Marcel Dettmann, eine der prägenden Figuren der Berliner Technoszene und langjähriger Resident im Berghain, liefert einen persönlichen Beitrag zur renommierten Mastermix-Reihe von Running Back.
Dabei öffnet er erstmals sein privates Archiv und stellt eine Reihe seltener Edits vor, die bislang ausschließlich in seinen eigenen DJ-Sets zum Einsatz kamen. Dettmann, bekannt für seine Einflüsse aus Post-Punk, Industrial und New Wave, präsentiert seine Auswahl als fortlaufenden Mix, als 3LP-Gatefold-Version sowie in limitierter Kassettengedition.
Mit dieser Veröffentlichung bleibt Dettmann nicht bei einer bloßen Retrospektive stehen, sondern schlägt musikalisch Brücken zwischen EBM, Proto-Electro, Minimal Techno und weiteren Spielarten elektronischer Musik.
Seine Zusammenstellung beginnt mit einer Tonhöhenverschiebung, die Identified Patients „The Female Medical College of Pennsylvania“ in einen Peaktime-Freakout verwandelt. Direkt darauf folgt eine alternative Version von Tocotronics „Bis uns das Licht vertreibt“, die erstmals offiziell aus den Archiven auftaucht.
Ein weiteres Highlight ist Cristian Vogels „Untitled“ aus dem Jahr 1995, das mit präzisem Schnitt zurück auf die Plattenteller kommt. Auch John Benders „Victims of A Victimless Crime“ erhält ein neues Arrangement und bringt Dettmanns reduzierten Soundansatz auf den Punkt.
Im weiteren Verlauf begegnen Hörer subtilen Bearbeitungen wie Clarks „Dirty Pixie“, dessen funkige Texturen erhalten bleiben, und Dettmanns eigenem Remix für Junior Boys. Dieser entstand 2010 und gilt als Paradebeispiel für seine minimalistische Hochphase.
Dettmann greift in seinem Mastermix tief in die Kiste elektronischer Musikgeschichte: Experimental Products‘ „Who Is Kip Jones?“ wird minimal überarbeitet aus dem Discogs-Raritäten-Olymp zurückgeholt.
Ebenso vertreten sind Mutant Beat Dances „The Human Factor“ und eine Neuauflage von Dettmanns eigener Produktion „Water“, an der auch sein enger Weggefährte Ryan Elliott beteiligt war. Letzterer zählt zu den wenigen Gastbeiträgen auf der Compilation, die ansonsten vollständig aus Dettmanns Archiv stammt.
Die zweite Hälfte der Veröffentlichung verwebt Vergangenheit und Gegenwart von EBM und Industrial. Severed Heads‘ „We Have Come To Bless This House“ bleibt in seiner ikonischen Form erhalten, wird aber von Dettmann mit kleinen Eingriffen neu kontextualisiert.
Auch Nitzer Ebbs „Shame“ wird deutlich neu interpretiert. Yellos „Limbo“ aus dem Jahr 2017 erhält eine zweite Version, die mit „sinnlicher Spannung“ überzeugt. Der Track ist einer der wenigen, die einen Remix von Dettmann selbst als Ausgangspunkt hatten.
Einen emotionalen Höhepunkt erreicht die Kompilation mit der Bearbeitung von Frank Duvals „Ogon“, die als kontextverändernde Interpretation bestehende Klangbilder aufbricht. Weitere tiefgründige Eingriffe gibt es bei Ian Norths „Sex Lust You“ sowie Ford Procos „Expansion Naranja“, einer seltenen Zusammenarbeit mit Coil. Beide Tracks wurden als „Schattenversionen“ mit minimalen Mitteln und maximalem Respekt überarbeitet.
Zum Schluss bringt ein einfacher Breakbeat frischen Wind in Albert Kuningas‘ „Astraalprojektio“, während eine neue Version von K-Alexi Shelbys „Season of The Real“ noch funkiger daherkommt als das Original.
Den finalen Akzent setzt der Track „Das Tier“ von Conrad Schnitzler, dessen „wirbelnde Synthesizer und hypnotischer Gesang“ von Dettmann, wie er selbst sagt, „im Dialog mit dem Original“ bearbeitet wurden.
Die erste Single „We Have Come To Bless The House“ von Severed Heads ist bereits erschienen. Die komplette Veröffentlichung folgt am 27. Juni. Mit seinem Beitrag zur Mastermix-Reihe liefert Marcel Dettmann nicht nur einen tiefen Einblick in sein musikalisches Schaffen, sondern auch ein wertvolles Dokument seiner jahrzehntelangen Dancefloor-Erfahrung.
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