MARTERIA – Peace, Love & Happiness

Bevor jetzt jemand mit diversen Fragezeichen vor dem Artikel sitzt und denkt „Was hat Marteria denn mit FAZEmag zu tun?“, direkt die Antwort: Natürlich eine ganze Menge. Und das neueste Album „Die 5te Dimension“ noch mehr. Was genau, erfahrt ihr im Interview mit dem „Feierschwein“ Marten.

Aber für alle Sitzenbleiber noch kurz ein paar Infos zu Marteria.

– geboren am 4. Dezember 1982 in Rostock als Marten Laciny
– Der Name Marteria geht auf die Anfangsbuchstaben seines Vornamens sowie auf „Materia“, das lateinische Wort für Materie zurück.
– Marten wuchs im Rostocker Stadtteil Groß Klein auf.
– In seiner Jugend war er Kapitän aller Jugendmannschaften des FC Hansa Rostock und Stammspieler aller deutschen Jugendnationalmannschaften.
– Seine Fußballkarriere gab er zugunsten einer Modelkarriere in den USA auf.
– 2003 zog er nach Berlin-Friedrichshain, bevor er nach Berlin-Kreuzberg umzog. Hier absolvierte er eine Schauspielausbildung.
– 2015 wurde er nach einem Benefizspiel von Hansa Rostock in ein Krankenhaus eingeliefert. Es drohte ein akutes Nierenversagen. Nach eigenen Angaben veränderte der Vorfall sein Leben und er gab unter anderem den Konsum von Alkohol und anderen Drogen auf.
– Stattdessen geht er in seiner Freizeit angeln.

 

Fangen wir einmal mit etwas Wichtigem an: Wie geht’s Hansa Rostock? Meinst du, die halten ihre Klasse?
Also, es ist natürlich noch zu früh, etwas zu sagen, die Saison hat ja gerade erst begonnen, aber wir sind natürlich sehr glücklich, dass wir jetzt aufgestiegen sind.

Gehst du hin, schaust du dir die Spiele an?
Ich war bisher bei eigentlich fast jedem Spiel, nur eins habe ich verpasst. Klar, ich bin immer da, auch bei Auswärtsspielen

Spielst du selbst noch Fußball?
Ab und zu, ein bisschen hobbymäßig. Aber sonst nein, gerade habe ich so viel zu tun: die Platte fertig machen, Promo-Termine mit Interviews, da fehlt mir die Zeit. Wenn ich mit dem ganzen Zeug durch bin, werde ich aber auf jeden Fall wieder zweimal die Woche zum Training gehen.

Genug Fußball, wir sind ja schließlich hier, um über das Album zu reden. Das ist die „Fünfte Dimension“. Erklär mal bitte, was die fünfte Dimension ist.
Erstmal finde ich, dass in der Musik nicht immer alles erklärt werden muss: Ich glaube, jeder kann und sollte sein eigenes Verständnis und Gefühl entwickeln. Egal, ob das ein bestimmter Song oder ein Album ist oder ein neues Land, ein neuer Ort, ob das Freiheit ist, was auch immer.

Ich habe den Hinweis verstanden. Trotzdem werden wir jetzt mal zusammen versuchen, die „Fünfte Dimension“ zu entschlüsseln. Wir starten mit „Niemand Bringt Marten Um“, eine Single mit einem lustigen Musikvideo. Wie kam die Idee zu dem Video, war das deine Idee, oder kam sie vom Regisseur?
Das ist immer so ein Zusammenspiel aus allem, mit der Musik kommen immer die Ideen. Wie Monchi von Feine Sahne Fischfilet und ich da mit dem Boot rumfahren – das war einfach perfekt so. Den Song habe ich im Lockdown geschrieben, ich war für ein paar Monate auf Barbados und kam da nicht mehr weg. Ich find´s auch gut, dass das der erste Song der Platte ist: Das war der erste, der veröffentlicht wurde, und der erste, den ich geschrieben hab. Das passt.

Für unsere Leser ist es natürlich besonders interessant, dass bei deinen Songs DJ Koze mitmacht. DJ Koze hat zwar eine lange Vergangenheit im Hip-Hop, gehört aber inzwischen zu den bekanntesten und beliebtesten deutschen Produzenten und DJs. Wie bist du mit ihm zusammengekommen? Kennt ihr euch schon lange?
Nee, wir kennen uns noch nicht so lange, es ist ja nicht nur er, sondern auch Kid Simius und Mo, die meine Platte produziert haben. Mo und Simius kenne ich schon sehr lange und ich bin wahnsinnig glücklich, dass dieses Dreiergespann aus Mo, DJ Koze und Kid Simius geklappt hat. Von Koze bin ich schon lange Fan, die Musik hat mich schon früh sehr geprägt. Mit seiner Musik neue, eigene Welten eröffnet. Das hat mich sehr inspiriert, das fand ich wirklich besonders, da diese Musik nicht nach Schema F funktionierte. Dieses Zusammenspiel war aber auch eine Herausforderung, also eine elektronische Platte zu machen und damit zurück zu meinen Ursprüngen zu gehen. Meine allerersten Songs wie „Verstrahlt“ sind ja sehr elektronisch, der würde auch auf diese Platte perfekt passen. Mein Musikgeschmack als Fan war schon immer etwas anders und weniger geradlinig, als man vermuten könnte. Ich habe sehr viel englische Musik gehört, war in der D’n‘B-, Two- und Brostep-Szene, habe Radiohead, Massive Attack, Björk, The Prodigy gehört. Das hat mich sehr geprägt.

Die zweite Nummer auf dem Album „Love Peace And Happiness“ ist sehr clubby und schreit nach, wo du es gerade gesagt hast, knackigen Twostep-Remixen mit einem heftigen Beat. Wer ist denn dein Kollabo-Partner Ätna?
Ätna ist ein Duo, das echt tolle Musik macht. Das Projekt hatte vor einigen Jahren einen Hit mit Solomun namens „TukTuk“. Yasha ist ja auch mit dabei, das ist einer meiner ältesten Wegbegleiter, der auch auf Songs wie „Lila Wolken“ oder „Verstrahlt“ dabei gewesen ist.

„Paradise Delay“ ist ein Song mit smarten Zeilen wie „303 und 808 rufen zum Gebet“ – erklär uns mal den dritten Song der Platte.
Da geht es um eine Art Delay im Club, dieser Moment, in dem es längst vorbei sein könnte, und dann bleibt man einfach doch noch da. Darum geht’s in dem Song.

„Loft und Liebe“ könnte der inoffizielle Nachfolger von „Lila Wolken“ sein, auch wegen Miss Platinum. Ist das falsch?
Nein, das ist auf keinen Fall ein Nachfolger von „Lila Wolken“. Ich finde, es braucht keine Nachfolger in der Musik. Ich, beziehungsweise wir, machen einfach Musik, die uns Spaß macht und suchen nicht irgendwelche Nachfolger. Ich finde es langweilig, altes Zeug einfach zu wiederholen, so denke und fühle ich Musik nicht. Ich denke immer in einer Platte. Ich bin ja Künstler und kein Kopierer.

Track Nummer fünf, „Marylin“.
Das ist ein Song der letzten Platte von Siriusmo, “Very Important Movie Scene“ heißt der Song. Der hat mich sehr berührt, und deshalb habe ich Mo gefragt, ob ich davon einen Remix machen kann. „Marylin“ ist ein sehr wichtiger Song auf der Platte, ein sehr emotionales Lied, sehr freigeistig. Da geht es um Freiheit und das Gefühl, was man gerade aktuell hat, in der Corona-Zeit, wenn man rausgeht, aber die ganze Zeit mit einer unbekannten Gefahr dealen muss.

Wo du jetzt gerade von Corona sprichst. Es gibt jetzt ja sehr viele Veranstaltungen, die nach dieser 2G-Regel funktionieren. „Die Ärzte“ haben jetzt zum Beispiel ihre Tour verschoben, weil sie keine Regelung für ganz Deutschland finden konnten, mit der sie leben konnten. Wie stehst du dazu, wie gehst du damit um?
Es ist natürlich allgemein viel wuseliger und sehr schwierig. Ich sehe das in der Eigenverantwortung der Veranstalter*innen den Konzertbesucher*innen gegenüber. Da muss jeder entscheiden, möchte er das Risiko eingehen und auch Leute mit Impfungen reinlassen, bei denen man sich vielleicht auch gar nicht sicher sein kann, ob es trotzdem vorher eine Ansteckung gab. Es sollte auf jeden Fall alles einheitlicher sein. Aber ich finde die 2G-Regelung eigentlich okay, ich bin geimpft, deswegen mache ich mich da auch nicht so heiß. Die Leute sollen sich impfen lassen, wenn sie weggehen wollen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand jedes Mal 20 bis 30 Euro für einen Test investieren will, bevor er feiern geht. Deswegen glaube ich, dass es auf jeden Fall auf eine allgemeine 2G-Regelung hinauslaufen wird.

Nächster Song, „Traffic“.
Da geht es mehr um den Verkehr im Kopf bei einem langen Weg durch die Stadt. Da ist man bei sich und denkt über Dinge nach, die ein bisschen düsterer sind.

Ähnlich wie bei „Zug der Erkenntnis“?
Ja, zudem ist „Zug der Erkenntnis“ auch ein Wendepunkt auf der Platte. Da geht es um die Erkenntnis, was einem wichtig ist im Leben und wozu man stehen sollte. Natürlich auch durch das prägende Ende „Man kann die Welt nicht verändern“. Das ist auch eine Art Lebensmotto, nach dem ich lebe: Versuchen, gute Tage zu haben, mit guten Menschen Zeit zu verbringen, positiv zu sein, auch wenn man nicht immer alles richtig machen und ein guter Mensch sein kann. Wir sollten versuchen, immer so viel wie möglich mitzunehmen.

Du hast ja in Vergangenheit ein spannendes Projekt mit Casper gehabt, der jetzt auch seine neue Platte angekündigt hat. Gibt es da eine Möglichkeit auf eine erneute Kooperation in Zukunft?
Ich tue mich immer schwer damit, in die Zukunft zu schauen. Aber die nächsten anderthalb Jahre ist das schon wegen unserer vollen Kalender kein Thema. Wir hatten eine sehr schöne Zeit zusammen, haben ein geiles Album gemacht und überragende Konzerte gespielt. Ob es da irgendwann noch einmal eine so große Koop gibt, das steht in den Sternen.

Im Song „Strandkind“ beziehst du dich auf deine Heimat.
Müsste man meinen (lacht). Ja, klar, der Text, und was ich da sage, das ist ein Song über meine Heimat Rostock und den Strandabschnitt in Warnemünde, an dem wir früher immer rumgehangen haben. Ist also auch ein Schulterblick in die Vergangenheit.

Triffst du deine alten Freund*innen noch?

Ja, natürlich. Meine besten Freunde sind noch aus meiner Schulzeit, mit meinem besten Freund bin ich eingeschult worden.

Nächster Song: „Neonwest“.
Auch ein sehr wichtiger Song für mich, auch mit DJ Koze. Ist ein Song, den man auch nur einmal in seinem Leben schreibt. Da geht es darum, wie ich mit meiner Mutter das erste Mal nach West-Berlin gehe sowie um die Eindrücke, die ich dabei hatte. Ich war damals acht Jahre alt und hatte da sehr viele beinahe überfordernde Momente. Viele trippige Bilder, die da auf mich eingeprasselt sind. Die Farben – der Wahnsinn, der Ku‘Damm, die Lichter, die Autos … So ein bisschen eine fünfte Dimension.

Nummer 10: „Interstellar“ feat. Yasha.
Das ist ein Mädchen, das in Berlin feiern geht. 25 Jahre alt, Berghain, sich einfach treiben lassen. „Interstellar“ ist ein Song für die Mädels und Raverinnen da draußen.

Wo gehst du denn selbst in Berlin feiern?

Also, jetzt bin ich schon lange nicht mehr feiern gewesen. Früher, mit 25, als ich hergezogen bin, hatte ich noch einen Anlaufpunkt, die elektronische Musik. Das waren dann solche Läden wie Berghain oder Watergate.

„DMT“, vorletzter Song der Platte. Meinst du damit die Droge?
Nein, da geht es um einen Freund von mir, der gestorben ist.

Letzter Track: „Gute Nacht, 6:30“
Dieser Song handelt davon, jemanden zu begleiten, dem es nicht so gut geht. Aus dem Club heraus, nach Hause ins Bett

Wie sieht deine Zukunft aus? Ist eine Tour geplant?
Jetzt kommt erstmal das Album raus. Was danach passiert, steht heute noch in den Sternen. Ich hoffe, mit dem Album jetzt erstmal Leute dazu zu inspirieren, Musik anders zu denken und sich nicht an die Regeln der Musikwirtschaft zu halten, sondern wirklich so sein eigenes Ding zu machen. Leute zu inspirieren, das ist wirklich das Schönste, was du mit Musik machen kannst.

Also Inhalt über Form?
Auf jeden Fall, immer.

Gibt es eine Betriebsanleitung, wie man die Platte hören soll?
Also, ich kann auch hier wieder nur für mich sprechen und wie ich Musik höre. Eine Anleitung gibt es da nicht. Ich höre Musik aber immer besonders intensiv im Auto oder in der Bahn, wenn ich mal einen Moment, eine Stunde Ruhe für mich habe. Im Zug, mit dem Blick aus dem Fenster, da kann man die Platte sicherlich gut hören. Da hat sie auf jeden Fall ihre Wirkung,

 

Das Album „Fünfte Dimension“ ist gerade via Sony erschienen.

 

Aus dem FAZEmag 117/11.21
Text & Interview: Sven Schäfer
www.instagram.com/marteria