Kevin Witt – Past. Present. Future.

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Nach „Maassives Gewitter“ (Italo Business, 2013) und „Hochgeschwindigkeit“ (TKR, 2014) ist am 4. April mit „Review“ das dritte Album von Kevin Witt erschienen und damit eine weitere Hommage des Rheinländers an modernen, und doch zeitlosen Techno. Kompromissloser Clubsound, der Kevins technoide Wurzeln irgendwo zwischen Detroit, Frankfurt und Berlin vermuten lässt. Wir haben uns mit Witt über seine musikalische Sozialisierung, seinen Status quo und das, was noch kommt, unterhalten.

Wie bist du seinerzeit zum Techno gekommen? Und was waren die bislang wichtigsten Stationen deines DJ- und Produzentendaseins?

Techno war schon immer ein großer Teil meines Lebens. Tatsächlich früher etwas härter als heute, das war ungefähr zwischen 2008 bis 2012. Mit der Zeit haben sich mein persönlicher Geschmack, aber auch meine Art, an Musik heranzugehen, verändert. Meine beiden zurückliegenden Alben auf Italo Business und TKR gehen in eine andere Richtung als mein aktueller Sound. Ich liebe es mittlerweile, in Tracks einzutauchen und die verschiedenen Elemente zu entdecken. Dieses Ohr bekommt man letzten Endes auch durch die Arbeit im Studio und den eigenen Fortschritt im Umgang mit Technik. Das Spektrum an Hard- und Software hat sich rückblickend ebenso weiter ausgebaut wie auch meine Idee und mein Verständnis von Techno, der mich anspricht und kickt. Ich arbeite seit ein paar Jahren sehr viel mit Ableton Live und freue mich, immer wieder neue Möglichkeiten zu entdecken, um am Sound zu arbeiten und Tracks zusammenzuschrauben. Für das aktuelle Album war es mir sehr wichtig, alle Schritte des Albums sehr eng zu begleiten, sodass ich neben der eigenen Arbeit im Studio auch beim Abmischen einige Tage bei Torsten Kanzler im Studio verbracht habe.

Ich habe über dich gelesen, du seist „Macher und Autodidakt“. Wie muss ich mir das in der Praxis vorstellen?

Ich versuche stets, alles an meinem Sound selbst zu machen und in der Hand zu haben. Vielleicht gehe ich manchmal ungewöhnliche Wege bei der Studioarbeit, um einen bestimmten Sound oder Klang zu erreichen, aber genau das macht es für mich aus. Keine ausgelatschten Pfade gehen, sondern eben selbst bestmöglich sein Ding machen. Für das aktuelle Album habe ich stundenlang den Drumkick und die Snare eines Schlagzeugs aufgenommen und analog sowie digital bearbeitet, um ein bestimmtes Resultat zu bekommen. Vielleicht hätte man das auch einfacher haben können, aber das ist eben mein Weg und letzten Endes der Sound von Kevin Witt.

Der Albumtitel „Review“ ist ja sicher nicht einfach nur so gewählt. Was überprüfst du bzw. betrachtest du damit genauer?

Mein neues Album produzierte ich über einen Zeitraum von einem Jahr. „Review“ habe ich deshalb als Titel gewählt, weil ich mit dem Sound und den Tracks auf das Jahr zurückschaue. Jeder Track beinhaltet ganz unterschiedliche Phasen und Momente aus meinem Leben in diesem Jahr. Ich habe unglaubliche Freude, Liebe und wahnsinnig schöne Momente ebenso verarbeitet wie auch Rückschläge und negative Emotionen. Die Titelnamen wählte ich nach meiner jeweiligen Gefühlslage aus und so entstand letzten Endes der Titel des Albums.

Wo siehst du selbst die größte Weiterentwicklung in Sachen Sound – von deinem Debüt bis heute? Gab es bestimmte Wendepunkte in deiner bisherigen Karriere?

Ich denke, als Künstler ist man nie zufrieden mit seiner Arbeit. Man denkt immer über mögliche Verbesserungen nach und versucht, diese beim nächsten Mal umzusetzen. Das ist bei mir nicht anders. Das zeigt sich in dem Umgang nicht nur mit dem Studioequipment, sondern auch mit meinen Erfahrungen als DJ. Das, was ich im Club erlebe, wie die Leute auf bestimmte Passagen reagieren – all diese Komponenten nehme ich mit nach Hause und verwerte sie im Studio. Über die Jahre verschieben sich dann ganz klar die Schwerpunkte und sicher hat man auch mehr Selbstvertrauen, bestimmte Sachen einfach auszuprobieren, auch wenn sie ungewöhnlich sind. Und ohne Zweifel ist meine Art von Techno nicht mehr so hart wie Ende 2000.

Glaubst du im Bereich der elektronischen Musik – insbesondere im eher trackbasierten Techno – noch an das Format Album? Welche Bedeutung hat es für dich als Künstler, welche für dich persönlich?

Würde ich in Formaten denken, wahrscheinlich nicht. Heute bestimmen natürlich eher Streaming und schnelllebige Singles den Markt. Dennoch ist es mir sehr wichtig, meine Tracks zu einer Geschichte verpacken zu können und damit den Leuten und der Szene einfach etwas Wertiges in Form eines Albums zurückzugeben. Außerdem denke ich, ist nichts so sehr dafür geeignet, seinen eigenen Stil in einer Art Werkschau zu präsentieren, wie eben ein Album. Mit dem dritten Album geht für mich nun wieder ein Traum in Erfüllung.

Woraus schöpfst du Inspiration und Ideen?

Das ist sehr unterschiedlich. Inspiration hole ich mir aus den Clubs beim Auflegen, auf dem Weg dorthin im Flieger oder der Bahn oder auch durch andere Musik. Das muss gar nicht zwangsläufig Techno sein. Meistens ist es vielmehr ein bestimmtes Gefühl, das ich dann im Studio umsetzen will. Ich habe da auch keine feste Herangehensweise, sondern versuche, immer wieder neue Wege zu gehen.

Probierst du häufig neue Dinge im Studio aus oder setzt du lieber auf ein altbewährtes Setup?

Ich liebe es sehr, neue Dinge im Studio auszuprobieren. Das fängt dann bei neuen Filtern an, mit denen ich mich stundenlang beschäftigen kann, und endet beim Recording von analogen Instrumenten wie dem Schlagzeug. Dennoch vertraue ich schon sehr lange auf das APC40 und Minova von Novation sowie den RMX1000 von Pioneer, die zur festen Studiofamilie gehören. Aber manche Sachen bleiben nur eine Weile bei mir im Studio und fliegen dann wieder raus, wenn sich der Workflow nicht einstellt.

Plattform für „Review“ ist das Label von Torsten Kanzler. Besteht diese Verbindung schon länger? Warum ist TKR das perfekte Label für dich?

2014 veröffentlichte ich mein zweites Album „Hochgeschwindigkeit“ ebenfalls auf TKR. Das Arbeiten mit Torsten war einfach auf einem sehr professionellen Niveau und zugleich sympathisch. Er unterstützt mich sehr und ich freue mich, hier eine Labelheimat gefunden zu haben. Auch andere Tracks, die auf TKR veröffentlicht werden, setze ich oft in meinem Set ein. TKR steht für mich für einen sehr authentischen Techno mit druckvollem Sound und melodischen Ansätzen.

Wie sieht eine typische Woche in deinem Leben aus? Und an welche Orte verschlägt es dich an den Wochenenden? Gibt es Clubs, Länder oder Orte, die du mit Vorliebe bespielst?

Ich verbringe viel Zeit im Studio und arbeite an Tracks. Einen Tag lege ich mir immer fest für die Suche nach neuen Tracks und zum Anhören von Promos. Ab Freitag ist dann immer Vollgas angesagt. Ich liebe die Prozedur des Taschepackens, Losfahrens und nachts im Club stehen und auflegen. Genauso freue ich mich jedoch auch auf freie Tage mit meiner Familie. In den Clubs, in denen ich auflege, verbringe ich meist auch recht viel Zeit und sauge den Vibe auf. Unter der Woche ist es dann eher klar strukturiert, damit am Wochenende die Akkus voll sind.

Du lebst in der Nähe von Köln, bist so etwas wie ein Kölner Techno-Urgestein. Welche Vorzüge bringt dir diese Stadt z. B. im Vergleich zur Partyhochburg Berlin?

Es ist immer schwierig, Berlin mit einer anderen Stadt zu vergleichen. Jede Stadt hat natürlich seine unterschiedlichen Crews und eine eigene Szene, auch wenn Techno so wunderbar Menschen verbinden kann. Köln hat ja nun ebenfalls – wie zum Beispiel auch Frankfurt und Hamburg –namhafte Künstler und Labels hervorgebracht und fantastische Clubs. Und sicher hat sich das insgesamt auch auf mich und meine Entwicklung ausgewirkt. Ich schätze Köln sehr, aber auch die umliegenden Orte und die Landschaft mag ih sehr.

Was sind deine Pläne für die kommenden Wochen, für den Sommer und überhaupt für den Rest des Jahres? Stehen weitere Releases an, eine Tour, große Festivals?

Nach der intensiven Phase des letzten Jahres im Rahmen der Albumproduktion steht jetzt erst einmal die Promophase an. Darüber hinaus freue ich mich schon wahnsinnig auf meine kommenden Club-Gigs. Und ehrlich gesagt habe ich auch schon wieder Lust, neue Sachen zu produzieren. Sowohl mit Sven Wittekind, Torsten Kanzler als auch mit Björn Torwellen kommen 2016 weitere Projekte. / TechNic

Aus dem FAZEmag 050/04.2016