beam konntest du maßgebliche globale und kommerzielle Erfolge feiern. Dein Herz schlägt jedoch für den Underground. Wie hast du es geschafft, diesen Spagat über die Jahre hinweg aufrechtzuerhalten?

Als Mitarbeiter einer Major Company war mir damals klar, dass unser Fokus auf einem kommerziellen Sound liegen würde. Meine ersten Erfahrungen machte ich jedoch in der Underground-Szene, die mich von Beginn an faszinierte. Während ich mich dort quasi austoben konnte, wählte ich für meine Produktionen und meine Management-Tätigkeiten parallel einen profitorientierteren Weg, der mir eine finanzielle Sicherheit gab.

Tätig warst du unter anderem als Manager für das renommierte Plattenlabel EMI. Eigentlich auf kommerzielle Releases spezialisiert, hast du es geschafft, auch unbekannteren Künstlern auf dem Label Gehör zu verschaffen. Wie hast du das angestellt? 

Die Musik, die ich supporte(te) und lieb(t)e, stempelten meine EMI-Kollegen damals als bloßen „Krach“ ab, doch nach den ersten Erfolgen diverser Künstler konnte ich schließlich das Vertrauen meiner Vorgesetzten für neue Projekte gewinnen. Durch mich als Bindeglied gewann die EMI schließlich bei vielen Künstlern an Credibility. Dieses Fundament ermöglichte mir, Geld und Zeit in den Künstleraufbau zu investieren, was letztlich in einer unfassbar harmonischen Zusammenarbeit mit DJs, Producern und Künstlern resultierte.

Du hast eine dreifache Krebsdiagnose hinter dir und hast nun wieder mit einer Chemotherapie begonnen. Für viele Menschen wäre dies wohl eine physische und psychische Last, die nicht zu stemmen ist. Woher nimmst du die Energie, weiter am Ball zu bleiben und Musik zu machen?

Ich bin ein sehr positiver Mensch, der immer daran geglaubt hat, dass Hoffnung und Glück jedes Hindernis überwinden können. Natürlich war ich nach der ersten Diagnose total down, ich habe mich verkrochen und geweint wie ein Kind. Während der Chemotherapie hatte ich viel Zeit zum Nachdenken. Nach sieben Jahren Abstinenz von der Musik wurde mir plötzlich bewusst, welch tragende Rolle sie stets in meinem Leben spielte und wie glücklich sie mich eigentlich machte. Ich fasste den Entschluss, dem Krebs den Kampf anzusagen, meine Krankheit öffentlich zu machen und vor allem: wieder Musik zu produzieren. Es war die richtige Entscheidung: Alle drei Tracks landeten in den Dance-Charts und das Feedback war sagenhaft. Ein tolles Gefühl, das mir viel Mut im Kampf gegen den Krebs verschafft.

Mit Elements erscheint jetzt dein neuestes Release, das du gemeinsam mit Mystic Experience realisiert hast. Was dürfen wir hier erwarten?

Mystic Experience sind zwei gute Freunde von mir aus der Schweiz. Für das Release wollten wir uns an keinerlei Trends oder Vorgaben halten, und das ist auch gut so. Mit dem Track selbst und dem dazugehörigen Video wollen wir die Menschen an die (leider oftmals vernachlässigte) Thematik Umwelt/Natur erinnern und sie dazu ermutigen, die Initiative zu ergreifen sowie verantwortungsvoller zu leben. Der Track ist frisch releast worden und hat es in vielen Dance-Charts geschafft, als höchster New Entry einzusteigen: Für uns eine große Freude.

Gibt es etwas, das du den Menschen, die sich womöglich in einer ähnlich prekären Situation wie du befinden, mit auf den Weg geben möchtest?

Ich habe in den letzten Monaten vermehrt beobachtet, dass viele Menschen sich zurückziehen und versuchen, mit dieser enormen Belastung allein fertig zu werden. Bitte macht diesen Fehler nicht! Der Körper und die Psyche benötigen jede Art von Hilfe! Nehmt diese Hilfe in Anspruch, gebt euch niemals auf und macht das, was euch glücklich macht. Nur so könnt ihr die Krankheit besiegen. Ich freue mich über jeden Tag auf diesem Planeten und habe nicht vor, ihn kampflos zu verlassen. Das sollte auch für euch gelten. Abschließend wünsche ich uns allen, dass dieser Corona-Albtraum bald vorbei ist.

 

Liebe Grüße aus Kölle, euer Michael Urgacz

 

 

 

Aus dem FAZEmag 107/01.2021
www.facebook.com/michael.urgacz.aka.BEAM