Markus Homm – Geboren für den Dancefloor

Als langjähriger Teilnehmer bei Welt- und Europameisterschaften im Tanzsport kann Markus Homm den Dancefloor wohl getrost sein zweites Zuhause nennen. Homm ist zwar mittlerweile nicht mehr aktiv, doch die Leidenschaft, die er einst für diesen Sport entwickelte, hält er weiterhin am Leben und bringt sie seit nunmehr vielen Jahren in Form seiner elektronischen Klänge zum Ausdruck. Nach etlichen Singles, Remixen, EPs und Compilation-Beiträgen auf Labels wie Highgrade, 8bit, Cyclic oder Pokerflat veröffentlicht der in Rumänien geborene DJ und Produzent nun endlich sein lang ersehntes Debütalbum „After Dark“. Die LP wird auf Bondage Music erscheinen, jenem Label, das wie prädestiniert für seinen dubbigen und atmosphärischen Deep-House-Sound erscheint. Vorhang auf für Markus Homm.

Hallo, Markus. Beginnen wir mal ganz basic. Wie hast du das Jahr bisher erlebt? Was waren die Sonnen- und Schattenseiten?

Hallo, zusammen. 2022 war für mich ein durchwachsenes Jahr. Ich bin in erster Linie sehr froh, dass in diesem Jahr endlich wieder ein gutes Stück Normalität ins Leben eingekehrt ist und Reisen sowie Events wieder möglich waren. Den Sommer konnte ich dank des schönen Wetters sehr genießen. Ich war viel in Deutschland und habe eine Menge unternommen. Da ich in meiner Freizeit gerne Motorrad fahre, bin ich in dieser Jahreszeit voll auf meine Kosten gekommen.

Soviel zum Positiven. Auf der Kehrseite der Medaille befindet sich natürlich der Krieg in der Ukraine, der mich traurig stimmt. Ich war selber erst vor rund einem Jahr da, kenne das Land sehr gut und habe viele Freunde dort. All die Geschehnisse sind ein großer Schock und dadurch, dass wir zu Hause einen Kriegsgeflüchteten aufgenommen haben, bin ich emotional besonders in die Materie involviert. Rein musikalisch betrachtet konnte ich 2022 so einige Releases rausbringen, das absolute Highlight ist aber natürlich mein bevorstehendes erstes Artist-Album …

Dieses trägt den Titel „After Dark“ und spielt, wie du selbst sagst, auf die Zeit nach der dunklen Corona-Epoche an. Wie sah deine Gefühls- und Alltagswelt während der Krise aus? Da geht ja jeder anders mit um.

Zu der Zeit, als die Pandemie sich ausbreitete, war ich in Südamerika mit meinem 8Bit-Buddy Gorge auf Tour. Wir sind damals gerade noch mit dem letzten Lufthansa-Flieger nach Hause gekommen. Anfangs habe ich die Corona-Zeit sehr genossen, da ich auf dem Land lebe und alles im Haus habe, was ich brauche, inklusive meines Studios. Gleichzeitig war es aber auch sehr ungewohnt, sich so viele Wochen am Stück am gleichen Ort aufzuhalten. Das hatte ich zuletzt vor 15 Jahren gemacht. Den Alltag zu meistern, war für mich kein Problem: Ich hatte ständig etwas zu tun, habe viel Musik gemacht, gekocht, eine App entwickelt und eine Outdoor-Küche gebaut. Schlimmer fand ich hingegen die Ungewissheit, wie lange die Krise andauern würde und wann alles wieder „normal“ werden würde. So schön es zu Hause auch war, ab einem gewissen Zeitpunkt hatte ich echt damit zu kämpfen. In der Retrospektive war die Zeit aber sehr wertvoll, da ich vieles überdenken konnte. Ich glaube, dass ich heute Dinge bewusster erlebe und mehr schätze.

Die LP entstand über einen Zeitraum von mehreren Jahren, in denen es viele Ups and Downs für die Szene gab, Stichwort: Lockdowns und (temporäre) Wiedereröffnungen der Clubs. Spiegeln sich diese verschiedenen Moods auf deinem Album wider? 

Ich mache zu verschiedenen Zeiten Musik. Mal morgens um sechs Uhr, wenn ich nicht schlafen kann, mal nachts um zwölf, immer getrieben von Inspiration und Stimmung. Das Album ist eine Zusammenstellung der Musik, die innerhalb der letzten Monate auf diese Art und Weise entstand. Am Ende haben wir dann probiert dem Gesamtwerk einen strukturierten Aufbau zu verleihen. Wenn ich Musik mache, habe ich keinen Masterplan. Ich mache Musik, weil ich Lust drauf habe, daher kann ich diese Frage nur begrenzt beantworten. Was ich aber sagen kann, ist, dass „After Dark“ meiner Meinung nach kein reines Clubalbum ist, sondern auch etwas für das Hören in den eigenen vier Wänden.

Du blickst auf eine umfangreiche Vita zurück, mit Releases auf Labels wie Hive, Audio, 8Bit, Pokerflat, Cyclic Records und natürlich Bondage Music, wo auch „After Dark“ erscheint. Was kannst du uns über deine Beziehung und Historie zu dem Label erzählen?

Mein erstes Release auf Bondage war die 2014 erschienene EP „Columbian Blue“. Ich war damals sehr positiv überrascht, wie offen sich das Label für neuartige Musik zeigte. Auf der B-Seite der Platte befand sich das Stück „No Image“, ein Dub-House-Track, der sich vom Rest der EP absetzte. Für meine weiteren Bondage-Veröffentlichungen produzierte ich dann stets einen Track in diesem Style, der jetzt tonangebend für „After Dark“ ist. Man könnte also sagen, dass mein Sound über die Jahre auf Bondage gereift und nun zu einem vollständigen Album mutiert ist. 

Deine Musik trägt also ein gewisses Markenzeichen. Wie würdest du sie in deinen eigenen Worten beschreiben?

Das ist gar nicht so leicht zu beantworten. Ich probiere gerne neue Sachen aus, völlig egal, in welchem Genre. Ich langweile mich sehr schnell und verzichte deshalb bei der Produktion auf standardisierte Vorlagen bzw. Patterns. Das heißt, ich starte jedes Projekt mehr oder weniger „from scratch“. Zurück zur Ausgangsfrage: Ich denke, ich würde meinen Sound als sehr groovy und warm beschreiben, versehen mit einer prägnanten hypnotischen Komponente.

Du stammst ursprünglich aus Rumänien, ein Land, das in Sachen elektronischer Underground-Musik ein ganz heißer Scheiß ist und mit „Rominimal“ sogar ein eigenes Genre prägt. Was kannst du uns über den elektronischen Vibe im Land erzählen? Rominimal ist ja, wie der Name bereits verrät, sehr minimalistisch und extrem break- und drumlastig. Nicht ganz der Markus-Homm-Style, oder?

Doch, doch. Ich mag das Genre und spiele den Sound auch gelegentlich, allerdings keine zwei Stunden am Stück. Es gibt in Rumänien viele talentierte Produzent*innen und DJs, die Clubszene ist divers und hat in den letzten Jahren eine prächtige Entwicklung gemacht, die ich quasi hautnah (seit 2000 spiele ich dort regelmäßig) miterlebt habe. Festmachen kann man das beispielsweise anhand der kontinuierlich wachsenden Festival-Landschaft, die von international renommierten Events wie Sunwaves, Untold oder Neversea geprägt ist und eine mannigfaltige elektronische Genrepalette bereithält. Auch die Nachwuchsszene ist sehr ambitioniert, die aus sehr wenig oft viel macht. Dazu zählen zum Beispiel Brad Brunner und AG Swifty aus Bukarest, mit denen ich im März eine EP auf Sublease veröffentlichen werde.

Beim Thema Rumänien kommen wir nur schwer um deinen Buddy und Landsmann Mihai Popoviciu herum …

Mihai habe ich um 2001 herum bei einem Gig in seiner Heimatstadt Sibiu kennengelernt. Ich komme selber aus der Gegend, aus der wir 1987 ausgewandert sind. Anfang der 2000er war Mihai schon recht erfolgreich als Produzent und verzeichnete beispielsweise Releases auf Gigolo Records. Wir haben uns schnell angefreundet und begannen, gemeinsam Musik zu machen. Das geschah zwar meist online, aber wir haben uns fast jeden Tag virtuell getroffen. Auf Highgrade Records, dem Label von Tom Clark, hatten wir dann 2008 ein gemeinsames Release („Urban Ballroom“), das unseren Karrieren einen ordentlichen Push gab.

Wen oder was würdest du noch zu deinen größten Einflüssen zählen? Du warst ja mal ein professioneller Tänzer im Bereich Latin. Inwiefern hat das eine Rolle für deine Karriere als DJ und Produzent gespielt?

Ich habe 28 Jahre Tanzsport gemacht. 2000 wurde ich dann Profi und habe Deutschland bis 2013 bei Welt- und Europameisterschaften vertreten. Die Musik war immer schon eine Art Realitätsflucht aus meinen Leben als Leistungssportler und half mir, den Kopf freizubekommen.   Als Tänzer bist du viel damit beschäftigt, Musik zu analysieren und sie mithilfe deines Körpers darzustellen. Das hat mir sicher geholfen, als ich angefangen habe, Musik zu produzieren, genau wie eine gewisse Portion Disziplin, die man sich im Sport aneignet. Innerhalb der elektronischen Szene zähle ich Interpreten wie Delano Smith und Aril Brikha zu meinen Einflüssen, genau wie Labels à la Sushitech, Berg Audio und Basic Channel.

Abschließend deine Top 5 All-Time-Tracks, bitte. 

01 Delano Smith – Dees Gruv [Third Ear Recordings]

02 Aril Brikha – Akire [Poker Flat Recordings]

03 Deepswing – In The Music [Generate Music]

04 Ferrer & Sydenham – Sandcastle [Defected]

05 Makam – Girls Night [Ostgut Ton]

„After Dark“ von Markus Homm erscheint am 28. Oktober via Bondage Music.

 

Aus dem FAZEmag 128/10.2022
Text: Milan Trame
www.bondage-music.com/markus-homm