Legenden der Nacht: das „Upstairs“ – oder anders: „Alcatraz reloaded“

Vor ein paar Tagen hab ich euch ein Interview mit dem Besitzer des damaligen „Alcatraz“ in Landau an der Isar online gestellt. Der Artikel wurde zu einem der meist gelesenen und meist geteilten in den letzten Wochen. Hier geht es zu dem Artikel. Das schreit doch quasi nach einer Fortsetzung. Während ihr mit mir am vergangenen Wochenende in die Zeitmaschine gestiegen seid und wir die 1990er Jahre technoid auferstehen ließen, kehren wir jetzt zurück, ins Hier und Heute. Was ist aus dem damaligen Alcatraz geworden? Wie sieht es draußen aus? Wie drinnen? Welcher Sound läuft und welches Publikum ist die Zielgruppe? Fragen, auf die er die besten Antworten liefern kann: Jürgen Bachhäubl – seines Zeichens Betreiber des „Upstairs“, einer Location im ersten OG des einstigen Alcatraz. Freut euch auf einen Talk über Classic Raves mit Marusha und DJ Quicksilver, über Schaumparties in den 90ern, und ja: Wir müssen auch über volkstümliche Musik reden!

 

Was von damals übrig blieb.
Nicht viel. Bis auf das Gebäude, das (zumindest rein äußerlich) noch recht unverändert aussieht, lässt man den Namensschriftzug mal außen vor. Die Outdoor-Area: nur schwer wiederzuerkennen. Der Pool ist längst zugeschüttet, der Biergarten nicht mehr existent, und die einstige Beachbar: closed. Das gesamte Außenareal ist von Bauzäunen umgeben. Der riesige Parkplatz, auf dem früher Hunderte Autos parkten, ist heute maximal noch ein Fünftel so groß. Industrie eroberte den Asphalt. Doch es gibt einen Lichtblick, einen Hoffnungsschimmer: das Upstairs. Hier läuft Techno. Nicht nur, aber auch.

 

der legendäre und original aus den 90er Jahren erhaltene Alki-Tester

Jürgen, wie bist du auf die Idee gekommen, im ehemaligen Alcatraz eine neue Location zu gestalten?

Ich habe hauptberuflich einen Handwerksbetrieb für Sonnenschutz, Industrie- und Garagentore, und ich habe für die Brauerei, die das Gebäude damals schon gekauft hatte und der es bis heute gehört, einen Sonnensegel angefertigt. Und im Nebensatz hatte ich einmal erwähnt, dass ich Lust hätte, eine Kneipe oder ähnliches als zweites Standbein zu eröffnen – und sollte die Brauerei dank ihrer Connections da etwas Schönes haben, sollten sie sich einfach mal melden. Dann schlugen sie mir das einstige Alcatraz vor, beziehungsweise den ersten Stock. Denn der stand leer. Unten im Erdgeschoss ist seit Jahren schon das Castello – ein Tanzcafé für die Generation 60+. Wir sind also nach Landau gefahren und schon beim Besichtigen wurde mir klar: Das mache ich. Das war natürlich eine Herausforderung, da ich zwar Hobby-DJ bin, aber im Bereich Gastronomie keinerlei Erfahrung hatte. Und preislich sind wir uns auch sehr schnell einig geworden.

 

 

Und dann wurde aus der ersten Etage des Alcatraz‘ das Upstairs …

Jein. Nicht die ganz Etage, die war ja viel zu groß. Ich habe die ehemalige Mexican Bar zum kleinen Club umgebaut. Quasi den Teil im Alcatraz, in dem früher Billardtisch, Spielautomaten und Gaming-Station standen.

 

 

Und was passierte mit dem Rest der oberen Etage?

Die blieb von mir unberührt. Es gibt ja noch das Restaurant (das betreibt aber jemand Externes). Und dort, wo sich damals die DJ-Kanzel, das Lichtpult, der Steg und der Go-Go-Käfig befanden – das ist alles weg. Wo der Lichtjockey war, ist heute mein Büro. Früher konnte man von allen Stellen runter auf den Dancefloor und das Erdgeschoss gucken. Heute ist dieser „Balkon“ komplett zugemauert. Es gibt gar keine Möglichkeit mehr, von oben nach unten zu schauen. Auch nicht im Restaurant. Die einstige Glasfassade ist mit schwarzen Brettern blickdickt gemacht worden. Auch die ganze interne Infrastruktur wurde gändert. Lediglich die gemauerten Treppen mit den Stahlgeländern liefern einen Wiedererkennungswert an die damalige Zeit. Sonst ist – wie du ja selber siehst – alles total anders.

 

 

Wie die frühere Mexican Bar.

Richtig. Die ist heute das Upstairs. Das entstand in mühsamer handwerklicher Sisyphus-Arbeit. Der ganze Umbau war eine One-Man-Show meinerseits. Alles was du hier siehst – von den Bodenfliesen bis zu den Deckenplatten: Das hab ich alles alleine gemacht. Auch die Bar, die Licht- und die Soundanlage hab ich alleine installiert. Das hat natürlich auch viel Zeit in Anspruch genommen. Im Mai 2018 fing ich an, und im September des gleichen Jahres war dann alles fertig. Am 18.09.2018 war das Opening. Damals noch mit keinen namhaften DJs.

 

 

Welches Konzept fährst du mit dem Upstairs?

Wir machen Partys und Events für ein reiferes Publikum. Einlass ist generell erst ab 21 Jahren. Und die meisten Leute, die zu unseren Veranstaltungen kommen, sind die gleichen, die damals auch im Alcatraz feierten. Auch musikalisch gesehen sind wir recht stark retro-orientiert. Ich würde mal generell sagen, dass unsere Gäste mindestens 30+ sind, manche auch Mitte/Ende 50. Wir spielen die Techno-Klassiker von damals, aber auch mal eine gute Mischung aus vielen Bereichen der Musik. Viel 90er-Musik. Und es ist immer wieder schön zu sehen, wie die Leute von damals heute so aussehen. Wobei ich auch sagen muss, dass man nicht jeden wieder gleich auf Anhieb erkennt.

 

 

Das ist bei den Gästen so – und bei den DJs.

Stimmt, DJ Quicksilver ist natürlich auch älter geworden. Ihn hatten wir vor recht genau einem Jahr im Upstairs, als wir eine Classic-Veranstaltung gemacht haben. Und eigentlich sollte er nicht der letzte Act aus der guten alten Zeit gewesen sein.

 

Aber?

Aber dann kam Corona. Zuvor kam aber noch Marusha. Sie war im Frühjahr 2019 bei uns und aufgrund der sensationellen Stimmung haben wir sie für April 2020 erneut gebucht. Allerdings wurde daraus aus bekannten Gründen nichts. Das Event haben wir jetzt auf Frühjahr 2021 verschoben. Marusha wäre an genau dem Wochenende bei uns gewesen, als der Lockdown startete. Da blieb ich natürlich dann auf den ganzen Kosten sitzen, da wir bei solchen großen Events die Tickets im Vorverkauf anbieten. Auch die DJ-Gage war schon bezahlt. Hoffen wir mal, dass wir die Party im April nächsten Jahres nachholen können. Sollte das coronabedingt drinnen nicht möglich sein, dann würden wir es draußen machen. Einen Open-Air-Rave quasi. Und zwar dort, wo einst der Pool war. Und generell möchte ich das für die Sommersaison anbieten, dass wir draußen feiern. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Leute darauf Bock haben.

 

 

Und diese Classic-Events laufen?

Ja, die laufen super. Klar, ich muss natürlich mit 25 Euro einen relativ hohen Eintritt verlangen, da keine 6.000 Leute (wie damals) in den Club passen, sondern nur rund 400 – und die DJs haben ja immer noch ganz gute Gagen. Aber die Gäste sind durchaus bereit, das zu zahlen. Sie haben Bock auf die Retro-Acts. Allerdings muss ich auch sagen, dass ich auch richtig Werbung schalten muss, um das Upstairs mit 400 Leuten zu füllen. Es wäre also völlig fatal und utopisch, daran zu denken, dass man hier und heute noch einmal 6.000 Leute reinkriegen würde, wie damals. Das war eine ganz andere Zeit, die du nicht copy/paste von 1999 nach 2020 beamen kannst.

 

Erzähl doch mal kurz etwas zur Raumaufteilung.

Am Eingang haben wir eine kleine Lounge, wo es etwas ruhiger ist. Da sitzen die Leute mit Cocktails und unterhalten sich. Bei Events, die besonders gefragt sind, stelle ich vorne auch noch eine kleine separate Bar hin. Drinnen haben wir zwei VIP-Lounges. Ich hatte erst nur eine, aber da sie immer ausgebucht war, hab ich noch eine zweite gebaut. Dann gibt es eine große Bar, und im Zentrum natürlich die Tanzfläche. Eine schöne Licht- und Soundanlage – und fertig ist das Konzept. Wobei ich jetzt auch sagen muss, dass wir hier keine so großen Geschütze auffahren wie Christian das damals im Alcatraz gemacht hat. Keine meterhohen Boxentürme. Keine Beschallung, wo sprichwörtlich das Dach wegfliegt. Wir sind laut, aber dezenter.

 

 

Und wenn ich Richtung Decke schaue, sehe ich die gute alte Nebelmaschine.

Stimmt. Die ist zwar nicht aus anno dazumal, sondern nagelneu. Aber du hast Recht: Eine Nebelmaschine ist schon typisch 90er. Und wir haben auch eine kleine Fog-Station unter der DJ-Area. Die sorgt für eine Art Grundnebel – so wie man das bei den Bühnenshows von Live-Konzerten kennt.

 

 

Noch mal kurz zurück in die 90er: Wann warst du im Alcatraz?

Meine Pionierzeit war so von 1996 bis 1999. Wobei ich auch sagen muss, dass wir eher die Samstags-Gänger waren, wenn der Sound zwar elektronisch, aber auch ein bisschen kunterbunt gemischt war. Die reinen Techno-Events an den Freitagen waren uns immer bisschen zu krass. Aber ich weiß noch, dass unser Stammplatz unten rechts, an der Bar nähe des Treppenaufgangs war. Diesen Bereich gibt es übrigens noch heute – nur sieht das Umfeld halt ganz anders aus.

 

Und zwar wie?

Na ja, unten ist das Castello. Böse Zungen würden behaupten, dass es wie im Musikantenstadl aussieht. Rustikales Mobiliar, hölzerne Wagenräder – un generell halt sehr viel Holz. An den cleanen Gefängnislook aus damals erinnert wenig. Und wie erwähnt: Man kann auch gar nicht mehr nach oben schauen, wo früher der „Balkon“ war, wo Hunderte Leute standen.

 

 

Früher – ein gutes Stichwort. Das Alcatraz hatte damals Donnerstag, Freitag und Samstag auf. Wie sind eure Öffnungszeiten?

Aufgrund der Tatsache, dass du dieses Konzept heute gar nicht mehr fahren könntest, haben wir uns dazu entschlossen, an drei Samstagen pro Monat zu öffnen. Erstens würdest du die Location an drei Tagen pro Woche nicht mehr füllen können, und zweitens bin ich mit meinem Handwerksbetrieb auch ganz gut beschäftigt, sodass ich das gar nicht hinkriegen würde. Wenn wir öffnen, dann ist alles professionell organisiert. Dann stimmt alles von A bis Z. Und diese Professionalität könnten wir nicht bieten, hätten wir dreimal pro Woche auf. Dafür sind wir auch ein viel zu kleines Team.

 

 

Wie klein genau?

Ich selbst bin fürs Booking, für die Orga & Co. zuständig. Dann haben wir bis zu drei Jungs und Mädels an der Hauptbar, einen Barkeeper für die VIP-Areas, einen für die Bar und Lounge am Eingang, plus einen Security-Mitarbeiter.

 

 

Letzte Frage zum Retro-Flashback: Wann ist im Upstairs die erste Schaumparty?

Ich hoffe nie! Ans Saubermachen will ich da gar nicht denken. Früher waren die ja teilweise auch indoor. Das muss eine mega Arbeit gewesen sein, diese riesige Location wieder sauber zu kriegen. Klar, outdoor würde gehen – wobei … Der Pool ist ja mittlerweile seit Jahren zugeschüttet. Aber selbst wenn er noch da wäre, könnte man heutzutage keine Schaumparty mehr so umsetzen wie damals. Heute bräuchtest du wahrscheinlich fünf Bademeister und drei Securities. Und früher? Da war der Pool da, Schaum rein, Leute rein, Party on! So nach dem Motto „Wird schon nichts passieren, wenn du reinfällst“. Das ginge heute gar nicht mehr. Das wird mir Tommy Serano bestätigen – der heute witzigerweise immer mal wieder bei uns vorbeischaut. Er war ja damals der Resident-DJ, und wenn er Zeit hat, kommt er zu unseren Partys.

 

Weitere Infos findet ihr auf der offiziellen Location-Website www.upstairs-landau.de und dem entsprechenden Facebook-Channel. Und hier seht ihr die Location im Erdgeschoss.

 

 

Sorry für das teils schlechte Fotomaterial des heutigen „Alcatraz“ – was auf schlechte Lichtverhältnisse zurückzuführen ist.

Fotos generell:
Torsten Widua, Jürgen Bachhäubl / Upstairs