Lewis Fautzi – Dunkle Momente

Selbst aus dunkelsten und herausfordernsten Momenten etwas Positives zu gewinnen, ist nicht selten ein schwieriges Unterfangen. Der 1991 im portugiesischen Barcelos geborene Luis Gonçalves, in der Szene besser bekannt als Lewis Fautzi, verarbeitet eine der negativsten Phasen seines Lebens auf seinem neuen Langspieler „Manners Of Death“, das am 15. September auf seinem Label Faut Section erschienen ist. Fautzi ist seines Zeichens einer der renommiertesten Künstler des Landes, wenn es um Genres wie sphärischen Techno geht. Sein Debütalbum „The Gare Album“ ist bereits 2014 auf Soma erschien, es folgten drei weitere von Kritiker*innen hochgelobte Werke sowie internationale Shows. Das nun erscheinende Album changiert zwischen experimentellen, atmosphärischen und komplexen, technoiden Strukturen. Bei einer seiner größten Passionen abseits der Musik ereilte ihn im vergangenen Jahr jedoch Unerwartetes.

Nach einem Motorradunfall im Sommer 2022 lag der Portugiese mehrere Wochen im Krankenhaus und musste anschließend das Gehen neu erlernen: „Es ist mit Abstand die schwerste Phase in meinem Leben gewesen. Ich bin früher als Hobby Motocross gefahren und habe mir bei einem missglückten Sprung die Beine gebrochen. Es scheint ironisch, aber am Ende bin ich froh, dass es nur meine Beine waren, denn es hätte viel schlimmer kommen können.“ Dabei ist nicht nur seine physische, sondern auch seine psychische Gesundheit in Mitleidenschaft gezogen worden: „Es ist ganz normal, dass solche Situationen einen manchmal an dunkle Orte führen können, selbst wenn man mit seinem Leben zuvor total zufrieden ist und alle seine Ziele erreicht hat. Ich habe in meinem Fall immer versucht, positiv zu bleiben und mich auf die Genesung zu konzentrieren.“

Diese ist sehr gut vorangeschritten, sodass er in diesem Sommer erstmals wieder einige Shows spielen konnte: „Ich hatte eine Menge Spaß in diesem Sommer. Und wenn ich nicht spiele, dann sitze ich wenigstens in meinem Studio und bin dort produktiv.“

Und genau dort ist sein neuestes Werk entstanden, das den für die unglücklichen Umstände passenden Titel „Manners Of Death“ trägt. „Der Titel trifft meiner Meinung nach den Nagel auf den Kopf. Selbst wenn alles perfekt läuft, kann eine kleine Dummheit dir in einem Herzschlag das Leben nehmen. Zum Glück war das nicht der Fall, dennoch behalte ich im Hinterkopf, dass ich Glück hatte und es leicht hätte passieren können. Diese Zeit hat mich sowohl als Mensch, aber auch als Künstler geprägt und mich in jeglicher Hinsicht wachsen lassen. Sie hat mir auf jeden Fall das Rüstzeug gegeben, um gegen alles zu kämpfen, was mir entgegengeworfen wird. Ich fühle mich viel besser darauf vorbereitet, mit den nicht so positiven Dingen umzugehen. Als Künstler habe ich die harten Zeiten genutzt, um mich auf das zu konzentrieren, was ich seit dem ,Gare-Album‘ tun wollte – in mein Inneres zu schauen und etwas Tieferes und Introspektiveres zu schaffen. Und auch, nicht alles als selbstverständlich anzusehen. Das Leben trifft dich manchmal hart, und ich weiß jetzt, dass ich darauf vorbereitet sein muss, sowohl persönlich als auch beruflich.“

Mit dem Ergebnis der Album-Produktion ist Fautzi mehr als zufrieden: „Ich liebe es. Das Ergebnis ist das, wonach ich lange gesucht habe und was ich mir vorgestellt hatte. Ich habe viele Phasen durchgemacht, von Wut, Verzweiflung, Motivation bis hin zu Frustration. Das Album spiegelt diese Gefühle aber überhaupt nicht wider. Es geht mehr darum, was Musik für dich tun kann, auch wenn die Stimmungen nicht die sind, mit denen du dich am wohlsten fühlst. Es geht darum, morgens aufzuwachen und zu denken: ,Okay, heute ist kein guter Tag. Draußen scheint die Sonne und ich muss zu Hause sein, weil ich kaum laufen kann. Was kann ich tun, um das zu bewältigen?‘ Also beschloss ich, ein bisschen mehr zu arbeiten, meinen Geist und mein Gehirn anzustrengen und mehr über das Leben nachzudenken, mehr über den Tag nachzudenken, an dem ich die Sonne da draußen wieder zu schätzen weiß und zu versuchen, meine Gedanken zu nutzen, um etwas zu schaffen.“

Für die kommenden Wochen und Monate stehen einige Releases, weitere Shows sowie Dinge abseits der Musik an, mit denen er gerne Zeit verbringt: „Ich bin zu 100 Prozent bereit für die Wintersaison und freue mich auf alles, was kommt: neue Events und andere, bei denen ich schon mal war. Ansonsten freue ich mich auf Fotografie. Ich liebe es, meine Kamera im Gepäck zu haben und Momente und Orte festzuhalten. Und Motocross ist immer noch eine Leidenschaft, aber es wird wohl noch eine Weile dauern, bis ich mich wieder aufs Bike setze.“

Aus dem FAZEmag 140/10.2023
Text: Triple P
www.instagram.com/lewisfautzi