Elf Jahre sind ein einem Produzentenleben ein beträchtliche Spanne, gerade wenn es um elektronische Musik geht. Elf Jahre ist es her, dass Marko Fürstenberg sein Debütalbum „Gesamtlaufzeit“ veröffentlichte. Nun ist endlich der Nachfolger „Ghosts From The Past“ auf Ornaments erschienen. Ein Titel, der so mysteriös wie emotional klingt und damit sehr treffend das Klangschema seines Dubtechno- Sounds beschreibt. Den hat er über die Jahre mit seinen zahlreichen EPs und Remixen steht in Bewegung gehalten und verfeinert. Wie es zu dem Titel kam, was ihn an Dubtechno fasziniert und wie seine Familie beim Album mitgearbeitet hat, das erzählt uns der Leipziger im Interview.
Wie kommt diese lange Zeitspanne zwischen den Alben zustande?
„Gesamtlaufzeit“ war für mich eine Art Reisetagebuch, damals ging es los mit Gigs und Reisen – sozusagen mit der Karriere außerhalb des heimischen Studios. Seit dem ist viel geschehen: zahlreiche Veröffentlichungen, unzählige Gigs, Umzug in eine neue Stadt, Frau, Kinder, usw. Zeit für eine ruhige Selbstreflexion in Form eines Albums blieb da wenig. Ich habe viele EPs und Remixe veröffentlicht und natürlich in aller Herren Länder gespielt. Erst nach der Geburt unseres ersten Kindes kam auch etwas Ruhe – und Abstand vom Clubleben, was ich für ein Album einfach brauchte.
Wie kann es zu diesem Titel?
Titel zu finden sind meist das Schwierigste, ob nun bei einzelnen Tracks oder Alben bzw. EPs. Da ich jedoch von Beginn an eine Art Retrospektive abbilden wollte, war der Titelname hier schnell gefunden.
Welche Geister aus der Vergangenheit beschäftigen dich am meisten?
Mit Ende 30 beginnt man einfach manche Dinge zu reflektieren, vor allem nach entscheidenden Lebenswendepunkten wie Geburt der Kinder und Hochzeit. So ganz genau kann ich das nicht in Worte fassen, deshalb auch das Album.
Du hast diverse Laute und Geräusche deines Sohnes – wie ein Niesen oder das Aneinanderrasseln von Spielzeug – ins Album eingebaut. Wie ist diese Idee entstanden?
Ich habe bereits früher gern mit Field Recording* gearbeitet und auch heute ist oft das Aufnahmegerät dabei, immer auf der Suche nach außergewöhnlichen Sounds. Da lag es mehr als nahe, die kindliche Entwicklung auch in hörbarer Form zu konservieren. Einige Entwürfe lagen zum Zeitpunkt des Entschlusses, ein Album zu machen, bereits vor, diese waren jedoch noch sehr allgemein und nicht
weit fortgeschritten. Die meisten Tracks sind erst komplett im Albumkontext entstanden.
Auch deine Frau hat mitgewirkt …
Sie hat das Cover Artwork entworfen. Das war unsere zweite Zusammenarbeit, erstmals hatte sie das Cover der Remixplatte von „Gesamtlaufzeit“ gestaltet.
Welche anderen Einflüsse und/oder Ereignisse waren für die Entstehung wichtig?
Was einen direkt oder indirekt beeinflusst ist schwer in Worte zu fassen, ich versuche immer meinen momentanen Gefühlszustand auszudrücken.
Was würdest du sagen, wie du als Künstler im Laufe der Jahre entwickelt hast. Auch bezüglich deiner beiden Alben.
Durch zahlreiche Live-Gigs sammelt man natürlich Erfahrung, was im Club funktioniert und was weniger. Ich bin vor allem technisch viel weiter gekommen, was die Dauer von der Idee bis zum fertigen Track natürlich enorm beeinflusst. Das erste Album war sehr viel verspielter und experimenteller, was der damaligen Zeit und auch der Umstellung von analoger auf digitale Produktion geschuldet ist. Heutzutage fehlt oft die Zeit für ausgiebiges Experimentieren, da ich ja neben einem 40-Stunden-Job als Techniker auch eine Familie mit Frau und inzwischen zwei Kinder habe, die auch was von mit haben wollen.
Was für Studioequipment benutzt du, wie hat sich das im Laufe der Jahre verändert?
Anfangs produzierte ich voll analog: externe Geräte und Midi Sequenzer. Mit den Jahren ist das mehr und mehr in den Rechner eingezogen und ich nutze nun schon seit vielen Jahren Propellerhead Reason als DAW, die Sounds kommen überall her: Synths, Sampling, Field Recording. Alle anderen Dinge sind eher nebensächlich und nur Hilfsgeräte, daher will ich hier nicht alles aufzählen, was bei mir zu Hause Platz einnimmt.
Was magst du besonders an Ornaments, wie bist du mit dem Label in Kontakt gekommen?
Ornaments bietet mir eine tolle Plattform, um mich zu verwirklichen. Es gibt keinen Druck oder irgendwelche Vorgaben. Die spartanische Aufmachung der EPs – kein Artwork, keine Werbung etc. – spiegelt genau meine Auffassung wieder: Hier geht es um Musik und um nichts anderes. Der erste Kontakt entstand im ganz weiten Sinne Anfang der Nuller-Jahre auf einer Grillparty in meiner Heimat, lange bevor überhaupt an ein Label zu denken war. Jahre später kam die Idee ein neues Label zu starten und ich wurde aufgrund unserer guten Beziehungen aus früherer Zusammenarbeit gefragt, ob ich die erste Platte machen möchte.
Du lebst in Leipzig, einer Stadt, die seit einiger zeit sehr im Fokus gerückt ist. Wie würdest die Entwicklung im Laufe der Jahre der Stadt beschreiben?
Ich lebe seit 2006 in Leipzig, es gibt eine rege Szene, die ich inzwischen leider etwas aus den Augen verloren habe – aus oben genannten Gründen. Ich komme leider nur selten zum Ausgehen. Die Lebensqualität ist hier sehr hoch, die Mieten sind noch einigermaßen erschwinglich, es gibt zahlreiche Parks und man ist sehr schnell im Grünen. Das sind für mich wichtige Faktoren, was es mir einfach macht hier zu bleiben.
Hast du schon musikalische Pläne für die Zeit nach dem Album?
Ich arbeite natürlich weiterhin an Tracks und Remixen, stelle mich jedoch gerade der Herausforderung der musikalischen Untermalung eines Theaterstückes.
KURZ & KNAPP:
Meine erste gekaufte Platte … Techno – The New Dance Sound of Detroit
Mein erster Live-Gig … 2002 Styx Club in Güstrow – mit den Jungs von Neurotron
Meine erste Gage … Kann ich mich nicht so genau erinnern, viel war es nicht, der Spaß war dafür umso größer.
Das Album höre ich momentan sehr gerne … Yagya – Sleepygirls
Deine Musik in drei Worten zusammengefasst … emotional, tiefgründig, tanzbar
Leipzig … eine wunderbare Stadt zum Leben, nicht zu groß, nicht zu klein
In zehn Jahren … könnte ich auch mal wieder ein Album veröffentlichen
„Ghosts From The Past“ ist Mitte September auf Ornaments erschienen und erhältlich als Download, CD und Doppel-Vinyl.
* Als Field Recording bezeichnet man die Aufzeichnung von nicht eigens erzeugten Klängen, natürlichen Schallereignissen oder vorgefundener Klanglandschaften außerhalb eines Tonstudios. Im engeren Sinne sind hier insbesondere Aufnahmen von Natur- beziehungsweise Umgebungsgeräuschen gemeint, die mithilfe portabler Aufnahmegeräte realisiert werden. (Wikipedia)
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