Khainz – Der musikalische Fingerabdruck

Der Schweizer Simon Schwendener ist schon seit einiger Zeit unter dem Namen Khainz unterwegs und hat unter diesem Alias auch schon zwei Alben und eine ganze Menge EPs veröffentlicht. Dieser Tage erscheint auf dem Label Yoshitoshi sein neuestes Werk „Fingerprint“. Auf diesem erforscht der gebürtige Luzerner neue klangliche Gefilde und perfektioniert seinen angenehm melodischen Sound. Wir wollten wissen, wie es dazu kam, warum es erst jetzt erscheint und was ihn sonst so bewegt. All das erfahrt ihr in diesem Interview.

Hallo, Simon, du bist ja schon etwas länger als Produzent tätig. Was kannst du uns über deine ersten Schritte im Bereich der elektronischen Musik erzählen?

Es hat alles im Alter von 14 Jahren angefangen – neben „U96 – Das Boot“ oder den Chemical Brothers kannte ich noch nicht so viel elektronische Musik. Mein älterer Bruder hat dann aber angefangen, Goa- und Acid-Platten aufzulegen, was mich faszinierte. Ziemlich bald lernte ich das Beat-Matching und begann, meine eigenen Scheiben zu sammeln.

Ab welchem Zeitpunkt hast du dir den Namen Khainz gegeben?

Das war 2006, nach dem Boom Festival in Portugal. Da habe ich einige großartige Techno-Sets gehört, unter anderem von Sebastian Krueger, die mich ziemlich beeindruckt haben. Ich habe also beschlossen, mich in dem Gefilde zu versuchen, und fand ziemlich viel Spaß daran. Deshalb musste dann auch ein neuer Name her. Neue Musik, neuer Name. Als ich dann gefragt wurde, was bei meinem ersten Gig auf dem Flyer stehen sollte, wusste ich nicht wirklich, was für einen Namen ich dem Projekt geben sollte – ich schlug vor, Karl Heinz zu schreiben. Das passte ihnen allerdings nicht so richtig, weshalb ich wiederum vorschlug, auf Khainz zu kürzen. Das wurde dann mein Künstlername – und so blieb es. 

Dein Sound als Khainz war immer schon recht melodisch. Hast du eine klassische Musik-Ausbildung genossen?

Ich habe mal Xylophon gespielt und mich danach zwei Jahre am Klavier versucht mit etwa zehn Jahren – das habe ich allerdings relativ schnell wieder aufgegeben, da ich anderes im Kopf hatte, als täglich zu üben. Mit einer musikalischen Ausbildung hatte das also wenig zu tun. Ich kann nicht mal mehr richtig Noten lesen. Deshalb kommt das Melodiöse meistens einfach aus der Intuition heraus. Es ist einfach das, was ich persönlich als schön oder richtig empfinde.

Du hattest über die Jahre ja auch noch andere Pseudonyme. Ab wann wusstest du, dass Khainz am wichtigsten ist?

Vor gut 25 Jahren hieß ich Thujon, dann habe ich angefangen, mich auf Musikproduktionen zu konzentrieren, und nannte mich Freakulizer. Als ich dann mehr und mehr Gefallen an weniger schnellen bpm-Zahlen fand, habe ich das Projekt Khainz ins Leben gerufen und eine Weile später dann Simon Slice, ein Projekt, an dem ich auch heute noch ab und zu arbeite. Freakulizer und Thujon gibt es jedoch nicht mehr. Es ging mir immer darum, welchen Sound ich selbst am liebsten hören und verfolgen möchte, deshalb habe ich auch ziemlich bald den Fokus auf mein Khainz-Projekt gelegt.

Deine früheren Veröffentlichungen bewegen sich eher im Progressive-House-Bereich, irgendwann ging es dann in die Richtung Tech-House. Wie kam das?

Ich habe immer das produziert, was ich selbst gerade am liebsten gehört habe. Ich denke, jeder Mensch macht eine musikalische Entwicklung durch. Auch wenn ich heute im Studio sitze, produziere ich die Musik, auf die ich gerade Bock habe. Mir würde extrem langweilig werden, wenn ich mich ständig wiederholen würde; das kommt wahrscheinlich auch daher, dass ich extrem viel Zeit im Studio verbringe – unter der Woche fast täglich – und somit sehr viel Zeit habe, um Verschiedenes zu produzieren.

Gutes Stichwort. Das neue Album ist vom Sound her recht abwechslungsreich geworden. Es knüpft auch wieder an alte Releases an. Hast du dir hier eine neue Herausforderung gesucht?

Ein Album ist immer eine Herausforderung, ich wollte einfach den Sound widerspiegeln, den ich gerade am liebsten produziere. Wenn ich wieder mal ein Album mache, könnte es sein, dass es wieder komplett anders klingt. Persönlich finde ich es sehr wichtig, nicht einfach einen Trend zu kopieren, sondern das zu machen, worauf man persönlich am meisten Bock hat. Und das ist auch nicht immer einfach! Man möchte natürlich auch, dass das Album vielen Leuten gefällt und es nicht langweilig wird beim Durchhören. Deshalb fällt das Album auch relativ abwechslungsreich aus.

Es gibt Trance- wie auch Rave-Einflüsse. Sind das die Genres, die dich momentan am meisten interessieren?

Ich mag so viele verschiedene Stile, weil mir auch schnell langweilig wird, wenn ich immer dasselbe höre. Ich habe gerne etwas Melancholisches in der Musik oder auch Melodien, die bei mir Gänsehaut auslösen, da kann es auch mal trancig oder ravig sein. Wenn ich im Studio sitze, dann habe ich keinen Masterplan vor mir, sondern ich mache einfach mal. Bestimmt habe ich einen Musikstil im Kopf, aber ich könnte am Anfang einer Produktion nie sagen, wie das Endresultat genau klingen wird.

Bist du deiner Meinung nach mittlerweile bei dem Sound angelangt, der dich als Künstler komplett abbildet?

Irgendwie schon, aber das habe ich bei den früheren Alben und Releases auch schon gedacht. Der Stil, den ich zurzeit verfolge, ist auch irgendwie eine Mischung aus meinen Produktionen der letzten 15 Jahre. Aktuell ist es definitiv die Richtung, die mir am besten liegt und in der ich auch am meisten Spaß habe, wenn es ums Produzieren geht.

Beim Hören des Albums fiel mir auf, dass es etwas härter ausfällt als das letzte. Es knüpft damit an deine letzten EPs an. War das so gewollt?

Das Album spiegelt ja das wider, was ich zurzeit gerne produziere, und während des Prozesses habe ich auch ein paar EPs fertiggestellt. Deshalb ist es normal, dass die letzten Veröffentlichungen eine gewisse Ähnlichkeit mit den Tracks des Albums haben. Das letzte Album „Simple As That“ kam 2012 auf den Markt, also vor gut sieben Jahren. Ich denke, jeder macht eine musikalische Entwicklung durch über einen Zeitraum von so vielen Jahren. Wer weiß, was ich sieben Jahre nach „Fingerprint“ produzieren werde. Ich weiß es nicht – vielleicht wird es genauso sein wie jetzt, vielleicht was anderes.

Ist das Album daher vielleicht eher für DJs gedacht als für das Homelistening?

Ich denke, es ist eine gute Mischung aus beidem. Ein Album sollte widerspiegeln, was der Artist aktuell macht. Ich hätte auch fünf Minuten Drone oder irgendwelche Chill-out-Tracks auf das Album packen können, damit es mehr in die Homelistening-Richtung geht oder der Output „künstlerischer“ wirkt. Ich spiele jedoch keine fünfminütigen Drones oder Chill-out-Tracks in meinen Sets, deshalb geht das Album auch eher in Richtung Tanzmusik.

Die Alben „Modul8“ und „Simple As That“ erschienen 2009 und 2012. Gibt es einen Grund dafür, dass es so lange dauerte, bis mit „Fingerprint“ ein Nachfolger kam?

Ich wollte mich musikalisch finden. Ich habe so viel Verschiedenes produziert über die letzten Jahre und wollte zum einen einfach einen Style finden, der mich musikalisch repräsentiert, und zum anderen auch einen roten Faden im Album haben. Natürlich habe ich auch auf ein gutes Label gewartet, das mich supportet und zu 100 Prozent hinter meiner Musik steht.

Jedes Album ist ja immer eine Reflexion des Künstlers. Wie lief der Entstehungsprozess dieses Albums ab?

Das war ne lange Reise, ich habe 2015 mal angefangen, ein Album zu machen, habe dann jedoch immer wieder Tracks für EPs an Labels rausgegeben. Irgendwann musste ich mir dann einfach die Zeit nehmen und mich auf das Album konzentrieren. Ich habe einfach Tracks gemacht – etwa 16 Stück waren dann in der engeren Auswahl und zehn haben es aufs Album geschafft. An einem Album zu arbeiten, ist was ganz anderes, als eine EP zu produzieren. Eine EP ist vielleicht über zwei oder drei Monate hinweg wirklich aktuell, an einem Album wird man über Jahre gemessen.

Was hat der Titel „Fingerprint“ für eine Bedeutung?

Ich habe das Album „Fingerprint“ genannt, weil jeder Track auf dem Album ein Fingerabdruck von mir ist. Niemand wird jemals einen Track eins zu eins kopieren können, das hat auch ein Fingerabdruck an sich. Ich denke, man kann ziemlich schnell hören, wenn ein Track von mir ist, und das finde ich auch wichtig. Ich denke, die meisten Künstler, die selbst produzieren, haben gewisse Merkmale in ihren Produktionen.

Beschreib uns doch zum Schluss noch die Szene in deiner Heimatstadt. Was geht in Luzern?

In Luzern geht ziemlich viel, wenn man die Größe der Stadt mit etwa 81 000 Einwohnern betrachtet. Wir haben vier Clubs, in denen so ziemlich jedes Wochenende elektronische Musik gespielt wird und auch des Öfteren internationale Gäste auftreten. Auch finden über den Sommer immer mal Partys im Freien statt. Ich finde die Szene hier echt gut für die Größe der Stadt und es gibt auch einige sehr talentierte Künstler hier.

 

Aus dem FAZEmag 089/07.2019
Text: Daniel Matthias
Foto: Mar Dean
www.yoshitoshi.com