Kein Fernsehen, kein Internet – Metodi Hristov wuchs in einfachsten Verhältnissen bei seinen Großeltern auf. Seine einzige Technologie-Quelle war das Radio, das ihn im jugendlichen Alter erstmals mit elektronischer Tanzmusik verzauberte. Der junge Bulgare hörte damals einen Tiga-Remix zu Corey Harts „Sunglasses At Night“ und war geflasht: „Er fesselte meinen Geist. Dieser Remix fühlte sich für mich fremd an, aber ich wollte nicht, dass er aufhört“, erinnert er sich zu Beginn unseres Interviews. Mittlerweile hat sich das Blatt gewendet: Es ist Metodis technoider Sound, der die Menschen weltweit auf den Dancefloors fesselt und nach mehr schreien lässt. Nach unzähligen Releases auf Top-Notch-Labels à la Filth on Acid, Awesome Soundwave, Terminal M und Senso Sounds kehrt der experimentierfreudige Producer nun mit einer neuen Scheibe auf sein eigenes Imprint Set About zurück.
Eine pulsierende Bassline, elektrisch geladene Flächen, trippige Acid-Synths und ein rebellischer, robotischer Schrei: „Fuck these algorithms!“. Hristovs neue Single „Modern Dystopia“ ist eine klare Anspielung auf eine Welt, in der Technologie immer mehr Oberwasser gewinnt und die Menschheit an ihren rudimentärsten Werten und Normen zu Grunde zu gehen scheint. Visuell begleitet wird der Track von einem Musikvideo, das der Bulgare mit einer Gruppe junger Fotograf*innen produziert hat. „Ich liebe es, meine Produktionen visuell aufzuwerten, und es macht mir große Freude, wenn ich meine Ideen durch Musikvideos zum Leben erwecken kann“, erklärt er.
Hristov war schon immer ein Fan des Experimentellen und Unkonventionellen. Er sieht die beiden Aspekte als wesentlichen Bestandteil seines kreativen Prozesses: „Ohne sie kann es keinen Fortschritt geben. Manchmal experimentiere ich mit Sounddesign, und manchmal erkunde ich verschiedene Genres. Gelegentlich veröffentliche ich sogar einige dieser Genre-Experimente. Ich möchte euch deshalb meine Tracks ‚Thoughts‘, ‚Colorblind‘ und ‚Afraid Of The Time‘ empfehlen, die von meinem üblichen Stil abweichen. Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs. Auf meinem Computer habe ich zahlreiche ungewöhnliche Projekte, die geduldig auf den richtigen Moment warten, um vollendet zu werden.“
Geduld, Fleiß, aber auch Mut gehören zu den essenziellen Tugenden im Leben des DJs und Producers, der genau weiß, wie er die Emotionen der Crowd zu kontrollieren hat – ob in einem intimen Club in Berlin oder auf einem großen Sommerfestival in Südamerika. Nachdem er – angestachelt durch seine Liebe zu Tracks von The Prodigy, Music Instructor oder Westbam – im Teenagealter mit dem Auflegen begonnen hatte, sah sich der junge Hristov schließlich erstmals mit einer Situation konfrontiert, in der er seinen Mut auf die Probe stellen musste: „Im Alter von 17 oder 18 Jahren wurde mir klar, dass ich als DJ ein breiteres Publikum mit meiner Musik erreichen würde. Allerdings stand ich vor einer Herausforderung: Ich kannte niemanden in diesen Kreisen. Eines Tages, als ich mit ein paar Freunden in einer Bar war, sprang ich über meinen Schatten und sprach den DJ an, um ihn zu fragen, ob er mir das DJing beibringen könnte. Zu meiner Überraschung stimmte er zu und löste damit eine Kettenreaktion aus, die mich dahin führte, wo ich heute bin.“
„Modern Dystopia“ ist am 21. Juli via Set About erschienen.
Kurz und knapp:
Deine Hobbys abseits der Musik?
Wandern und Tennis
Drei der spannendsten Länder, die du besucht hast?
Australien, Südafrika und Singapur
Drei typische Charaktereigenschaften der Bulgar*innen?
herzensgut, grummelig, temperamentvoll
Auf welchen Track bist du besonders stolz?
„Afraid Of The Time (Reprise)“
Deine aktuellen Top 3 Producer?
Enrico Sangiuliano, Balthazar & JackRock, Lautaro Ibanez
Wenn du kein Musiker geworden wärst …
… wäre ich Astronom oder Filmemacher.
Aus dem FAZEmag 138/08.2023
Text: Hugo Slawien
www.instagram.com/metodihristov