Militärflugplatz Lärz. Fusion Festival 2013. Tanzwiese. Es herrscht Stille, das Publikum wartet auf den nächsten Beat-Anschlag. Ein junger Mann betritt die DJ-Booth und legt los. Es ist der Beginn einer fantastischen Karriere. Knapp zehn Jahre später hat Alexander Wittig alias Lexer die gesamte Welt bereist, hat in Südafrika, Thailand und New York gespielt und darf sich mit Releases auf Labels wie Kittball, Katermukke, Bedrock oder 3000° brüsten. Obwohl sein Sound stets von einer fortlaufenden Evolution geprägt war, ist es immer noch derselbe Lexer von damals, mit dem wir es hier zu tun haben: bodenständig, gelassen und voller Positivität. Jüngst hat der in Leipzig lebende Produzent sein neues Album „The First Last Day“ veröffentlicht, mit dem er auf Lane 8s This Never Happened zurückkehrt. Zeit für ein Gespräch.
Hallo, Alex. Wie geht es dir aktuell? Dein neues Album ist im Kasten, der Festivalsommer vorüber. Zeit also, um ein wenig zu entspannen?
Mir geht es soweit sehr gut, vielen Dank. Entspannung ist natürlich immer willkommen, bei mir aber nie besonders lange präsent – dafür bin ich viel zu aktiv. Speziell jetzt nach den letzten zwei Jahren in der Zwangsbeurlaubung bin ich motiviert wie nie. Ich freue mich total auf das Touren, viele Events und Länder bereisen zu dürfen und dabei auch noch mein brandneues Album im Gepäck zu haben.
Du liebst es, deine Emotionen mit den Menschen zu teilen. Wie hast du die „Wiedereröffnung“ der Club- und Festival-Welt erlebt? Das muss ein unglaublich erlösendes Gefühl für dich gewesen sein.
Ich denke, „erlösend“ trifft es perfekt. Die Krise war (und ist) für uns alle eine harte und triste Zeit. Umso mehr hat es mich natürlich gefreut, endlich wieder spielen zu dürfen. Ich habe mich zwar auch während der Pandemie immer wieder für Streams begeistern können und war viel mit Musik beschäftigt, ein wirklicher Ersatz für das Live-Erlebnis und alles, was damit zusammenhängt, war das aber selbstverständlich nicht. Die Emotionen, die Freude, die Menschen, das Reisen, aber auch der Schlafmangel und Spaß mit der Deutschen Bahn, all das macht das Künstler-Dasein ja aus.
Viele Menschen finden in deiner Musik einen Ausweg aus schweren Zeiten, weshalb dich schon immer viele persönliche Nachrichten erreicht haben. Ist dein Postfach während der Pandemie dann nicht förmlich übergequollen?
Dass es viel mehr Nachrichten waren, würde ich nicht unbedingt sagen. Die Nachrichten, die ich erhalten habe, waren aber wesentlich umfangreicher – klar, alle hatten ja genug Zeit, haha. Es freut mich total, wenn ich Menschen mit meiner Musik durch schwere Zeiten helfen kann. Ich muss aber auch sagen, wie sehr mir die Leute helfen, mich auf die schönen Sachen fokussieren zu können, wenn ich mal durchhänge. Musik bewegt uns alle. Mich genauso wie meine Hörer*innen.
Genug Krise. Mehr Musik. Erzähl uns etwas über dein Album. Wie lief der Produktionsprozess? Du hast mehr als zwei Jahre an „The First Last Day“ gearbeitet. Entsprach das deinen Kalkulationen?
Wenn man etwas Gutes an der Pandemie finden möchte, dann ist es auf jeden Fall die freie Zeit, die man gewonnen hat. Ich hätte nie erwartet, dass ich das Album in weniger als zwei Jahren fertig bekomme. Die Inspiration hat mich aber gerade zu Beginn vollständig gepackt. Ich konnte mich total in der Musik und den Produktionen verlieren und dadurch hat sich ein derart intensiver, konstanter Workflow ergeben, dass ich in knapp einem Jahr schon einen Großteil des Albums fertig hatte. Am Ende war es die typische Suche nach Vocals und Gesang, die den Finalisierungsprozess in die Länge gezogen hat. Nichtsdestotrotz denke ich, dass jetzt der absolut richtige Zeitpunkt für die Veröffentlichung ist, und ich bin umso glücklicher, mein mittlerweile drittes Studioalbum fertig zu haben.
Steckt hinter dem Titel eigentlich eine tiefergehende Bedeutung?
Das ist schwer zu sagen. Ich denke, dass niemand ansatzweise mit so etwas gerechnet hat. Für mich war Anfang 2020 schon ein kleiner Neustart, da ich die Agentur gewechselt und meine musikalische Ausrichtung zum Teil stark verändert habe. Ich war bereit, einen neuen Weg mit voller Kraft einzuschlagen – was dann kam, hat mir anfangs erst einmal den Boden unter den Füßen weggezogen. Das Album war für mich immer eine Aufgabe, die mich gestützt und mir Hoffnung gestiftet hat, dass irgendwann dieser „First Last Day“ sein wird. Ich habe versucht, genau dieses Momentum, die Gefühle, die Ungewissheit und die Lichtblicke auf dem Album zu implementieren. Ich sehe es auch in gewisser Hinsicht als Neuanfang für mich als Künstler, denn ich glaube, ich bin dadurch irgendwie ein neuer Lexer und ein wenig erwachsener geworden … allerdings nicht weniger euphorisch.
Dein musikalischer Stil war schon immer von einer konsequenten Entwicklung geprägt. Über Melodic House ging es zu Deep House und dynamischem Techno. Was dürfen die Hörer*innen von der neuen LP erwarten?
Mein neues Album zeigt eigentlich genau diese Evolution. Das Album ist perfekt für jeden Moment, sei es im Club, auf dem Festival, im Park, zu Hause oder im Auto. Ich denke, dass „The First Last Day“ seine Vorgänger auf jeden Fall übertrifft, gerade, was meinen musikalischen Fortschritt angeht. Ich finde, die Stimmung der einzelnen Tracks geht unter die Haut. Sie sind allesamt sehr stimmig untereinander und stecken voller Emotionen. Zusammen mit den tollen Vocals ist das aus meiner Sicht ein sehr ehrliches, aber auch total rundes Album geworden.
Erscheinen wird das Album auf Lane 8s Label This Never Happened, wo du bereits Ende 2020 „Gemini Bridges / Room 4242“ releast hast und dich augenscheinlich sehr wohl fühlst. Klar – Daniel Goldstein ist schließlich eine echte Legende und war schon immer eine große Inspiration für dich. Wie war das damals für dich, als er dich gefragt hat, ob du auf TNH releasen möchtest?
Ich erinnere mich noch genau an den Moment. Er schrieb mich direkt nach meinem „Felina“-Release an und schilderte, wie sehr er diesen Track feiere und ob ich nicht Lust hätte, auf seinem Label zu releasen. Es war eine absolute Ehre, so etwas von meinem Idol zu lesen. Wir waren anschließend viel im Austausch und nach kurzer Zeit erfolgte das Release meiner ersten EP auf This Never Happened. Folgerichtig war der nächste Schritt, ein Album auf genau diesem Label rauszubringen. Als ich ihm die ersten Skizzen schickte und fragte, ob ich mein Album bei ihm releasen könne, war er mehr als begeistert. Dazu kommt, dass wir uns nun auch schon des Öfteren getroffen haben und mittlerweile gute Freunde geworden sind.
Auf „The First Last Day“ finden wir eine ganze Reihe an Kooperationen mit talentierten Singer-Songwriter*innen. Nach welchem Schema hast du die Auswahl getroffen? Kanntest du die Interpret*innen bereits?
Daniel fragte mich relativ zu Beginn, ob ich bereit wäre, auch Vocals auf meinen Tracks zu platzieren. Für ein Album empfinde ich das als wichtigen Bestandteil. Besonders erfreut bin ich darüber, eine weitere Collabo mit Audrey Janssens gemacht zu haben. An sie dachte ich als Allererstes. Der Track mit Luke Coulson kam dadurch zustande, dass ich zuvor einen Remix gemacht hatte, auf dessen Original er gesungen hatte. Bei den anderen Vocals hat mir das Label viel geholfen. Sie fragten mich nach meinen Lieblingssänger*innen und ich machte eine Liste. Anschließend haben wir, meinen Vorstellungen entsprechend, nach ähnlichen Stimmen und spannenden Talenten gesucht. IDER stand beispielsweise auf meiner Wunschliste und sie sagten tatsächlich zu, was für mich der Wahnsinn war. Ich höre sie schon seit Jahren und sie jetzt auf meinem Album zu haben, ist für mich unbeschreiblich. Gleiches gilt für Jens Kuross und Miller Roberts, die die Tracks noch einmal auf ein ganz anderes Level heben.
Was steht in den kommenden Wochen und Monaten bei dir an?
Im November geht es zum ersten Mal nach Mexiko auf Tour, da sind einige tolle Shows dabei. Ich wollte schon immer mal nach Tulum und freue mich daher ganz besonders. Anschließend stehen neben Indien auch noch ein paar Shows in Europa an, unter anderem in Köln und Wroclaw.
„The First Last Day“ ist am 28. Oktober auf This Never Happened erschienen.
Aus dem FAZEmag 129/11.2022
Text: Hugo Slawien
www.soundcloud.com/lexer