Karmakind – Mosaik, das Erste

Foto: Carmen Koerner

Bei dem in Bochum gegründeten Kollektiv Karmakind herrscht eine lebendige Fusion zwischen Gesang, Querflöte, Gitarre und elektronischen Beats. Zwischen 80 und 125 bpm lassen es Ronja, Can und Mathis mal meditativ und verspielt, mal druckvoll und energetisch angehen. Soundtechnisch changieren sie dabei zwischen Downtempo und Dub sowie psychedelischen Spähren im House- und Techno-Kontext. Nach über einem Jahr Produktionszeit veröffentlichte das Trio nun mit „Mosaik“ sein Debüt-Album auf dem eigenen Label KINDERKRAM Records.

Ihr musikalischer Background ist dabei genauso divers wie der musikalische Bogen, den sie immer wieder spannen: „Da ich meine Kindheit in Syrien verbracht habe und meine Schwester dort Musiklehrerin war, hatte ich viel Kontakt zur traditionellen arabischen und kurdischen Musik. Als ich 13 Jahre alt war, habe ich viel Rap und Hip-Hop gehört und angefangen, eigene Texte zu schreiben, Als Jugendlicher kam dann elektronische Musik dazu, und in Istanbul hatte ich durch die LGBTQ+ Community den ersten direkten Kontakt zur Technoszene“, berichtet Can.

Bei Ronja hat es etwas gedauert: „Ich habe mir das Musikmachen stets ausgeredet. Ich dachte, du kannst nur Musiker*in sein, wenn du das in die Wiege gelegt bekommst. Mathis war das egal, er wollte mit mir Musik machen, weil das in ein paar anfänglichen Sessions geflowt hat. Mit Karmakind kann ich auf meine Art Musik machen und experimentieren und bin nicht an Konventionen gebunden.“ Mathis wurde bereits früh von seinen Eltern in eine Musikschule geschickt, mit dem Privileg, im Kindesalter Klavier, Klarinette und Gitarre zu lernen: „Elektronische Musik wurde dann mit den ersten Raves interessant und spätestens nach meiner ersten Fusion habe ich mich in Ableton gestürzt.“ Kennengelernt haben sich Ronja und Mathis über Bummelzug:Acht, eine befreundete Band.

Can kam dann bei der Frauentag-Demo 2019 hinzu. Seitdem erlebten die drei einige gemeinsame Highlights, erinnert sich Mathis: „Mein persönliches Highlight war das 3000Grad Festival 2021. Weil das einfach eine totale Rettungsinsel in der Pandemie war und dazu noch einer unser ersten Festival-Gigs. Ein richtig schönes Konzert war auch das Kultur ohne Kohle Festival in Lützerath, wo eine Menge guter Leute aktiven Widerstand gegen den Kohleabbau von RWE leisten.“ Can erinnert sich an ein Konzert in der Baynatna Library in Berlin: „Dort habe ich mich mit den Menschen und meiner Band auf eine Art wieder zu Hause gefühlt.“

Als Bedroom-Producer nutzt Mathis quasi jede Gelegenheit, um an neuen Tracks zu arbeiten. Oft kommen Ronja und Can während des Prozesses dazu, um ihre Ideen einzubringen: „So entwickeln sich die Songs organisch weiter. Für das Album haben wir außerdem viele Gastmusiker*innen eingeladen, die uns auf verschiedensten Instrumenten zusätzlichen kreativen Input gegeben haben. Durch unsere multidimensionalen Perspektiven inspirieren, beeinflussen und ergänzen wir uns ständig gegenseitig. Einige Texte und Songideen entstehen auch beim Jammen am Lagerfeuer mit der Gitarre“, erklärt Ronja. Ihre Musik vereint dabei verschiedene Kulturen mit eigenen Lyrics: „Für mich ist unsere Musik therapierend, und ich glaube, auch für viele andere. Diversität war mir immer wichtig. Für mich war und ist das Projekt ein richtiger Integrationsprozess. Für mich ist Karmakind auch eine Möglichkeit zu zeigen, wie viel wir als Menschen gemeinsam haben, wie wir gemeinsam feiern und voneinander lernen können“ sagt Can.

Das nun erscheinende Album ist zu 100 Prozent in Eigenregie entstanden. Das hat zahlreiche Vorteile, birgt aber auch einige Schattenseiten, so Can: „Wir drehen ganz langsam durch (lacht).“ Mathis: „Wir haben gemerkt, dass wir viel weniger Zeit zum Musikmachen finden, weil wir so viel zu organisieren haben. Das ist für mich auf jeden Fall die größte Herausforderung. Wir brauchen eine Managerin!“ Vielleicht würde sich dann auch Cans Traum einer Welt-Tournee realisieren lassen. Für Ronja ist es wichtig, Inhalte weiterzutransportieren und noch viel mehr Leute auf lustige Art zu motivieren „sich mit Interkulturalität und weiteren politischen Fragestellungen auseinanderzusetzen“.

Aktuell veröffentlichen Karmakind alle zwei Wochen einen Song vom Remix-Album, das am 29. Juli releast wird. In Sachen Remixes sind u.a. Akteur*innen wie Barda, Seba Campos, AmuAmu und Haptik dabei: „Gigs stehen auch eine Menge an. Die findet man auf karmakind.band. Im September wollen wir außerdem eine kleine Tour durch Deutschland spielen.“

 

Aus dem FAZEmag 125/07.2022
Text: Triple P
Foto: Carmen Koerner
www.karmakind.band