Kid Simius – Alles vereint auf dem Planeten Simius

Grellbunt, verwegen, leichtherzig, universell und tief persönlich. So könnte man das neue Album von José Antonio García Soler, besser bekannt als Kid Simius, wohl am besten beschreiben. „Ich habe die Platte gemacht, die ich als Musikfan von mir hören wollte“, sind die Worte, die Kid Simius selbst für das Album findet. Auf „Planet Of The Simius“, das am 2. November auf Jirafa Records erscheint, gibt es sizilianische Arbeiterlieder, handgemachten House, Stoner Rock und psychedelischen Rap, melancholisch umwölkten Boogie-Pop und immer wieder Bezüge zur goldenen Disco-Ära. Auf der Vinyl-Edition des Langspielers finden sich zusätzlich Club-Remixe – unter anderem von Paul Kalkbrenner, Ada von Pampa Records und dem Katermukke-Chef Dirty Doering.

 

Kid Simius by Chris Schwarz5

 

Seiner Heimat Granada im Süden Spaniens sowie seinem Psychologie-Studium kehrte Jose vor rund zehn Jahren den Rücken. Seit seiner Ankunft in Berlin wirkte er an unzähligen Hits mit und kollaborierte mit Akteuren wie Marteria, Marsimoto, Paul Kalkbrenner, Deichkind und den Beginnern. Er hat Hip-Hop produziert, Bassmusik, Surfpop, psychedelischen Disco-Sound und elektronischen Pop und ist währenddessen mehrfach um die halbe Welt getourt. „Wenn du dich nur nach den Erwartungen anderer richtest, kannst du dich weder weiterentwickeln noch selbst mehr begeistern. Aber wenn du dich selbst begeisterst, dann wirst du zwangsläufig auch andere mitreißen“, sagt der Spanier. „Planet Of The Simius” ist dafür der beste Beweis. Jeder der elf Songs wirft Licht auf eine neue Facette der Musik von Kid Simius – und kleidet sie in elektronischen Pop mit einem großen Herzen für die goldene Ära von Disco und Soul. „Es war wie mein Spielplatz, wo ich alles rausgelassen habe, was es in mir gibt. Ich habe quasi die Erinnerungen der letzten Jahre in Musik gegossen. Jeder Song erzählt eine Geschichte aus meinem Leben und einer bestimmten Zeit.“ So entstand jeder Song in Zusammenarbeit mit einem befreundeten Musiker oder einer befreundeten Musikerin – aus Australien, Irland, Kolumbien, Italien, Portugal, UK, Spanien, Brasilien, Deutschland, Mexiko, den USA und sogar der Schweiz. „,Spanish Footwork’ habe ich mit der Flamenco-Tänzerin Ana Menjibar gemacht. Ich habe ihre Flamenco-Schritte in meinem Studio aufgenommen und dann damit den Beat programmiert und getriggert. Es ist kein normaler ,Four to the floor’-Beat, sondern ein reines Flamenco-6/8-Pattern, komplett ins Elektronische gewandelt. Als der Beat fertig war, habe ich eine Flamenco-Sängerin aus Granada kontaktiert, Ana Sola, die ich mega abfeiere. Sie hat bei sich in Granada die Vocals aufgenommen und mir dann geschickt. Ich habe auch ganz viel mit dem irischen Sänger und Produzenten Enda Gallery zusammen gemacht, der nicht nur auf einigen Stücken der Platte gesungen hat, sondern auch ein superwichtiger Teil der Produktion war. Zwei Stücke der Platte habe ich in Granada von Carlos Diaz mischen lassen, dem Sound-Engineer und Produzenten meiner Lieblingsband Los Planetas. Moritz Friedrich aka Siriusmo hat ein paar Keyboards für einen Song aufgenommen. Kilnama ist die Band meines Bruders und Enda Gallery und mit ihnen zusammen ist zum Beispiel ,Flashback’ entstanden. Auch Roland Knauf von Deichkind und Marteria waren stark involviert. Diese Liste könnte ich noch weiterführen. Es ist schön, zu sehen, wie viele Freunde und Künstler, die ich sehr schätze, Teil meines Albums geworden sind.“

Dieses Werk ist das Follow-up zu seinem Debütalbum „Wet Sounds“ aus 2014. Eine rein konzeptuelle Angelegenheit, wie er heute feststellt. „Seit ich angefangen habe, Musik zu machen, habe ich immer versucht, so viel Spaß wie möglich dabei zu haben und mich vor allem künstlerisch immer so auszudrücken, wie ich es in dem jeweiligen Moment gefühlt habe. Ich habe immer versucht, neugierig zu bleiben und mir treu zu bleiben. ,Wet Sounds‘ war eine rein konzeptuelle Platte, auf der ich diese Surf-Sounds kombiniert habe mit elektronischen Klängen. ,Don Juan Enterprise’ und ,Jirafa Waves’ sind mehr oder weniger elektronische Beats mit Vocals und als Songs arrangiert. ,Planet Of The Simius’ ist alles, was mich musikalisch beeinflusst hat, seit ich auf der Welt bin.“ Und so beinhaltet Musik, wie er selbst sagt, immer eine „romantische Ideologie“. Es ist wie die Suche nach etwas, ein konstantes Lernen über sich selbst. „Beim Musikmachen lerne ich mich selbst besser kennen und dabei ist in den letzten Jahren viel passiert. Obwohl man denkt, man könnte immer alles kontrollieren beim Kreieren von Musik, passieren sehr viele Sachen durch Zufall oder gar ungewollt, die einen zum Nachdenken bringen. Das alles ähnelt einem kompletten Kontrollverlust, da man gar nicht weiß, wo es hingeht. Aber genau das macht alles so interessant, dass man immer motiviert ist und Lust hat, Musik zu machen. Wenn man dann zurückblickt, kann man analysieren, wie sich alles entwickelt hat.“ Man hört seine Liebe zu Disco, Psychedelic Rock, Hip-Hop und Rave heraus – und während auf der einen Seite jeder Song für sich allein steht, haben sie doch alle etwas Gemeinsames, eine Art roten Faden. Oder wie er es beschreibt: „Sie befinden sich gemeinsam auf einem Planeten. Genauso wie es auf diesem Planeten kalte Länder, warme Länder, flache Länder, das Meer, die Berge und so weiter gibt.“

Bei seinem Umzug von recht warmen in eher kalte Gefilde war er gerade einmal 21 Jahre alt. Im Schlepptau hatte er damals nicht mehr als einen Koffer voller Träume und eine Gitarre. „Es ist viel passiert, seit ich in Berlin wohne, und ich werde sehr nostalgisch, wenn ich an diese Zeit zurückdenke. Ich kann mich daran erinnern, dass ich auf der Straße ein Plakat vom Melt-Festival gesehen habe und dachte: ,Krasses Line-up, es wäre so toll, wenn ich irgendwann dort spielen dürfte.’ Mittlerweile war ich dort bereits dreimal als Künstler dabei. Als ich 2008 privat auf der Fusion war, bin ich ausgeflippt und hatte denselben Gedanken – und dort war ich nun schon fünfmal dabei. Das ist alles schon ziemlich abgefahren. Man sollte immer dankbar sein für das, was man erlebt hat, und das bin ich. Wenn ich an die ersten Shows denke, die ersten Partys, daran, wie die Stadt sich musikalisch entwickelt hat, bin ich sehr stolz, dass ich ein Teil davon bin und dass ich es miterlebt habe. Ich kann mich an alte Clubs wie WMF, Horst, Maria oder die Bar 25 erinnern, die es ja gar nicht mehr gibt, und kann heute sagen, dass ich da war. In der alten Maria habe ich zum Beispiel den Laptop-Battle, den ,Laptop Music Live Contest’, gewonnen, da war ich ganz neu in der Stadt. Der Hauptpreis war ein bisschen Equipment von Native Instruments zusammen mit einem Premium-Account für ein Jahr bei SoundCloud. Ich war so glücklich danach, dass ich fast geweint habe. Nicht nur als Musiker, sondern als Musikfan hat man Sachen gesehen, die jetzt Teil der musikalischen Geschichte der Stadt sind: Beim ersten Moderat-Konzert im WMF war ich zum Beispiel im Publikum.“

Traditionen und Geschichte, die Kid Simius auch mit ins Studio begleiten. Dort arbeitet er nach einem recht simplen Prinzip. „Mein Gehirn ist meine Lieblings-Hardware. Ich habe ganz am Anfang gelernt, dass die Technik der Idee dienen soll und nicht umgekehrt. Erst mal Ideen haben und dann gucken, mit welchen Geräten man diese umsetzen kann. Dadurch, dass die Songs an verschiedenen Orten entstanden sind, wurden sie auch mit verschiedenen Geräten produziert. Ich habe nichts Konkretes, das ich immer nutze, aber ich kann sagen, dass ich meinen Roland SH-2000 liebe, weil er supernostalgisch und verspielt klingt. Das passt sehr gut zu meinem Sound. Ich hatte im Synth-Studio in Hamburg eine Session, dort gab es einen Jupiter 4, der nun ein Teil von ,Estrellita’ ist. Diesen Song habe ich auch in den Red-Bull-Studios in Berlin bearbeitet und dort stand ein Moog Voyager, der nun ebenfalls in dem Song vertreten ist. ,The Flute Song’ habe ich in einem kleinen Häuschen am Strand von Kolumbien gemacht. Dort war nicht mehr vorhanden als eine Okarina-Flöte, mein OP-1 und ein Computer. Dann habe ich einfach einen Ton von der Flöte aufgenommen, diesen auf die OP-1-Tasten gelegt und so ging es los.“ In den kommenden Wochen und Monaten geht es für ihn auf eine ausgedehnte Album-Tour, bei der er sein Album live auf der Bühne präsentiert. Amsterdam, Köln, Hamburg, Warschau und – natürlich – Berlin und Granada stehen unter anderem auf der Agenda. „Live spiele ich mit meinem Bruder Miguel zusammen: Er spielt Synths und Percs mit seinem Roland SPDS und ich spiele Ableton, FXs, Synths, Gitarre, dazu ein paar Vocals. Ich finde es superwichtig, dass es eine Interaktion zwischen Musikern gibt. Deswegen stehe ich nicht allein auf der Bühne.“

 

Aus dem FAZEmag 080/10.2018 
Text: Triple P
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