Matias Aguayo – Etwas Neues entdecken

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Als Chef von Cómeme hat sich Matias Aguayo der Erkundung neuer musikalischer Welten verschrieben. Er ist stets auf der Suche nach unentdeckten Talenten und versucht seinen eigenen Sound zu erweitern. Zusammen mit anderen Künstlern der Cómeme-Familie wird er am 22. Juni im Rahmen der c/o pop einen Abend in seiner alten Heimatstadt Köln gestalten. Fast zeitgleich erscheint sein drittes Album „The Visitor“ auf seinem eigenen Label. Wir sprachen mit ihm über die c/o pop, sein Album und die Cómeme-Band.

Bist du froh, im Rahmen der c/o pop mal wieder an deinem alten Wohnort zu spielen?
Natürlich ich bin immer sehr froh, nach Köln zurück zu kommen. Ich betrachte Köln in gewisser Weise auch immer noch als meine Heimatstadt, es ist ja auch die Stadt in der ich am längsten gelebt habe. Ich habe ungefähr zehn Jahre in Köln gelebt.

Was verbindest du mit der c/o pop in Köln?
Mit der c/o pop in Köln verbinde ich auf jeden Fall etwas besonderes. Es ist ein Festival, bei dem ich mich aufgrund der Zusammensetzung von den Leuten, die dahinter stehen, sehr verbunden fühle, denn das sind Leute die ich schon sehr lange kenne. Andererseits finde ich die Idee von Innercity-Festivals ziemlich schön. Und gerade wenn es darum geht Köln zu beleben, was sich für mich wie ein Heimspiel anfühlt, obwohl ich nicht mehr dort wohne ist dies natürlich extrem wichtig.
Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie viele Festivals es gibt. Ich spiele jedes Jahr auf Festivals im Sommer und fast jedes Wochenende oder jede Woche bin ich unterwegs. Manche wiederholen sich, aber ein Großteil sind immer wieder neue Festivals. Da finde ich schon, dass die c/o pop etwas besonderes hat. Man spürt ein gewisses Herz hinter der Sache.

Wer von Cómeme wird dich nach Köln begleiten? Habt ihr etwas spezielles für den Abend geplant?
Traditionell haben wir schon immer einen eigenen Cómeme-Abend gemacht, das wird jetzt die fünfte Mal, dass wir etwas machen. Dieses Mal gibt es eine besondere Variation bei der Cómeme-Nacht. Es wird nämlich eine Nacht, bei der nicht nur Cómeme-Künstler anwesend sein werden, sondern auch die DJs eines befreundeten Labels, Optimo aus Glasgow, das sind JD Twitch und JG Wilkes. Optimo hat uns auch schon nach Glasgow eingeladen. Bei der Cómeme-Nacht sind dann auch endlich wieder die DJs Pareja aus Buenos Aires dabei, das ist ein sehr nettes DJ Duo, die schon seit Ewigkeiten zusammen auftreten und zum Nachtleben von Buenos Aires gehören. Die anderen, die auftreten, sind  Diegors aus Santiago sowie Christian und ich, wir sind ja schon öfters in Köln zu hören gewesen.

Cómeme verbindet elektronische Musik mit südamerikanischen Einflüssen, auch sehr direkt über Radio Cómeme. Was findest du an dieser Symbiose so spannend? Ist die Erweiterung des musikalischen Horizonts für dich sehr wichtig?

Auf jeden Fall. Ich finde, dass man immer mit der Musik weitergehen und neue Sachen ausprobieren muss. Es gibt für mich im Techno sozusagen keine Traditionalität, es gibt diese natürlich, aber ich finde, dass es nicht ganz dem Geiste dieser utopischen Musik entspricht, sondern dass man nach Neuerungen und Änderungen sucht und das wir auch Bedingungen schaffen, unter denen man neue Sachen finden kann.
Die Verbindung mit Südamerika hat natürlich sehr viel mit meinen Reisen zu tun und mit der Tatsache, dass ich einen südamerikanischen Hintergrund habe, da ich in Chile geboren, aber in Deutschland aufgewachsen bin. Als sozusagen Migrantenkind kann man sich ja schnell in beiden Welten oder auch zu Hause fremd fühlen. Ich versuche natürlich den positiven Teil mitzunehmen und für mich die Möglichkeit, die musikalischen Freundschaften, die ich in Chile, Argentinien und Mexiko habe, mit all dem, was ich hier gelernt habe verbinden zu können.
Ich sehe die Labelarbeit so ein bisschen wie Gärtnerarbeit. Man beobachtet, man pflegt etwas und es wachsen Sachen und vielleicht wachsen auch ganz unerwartete Sachen, wie zum Beispiel die Verbindungen, die zwischen den Musikern entstehen, wenn zum Beispiel Capracara aus London anfängt mit Sano aus Medellin zusammen zu arbeiten.

Dein neues Album heißt „The Visitor“. Wie kamst du auf den Titel? Fühlst du dich selbst als Besucher in deiner eigenen musikalischen Welt?Matias_Aguayo_2small
Reisen ist natürlich einer der Gründe, warum das Album „The Visitor“ heißt, das ist der offensichtlichste Grund. Es gibt aber natürlich auch viele andere Punkte, warum dieses Album so heißen könnte und das möchte ich offen lassen. Meine Idee ist es, eine größere Geschichte zu erzählen, ein Album zu machen, in das man sich vertiefen kann, das man oft, das man lange hören kann und in dem man immer wieder etwas Neues entdecken kann.
Selbst in dieser Situation, in der ich in Berlin lebe, fühle ich mich als ein Besucher. Es ist aber auch eine Sache, die ich passiv verstehen kann, wie die Ideen oder die Person oder wie die verschiedenen Charaktere in die Musik treten. Ich habe einen Theaterhintergrund. Ich habe sehr lange in meinen jüngeren Teenager-Jahren, und auch als ich circa 20 war, im Theaterkontext gearbeitet. Daher stammt die Idee Geschichten zu erzählen, beziehungsweise Figuren zu entwerfen und auch verschiedene Charaktere innerhalb der Musik auszubilden. Nicht jeden Song gleich zu sehen, sondern vielleicht auch eine andere Rolle zu spielen, in eine andere Rolle schlüpfen, also dass man auch irgendeine Phantasie oder irgendeine Vorstellungswelt für sich behauptet und sich in dieser bewegt. Das sehe ich damit verbunden. Gerade bei „The Visitor“, bei dem sehr viele Leute mitgespielt und mitgewirkt haben, kann ich diese größere umständlichere Produktionsweise des Albums wie eine Regiearbeit verstehen, bei der ein ganzes Kollektiv an Leuten zusammenwirkt und man versucht ein ästhetisches Ergebnis zu erzielen.

Man könnte es also so zusammenfassen, dass du führst also Besucher in deine eigene musikalische Welt ein?
Ja, so kann man es knapper ausdrücken. „The Visitor“ ist ein bisschen ein Beschwörungsformel im Sinne, dass ich in der Musik – ohne das jetzt religiös zu meinen – sehr viel Wert auf die Spiritualität lege. Auf das, was man vielleicht nicht hört, das was unausgesprochen ist. Diese Offenheit sehe ich in dem Namen oder auch in der Art, wie ich an Texten gearbeitet habe.

Wer hat alles mitgearbeitet?
Da haben viele Leute mitgearbeitet, die bei uns im Label mitarbeiten. Vor allem Philipp Gorbachev, der wirklich sehr viel an dem Album mitgearbeitet hat. Er spielt bei vielen Stücken Schlagzeug, wir haben manche Rhythmen zusammen gejammt, die ich dann weiterentwickelt habe. Das ist auch etwas, was bei unserer Labelarbeit immer wieder vorkommt. Ich sehe da einen Anfang einer Cómeme-Band oder zumindest eines Produktionskollektivs.
Alejandro Paz hat große kompositorische Fähigkeiten, er hat mir geholfen. Außerdem ist er ein guter Sänger. Ana Helder hat mitgesunden, Daniel Maloso hat mitgesungen und Keyboard gespielt. Dann gibt es noch eine Reihe Künstler, die mit dem Label direkt nichts zu tun haben, wie zum Beispiel Aérea Negrot, eine venezolanische Sängerin, die einigen bekannt sein wird aus Hercules & Love Affair. Juliana Gattas ist eine argentinische Sängerin, die in einer ziemlich berühmten Popband namens Miranda singt. Jorge González ist wohl die legendärste Figur, die an der Platte teilgenommen hat, da er Sänger der Band Los Prisioneros ist, einer alten Punkband, die bis heute bedeutend in Chile ist. Er hat mir bei einigen Texten geholfen. Diese Liste der Künstler geht quasi endlos weiter.

Wie lange hast du jetzt insgesamt an dem Album gearbeitet?
Fünf Jahre, wenn man jetzt ausrechnet, wann die erste Aufnahme entstanden ist, die auf dem Album auftaucht und wann die letzte Aufnahmen gemacht worden sind, nämlich vor ein paar Wochen. Allerdings ist das ein ein bisschen Quatsch, denn ich habe ja nicht jeden Tag an diesem Album gesessen. Ich leite Cómeme musikalisch, das heißt für mich nicht nur, dass ich mir einfach nur Demos anhöre und sage: „Dieses gefällt mir, das werde ich veröffentlichen.“ Da gibt es sehr viel Dialog: „Ok, lass uns hier noch ein Schlagzeug aufnehmen,“ oder „Wie machen wir das jetzt mit deiner Platte? Philipp, sollen wir noch ein paar Backgroundvocals aufnehmen?“ Schon die ganze Entstehungsweise führt zu dem hin, was „The Visitor“ ist. Es ist schwer einen Zeitraum zu nennen.

Ist die Cómeme-Band eine Vision von dir oder gibt es konkrete Pläne?
Also es gibt konkrete Ideen, diese Ideen folgen halt gewissen Notwendigkeiten. Wir waren nie sonderlich konzeptionell, sondern haben immer versucht auf Veränderungen zu reagieren. Wir haben gemerkt, innerhalb des Labels, dass es gut ist, diesen Intuitionen zu folgen und zu merken: „Oah, die Jungs spielen hier gerne zusammen, dann lass uns eine Platte von den beiden zusammen machen, mal schauen was passiert.“ Es ist so ein kreatives Ding, dass man sich auf diese Sachen einlässt und versucht sich an den Prozess anzupassen.
Es gibt sehr konkrete Ideen, die Live-Umsetzungen noch mehr livemäßig zu gestalten, als sie es schon sind. Also ich habe schon bei Daniel Malosos Auftritten Percussions gespielt und Backgroundvocals gesungen. Philip Gorbatchev hat schon Drums bei mir gespielt. Wir wollen das Ganze aber noch mehr vertiefen, ich werde zwei Touren machen diesen Sommer, eine ist mit Can Tropaz als Begleitmusiker, eine andere wird mit Mostro aus chile sein, das sind ein Drummer und ein Keyboarder.
Ich weiß nicht genau, wie das in zwei Jahren aussehen wird, aber ich könnte mir gut vorstellen, dass das Ergebnis dieser Art zu spielen und zu arbeiten letzten Endes irgendwann dazu führen wird, dass wir alle gemeinsam auf der Bühne stehen.

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